Serie:„Georg Spalatin – Steuermann der Reformation“ im Residenzschloß Altenburg, Teil 3

 

Claudia Schulmerich

 

Altenburg/Thüringen/Sachsen (Weltexpresso) – 1525 ist ein Wendepunkt im Leben Georg Spalatins. Kurfürst Friedrich der Weise, dessen Hofkaplan und Geheimsekretär Spalatin war, stirbt. Spalatin wird als evangelischer Pfarrer an die St. Bartholomäikirche in Altenburg berufen. Im selben Jahr heiratet er und führt seine historische Arbeit fort, bleibt aber auch im politischen Leben präsent und vor allem an den Angelegenheiten der Reformation beteiligt.

 

Wir wollen die biographischen Erläuterungen hier nicht fortsetzen, verweisen auf Teil 4, wo ein Buch, das ausdrücklich nur die Jahre 1525-1545 (Todesjahr) umfaßt, im Mittelpunkt steht. Stattdessen bewegen wir uns in der Ausstellung, von der wir zuallererst die bildlichen Darstellungen des Humanisten anschauen. Quasi als Logo wird das 1509 von Lucas Cranach d.Ä., der Hofmaler beim sächsischen Kurfürsten war, gemalte Spalatin-Porträt im Rahmen der Ausstellung verwendet. Es prangt überall, auch auf dem Katalog, wo es geschickt in ein Lutherprofil aufmontiert ist. Dort allerdings trägt der 26 Jahre alte Georg einen feuerroten Kragen, während im Original dieser schwarz gefüttert, ein sehr einfaches Gewand zeigt. Aber der Blick der Augen ist klar und auch ein wenig abschätzend auf uns gerichtet, uns kritisch musternd. Eine recht große Nase, ein durchaus sinnlicher Mund und das Lockengewirr zeigen einen, der noch alles vor sich hat.

 

Wenn Lucas Cranach d.Ä. 28 Jahre später, also 1537, Spalatin erneut malt, dann sieht man mindestens Zweierlei. Hier blickt ein Mann der Kirche, ein Protestant, mit schwarzer Ohrenklappe auf dem Haupt und einer schwarzen Pfarrerstracht in gefaßtem Zustand in die Zukunft; die Jahre haben diesem Mann viel angetan, denn er ist sichtlich gealtert, wobei die kleine Strähne, die unter der Kopfbedeckung hervorlugt, immer noch rötlich ist. Seine eingefallenen Wangen lassen neben nächtelanger Gelehrsamkeit auch Krankheit vermuten, aber sein Blick im Dreiviertelporträt auf petrolfarbenem Hintergrund ist sanft zuversichtlich in die Ferne gerichtet. Dies Bild entspricht den Reformatorenbilder, die Cranach um 1537 mit immer demselben Hintergrund und Bildausschnitt schuf und die sein Sohn Lucas d.J. um 1579 mit den Gealterten wiederholte: Luther (der schon 1546 verstorben war) oder Philipp Melanchthon, der 1560 starb, auf blaßblauem Hintergrund.

 

Zwischen Jugend und Alter liegt der Cranach Holzschnitt von 1515, der mit abgedrucktem Gebet Georg Spalatin betend vor dem Kreuz zeigt und damit auf seine seelsorgerische Funktion als Vorbild verweist, denkt der Laie. Dabei wird ein solches Motiv interpretiert als Zeichen der Reformation, daß nämlich der sündige Mensch sich Gott anvertraut. Auch hier trägt er wie auf dem Porträt von 1509 keine Kopfbedeckung und lockiges Haar. Auf das eindrucksvolle Gruppenporträt der Reformatoren mit dem Kurfürsten Johann Friedrich und den Wittenberger Reformatoren sind wir schon eingegangen. Diese gemalte Orgie in Köpfen und schwarzen Gewändern mit auffälliger Applikation und breiter Brustkette des Kurfürsten ist aus Toledos Kunstmuseum in die Ausstellung gelangt. Ein andermal wollen wir unbedingt den Weg dieses Bildes aus dem protestantischen Wittenberg ins katholische Toledo verfolgen.

