Serie: MAX SLEVOGT: Vier Ausstellungen in Mainz und auf Schloß Villa Ludwigshöhe in der Pfalz, Teil 8

 

Claudia Schulmerich

 

Edenkoben (Weltexpresso) - Man vermutet schon in der Ausstellung, daß diese von der Berliner Nationalgalerie zusammengestellt und in Deutschland unterwegs ist. Das ist eine gute Idee, denn wie jetzt bei dem Schwerpunkt mit Slevogt in Rheinland-Pfalz, ist diese Ausstellung eine gute Folie, auf der man den Maler – es geht nur um Gemälde – auf dem Hintergrund seiner Zeit einordnen kann, wenn man will.

 

 

Eine solche Hintergrundsausstellung kann man sich auch für eine monographische Schau zu Lesser Ury, Emil Orlik oder Walter Leistikow, auch andere Künstler vorstellen, von denen wir für die beiden Ersten schon schrieben, daß sie unter dem Verdikt der Nationalsozialisten besonders zu leiden hatten, was dazu führte, daß heutzutage ihre damalige Bedeutung zu unrecht weithin unbekannt ist. Wie wichtig nun die 'drei Musketiere des Impressionismus' Liebermann, Corinth und Slevogt für die öffentliche Wirkung der neuen Malergeneration waren, zeigt eine große Fotografie beim Aufstieg zur Galerie im Schloß, die erneut in der Ausstellung hängt und mehr zeigt, als Worte sagen können.

 

Denn diese deutschen Seccionisten und Impressionisten waren kein Bürgerschreck, sondern sie waren in Person die bürgerlichen bis großbürgerlichen Vertreter der neuen Malerkunst, nämlich allesamt Malerfürsten. Der Bart war 'in', wenigstens der Schnauzer wie bei Corinth und Liebermann, aber Slevogt trägt wie andere einen Backenbart. Nur der viel jüngere Verleger Paul Cassirer erscheint bartlos und man kann sein Bild nicht anschauen, ohne an seinen Selbstmord zu denken, als sich seine Frau, die berühmte Diseuse Tilla Durieux von ihm scheiden ließ. Hier sitzen sie im Freien ohne den üblichen Hut, denn normalerweise sind sie sehr gut „behütet“, Liebermann liebte den Zylinder, anderen den Homburger oder die Melone, was man in Fotografien im Katalog bestaunen kann.

 

Natürlich könnte Berlin aus dem Fundus seiner Depots sogar mehrere Ausstellungen gleichzeitig bestücken, denn es geht bei dieser Ausstellung nicht um die Heroen der Bewegung Impressionismus, sondern um die Berliner Secession, in der sich die sammelten, die mit der antiquierten Malerei der Akademien nicht mehr einverstanden waren und einen neuen Malstil als Grundlage ihrer Kunst anwenden. Dieser als 'Secessionsstil' kenntliche hat viele Facetten, wobei man sich in der Hauptsache auf die Aufhellung der Farben, auf den Einfluß des Lichts auf die Umgebung und die Menschen sowie auf das nahe Herangehen an die Objekte beim Malprozeß beschränken kann.

 

Welche Mitglieder die Berliner Secession hatte, muß man nicht erfragen, die kann man in der Max-Slevogt-Galerie an ihren Werken erkennen, die sich um die Themen Landschaft - die für Berlin auch Großstadt heißt – und Porträt ranken. Letztere kommen in der Ausstellung schon deshalb am Anfang, weil sich hier das Netz der gegenseitigen Freundschaften zeigt. Jeder malt jeden, denkt man. Da sieht man Walter Leistikow gemalt von Lovis Corinth, sieht aber auch dessen Kopf, den Georg Kolbe 1907 als Skulptur schuf, Kolbe ,der auch Paul Cassirer in Bronze goß. Da malt Reinhold Lepsius seine Frau, die Tochter des Malers Graef – 'Inzucht' gab es häufig in einem Gewerbe, wo viele Maler auch ihre Modelle heirateten - , Konrad von Kardorff seinen Vater, Corinth wiederum Kolbe. Aber dann weiß man, daß Sabine Lepsius, also die Ehefrau des Reinhold ebenfalls eine bekannte Secessionistin wurde und sich auf Kinderbilder spezialisierte, auch über diese bringt der Katalog allerliebste Beispiele.

