Der Isländer Erró mit „Porträt und Landschaft“ in der Kunsthalle Schirn in Frankfurt am Main, Teil 2/2
Felicitas Schubert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Früher sagte man zu solchen tierischen Gestalten Fabeltiere. Aber da ging es um Einhörner, auch mal um einen Drachen, alles liebliche Gestalten gegen diese Unholde, die man aus den Comicserien der Welt wiedererkennt. Wie hieß er doch, dieser Orang Utan, der hier gleich alles zusammenschlägt. Da sei dann aber Batman davor, der oben seine Rettungsaktionen in Gang setzt, die Bösen verfolgt und den Guten hilft. Die Bestien sind überall, aber in der Welt des Schreckens sind wir sie schon so gewohnt, daß auch die Bösen zu normalen Bewohnern der Welt geworden sind.
Aber der Hund dort, der ist doch eine Karikatur, die wir schon von Heine kennen, also haben manche der Figuren eine historische Herleitung, die wir mitsehen, was auch für den Fiedler drüben gilt. Aber, was will uns der Künstler mit dieser Supercollage sagen? An der Wand steht zur Erklärung „malerische Reproduktionen massenmedial verbreiteter Bildvorlagen“ und es fehlt auch nicht der Hinweis, daß die Pop Art nur eine Herleitung des auf einen Kunstbegriff nicht festlegbaren Künstlers ist. Auch Surrealismus und sogar Realismus wird ihm zugestanden, wobei es eine alte Weisheit ist, daß Superrealismus fast automatisch surreal erscheint.
Man nehme ganz viele Autos, stelle sie kreuz und quer zusammen, so daß auf dem Bild kein Raum für irgendwas noch sei, dann hat man „Carscape“ von 1969, oder Herzkammern und andere menschliche (tierische?) Organe, die umeinanderkreuchen und fleuchen und 1968 zu „Inscape“ werden, nach den selben Prinzip Vögel, Nahrung, Himmelsfahrzeuge, sogar mit einem Menschen in einer Rakete(?), am stärksten aber auf einmal an das Prinzip der Mosaike erinnernd „Comicscape“ von 1972, wo mittels Kleinstbilder mit größeren im Wechsel eine Welt entsteht, die nur noch „JOIN THE WORLD FAMILY OR DIE!“ erlaubt. Wieder einmal steckt der größte Horror im Alltäglichen solcher harmloser Comics.
Der zweite Teil der Ausstellung gilt den Porträts, für die Erró eine Gesichtshälfte (fast) normal malt, die andere monströs dazumalt. Einmal links, einmal rechts, sodaß zwei Fratzen in einem Bild entstehen. Das ist mal lustig und unterhaltsam wie bei van Gogh oder Pound, mal weniger aussagekräftig wie bei Beethoven und Sokrates oder Churchill, weil sich das Prinzip der Tierbehaarung verselbständigt und eigentlich eher die Herleitung vom Affen zum Menschen zeigt.
Interessant dann die Ausnahmen. Nasser zum Beispiel, der ägyptische Revolutionsführer, der das moderne Ägypten schuf, das die Nachfolger verschluderten, ist die sympathischste Figur auf Männerseite, finden wir. Allerdings ist Stalin auch nicht in voller Brutalität vorhanden, die Mao dann mit seinen Reißzähnen durchaus besitzt. Schweitzer gibt es gleich zweimal, also vier Köpfe, und Frauen zählen wohl nicht zu dieser „Monster“ genannten Reihe, weshalb die einzige, die „Loren“ dann auch auf dem Titelbild des Katalogs Platz findet.
Wir aber nehmen uns vor, ein neues Gesellschaftsspiel zu kreieren, wo nicht mehr als Zeichnung zum Herumwandern, ein Kopf, ein Rumpf und Beine hintereinander unter Verdeckung des Vorderen hinzugezeichnet werden, sondern Fotos zum Ausgangspunkt genommen werden, die nur das halbe Gesicht zeigen und in dessen zweite Hälfte die Gäste nun hineinzeichnen können, was sie zu der Person immer schon mal laut sagen wollten: eine Horrorfratze.
Bis 8. Januar 2012, beachten Sie das Weihnachtsferienprogramm
Katalog: Erró, Porträt und Landschaft, HatjeCantz 2011. Mit einem Vorwort von Max Hollein. Ein schmucker Bursche war er, dieser 1932 auf Island geborene Gudmundur Gudmundsson, der sich später Erró nennt und in Paris hängen bleibt. Der nun fast Achtzigjährige ist auch noch gut drauf und stolz darauf, daß er der Zeit nicht hinterherhinkt, sondern mit seinen Monsters vorneweg und mit seinen ‚Scapes‘ überzeitlich bleibt, von Hieronymus Bosch bis der Prinzhorn-Sammlung oder denen aus Gugging. Der Katalog bringt nicht nur die Bilder, auch im Detail, sondern ebenfalls viele Texte, die den hierzulande unbekannten Künstler wie von selber erklären.
www.schirn.de