 

Hier in der Ausstellung kommt endlich wieder einmal außerhalb von Berlin Lesser Ury zur Geltung. Seine nächtlichen Großstadtbilder, die im gewissen Sinn die Geschwindigkeit aus den Bildern von Turner nach Berlin transportieren, sie aber hier in den zerfließenden Lichtern der Großstadt und dem Widerschein auf dem nassen Asphalt wiedergeben, bleiben ein tiefes Erlebnis. Und tatsächlich gibt es auch dasselbe Motiv aus den Anfängen von 1889. Aber damals malt Ury zwar die nächtliche Großstadt, aber sie ist fast unbewegt und man erkennt mit Interesse, daß Ury erst nach und nach die Bewegung und das Licht des Impressionismus in der nächtlichen Großstadt wahr werden ließ und auf die Leinwand bannen konnte. Und daß er auch ganz anders malen konnte, zeigt dann seine „Morgensonne“ von 1924. Lesser Ury wurde am 7. November 1921 Ehrenmitglied der Berliner Secession, was außer ihm nur Hans Thoma zugestanden wurde. Allein schon wegen Ury lohnt der Ausstellungsbesuch.

 

Unser Besuch hat natürlich sehr viel mehr zu bieten. Daß Lovis Corinth prominent vertreten ist, das muß so sein und seien wir ehrlich, er ist tatsächlich von allen derjenige, der die Frauen als Maler am meisten liebt, auf jeden Fall ihnen auf die Haut geht und unter sie nur insoweit, als sie immer sinnlich und begehrenswert bleiben. Ein Frauenmaler per se. Aber dieses eine Bild vom Schweden Anders Zorn um 1900 gemalt, „Maja“, das würden wir auch in eine Ausstellung von sinnlichen und rätselhaften Frauen aufnehmen.

 

Die „Dame in Schwarz“ dagegen, die Ernst Oppler 1922 schuf, die würden wir nicht nur in einer solchen Ausstellung sehen wollen, sondern uns sehr gerne zu Hause über das Sofa – oder sonst wohin – hängen wollen. Impressionismus? Na ja, noch im Übergang. Die Malweise. Vielleicht. Aber der klare Blick und die Deutlichkeit des Ausdrucks, das ist dann schon Neue Sachlichkeit. Es soll die Tochter sein, meint man, die schöne Frau, denn im Hintergrund sieht man einen Glasschrank mit ostasiatischem Sammelporzellan, das Oppler 1915 als Hintergrund für seine „Lesende Kinder“ nahm, ein Stück, das original in seiner Wohnung in der Kurfürstenstraße stand, was unseren Eindruck, daß dieser Künstler kein Hungerleider war, unterstreicht.

 

Natürlich kommen hier bei uns die Landsschaftsstücke zu kurz. In der Ausstellung nicht. Den der Malstil Impressionismus legt immer die freie Natur, das Malen in ihr und das Abbilden dieser naturnahen Welt nahe. Hier gibt es noch viel zu entdecken, was Sie selber tun müssen.

 

Foto: Lesser Ury, Morgensonne

 

Katalog:

 

Berliner Impressionismus. Werke der Berliner Secession aus der Nationalgalerie, hrsg. für die Nationalgalerie von Angelika Wesenberg, veränderte Auflage 2013, Staatliche Museen zu Berlin

 

Tatsächlich sollte sich den Katalog jeder zulegen; wer zu wenig über die Berliner Secession weiß, denn hier hat er nicht nur die Grundlagen, den geschichtlichen Abriß, die Mitglieder, die Entwicklung, sondern mit den beiden Innenseiten am Anfang endlich eine Topographie des Berliner Impressionismus, die sich gewaschen hat. Wer wo wohnte, dem können Sie genauso gut nachgehen, wie, wo die Ausstellungshäuser der Secession lagen, erst Kantstraße, dann Kurfürstendamm. Der berühmte Glaspalast lag am Lehrter Bahnhof, dort also, wo heute der Hauptbahnhof thront.

 

Angelika Wesenberg führt dann in den Stil ein, stellt die Grundlagen, seine Ausprägung, seine 'Weltanschauung' dar und geht auf den geschichtlichen Verlauf ein. Über den Aufstieg und Niedergang der Berliner Secession schreibt auch Reimar F. Lacher , während Kristina Mösl „Fünf Fallstudien“ bringt, wie die Maltechnik der Berliner Secessionisten im Detail – eindrucksvolle Fotos – aussieht.

 

Ob die Fotos, die dargestellten handelnden Personen oder dann die vielen Abbildungen aus der Ausstellung. Man hat seine Freude an diesem Katalog.

 

 

Bis 7. August 2014

 

INFO Ludwigshöhe:

 

Max Slevogt-Galerie

Schloß Villa Ludwigshöhe, Villastraße 64

67480 Edenkoben, Tel. 06323 93096

 

Öffnungszeiten bis September: 9-18 Uhr; 1. Werktag der Woche geschlossen

 

www.landesmuseum-mainz.de

www.rdke.rip.de

www.max-slevogt-galerie.de

www.schloss-vill-ludwigshoehe.de