 

Wie schön, daß noch mehr Gemälde von den Cranachs u.a. die Ausstellung schmücken. Wären die sächsischen Kurfürsten ohne ihren Hofmaler Cranach so im Bildgedächtnis der Deutschen eingeschrieben? Dabei hat das Cranachsche Bildnis der Sibylle von Cleve aus den 1530er Jahren ein Eigenleben entwickelt. Nicht alle, die dies Bild kennen, wissen, daß sie die Ehefrau von Kurfürst Johann Friedrich war, der auch der Großmütige genannt wurde. Im Bildnis des Monogrammisten ILG thronen alle drei Kurfürsten beeinander, mit denen Spalatin im Laufe seines Lebens zu tun hatte. In einer Art Triptychon ruht in der Mitte mit der Krone auf der Hand der weise Friedrich, auf der linken Seite sein Bruder und Nachfolger Johann der Beständige, auf der rechten Tafel Johann Friedrich der Großmütige, Sohn des Johanns und dessen Nachfolger.

 

Mit welcher Anmut Cranach die von Georg Spalatin verfaßte CHRONIK DER SACHSEN UND THÜRINGER bebildert hat, gehört zu den bestaunenswertesten Objekten der Ausstellung. Dies ist übrigens auch das wertvollste Exponat der Ausstellung. Doch wir sollten eher von der Anmut der Cranach-Werkstatt sprechen, denn in dem 1515/1517 erschienenen Band gibt es 1 800 Illustrationen, von denen zehn kolorierte Federzeichnungen von der hohen Qualität der Kunst und des Drucks zeugen. Ein romantisches Deutschland erscheint mit Burgen und streitbaren Mannen, die Schlachtenbilder voller Hochgerüsteter deuten die kriegerischen Zeiten genauso an, wie dann die Leute Hochzeit halten und schöne Frauen eine Einzeldarstellung erhalten. Das Leben ist alles zusammen.

 

Spalatin-Madonna heißt die vollplastische Madonna im Strahlenkranz aus Lindenholz, weil Spalatin sie 1519 der Pfarrkirche seiner Heimatstadt Spalt geschenkt hatte. Ist es nicht ein schönes Zeichen, daß sie die fast 500 Jahre überdauert hat und in solcher Pracht uns anlächelt. Zu ihr gesellen sich mehrere Flügel von Altarretabeln. Auch einfach schöne Kunstwerke, als die wir sie heute sehen, die einem Zweck im Kirchenjahr am Altar der Kirche dienten. Neben den schriftlichen Dokumenten – u.a. zwei Schreiben Martin Luthers, in denen er Spalatin um die Beschaffung von Edelsteinen bittet, damit er die Apokalypse fachgerecht übersetzen kann – sind dann die erwähnten Edelsteine in natura ausgestellt. Das macht Spaß, das eigene Wissen zu überprüfen und zu vervollständigen.

 

Bei der ausgestellten Ausgabe der Dürerschen Apokalypse von 1511 staunt man über die Detaildichte, die Dürer mit dem Holzschnitt zuwege brachte, dessen spröde Machart einst zum Ausdruck des Holzschnittartigen führte, was Dürer allerdings zu höchster Lebendigkeit brachte. Erst im Deutschen Expressionismus wird der Holzschnitt so holzschnittartig, wie ihm unterstellt wird. In den acht Räumen finden sich übrigens 42 Vitrinen, in denen ein Teil der 250 Ausstellungsstücke ruhen, von denen der Fingerhut um 1500 das kleinste Ausstellungsstück ist. .

 

Sträflich haben wir das kunsthistorisch beachtliche Residenzschloß als Ort der Ausstellung links liegen lassen, wie wir auch die Abteilung Altenburg in der Ausstellung selbst übergangen haben. Lesen Sie wenigstens den entsprechenden Teil 7 nach.Das Übergehen gilt auch für die vielen Gegenstände aus rituellem oder privatem Gebrauch, die uns heute vor Augen führen, mit welchen Dingen man damals lebte. Das alles muß man original sehen, weshalb ein Artikel und auch keine Ausstellungsfolge einen Ausstellungsbesuch ersetzen können. Viel Spaß also in Altenburg.

 

 

Katalog:

 

Georg Spalatin, Steuermann der Reformation, hrsg. von Armin Kohnle, Christina Meckelnborg und Uwe Schirmer und Stadt Altenburg, Mitteldeutscher Verlag 2014

 

Der in vier Abteilungen unterteilte Katalog bringt in seinem ersten Teil Spalatins Lebensdaten und seine beruflichen Anfänge als Prinzenerzieher und Sekretär Friedrich des Weisen. Seine Tätigkeiten im Dienste der Kurfürsten Johann und Johann Friedrich folgen, wobei aber Armin Kohnles Essay über „Spalatin und Luther (45 ff) uns am meisten interessiert. Überschrieben ist er: „Eine Männerfreundschaft“ und man muß sich die Lebensdaten genau anschauen, denn auf den Bildern schaut Luther älter und mächtiger aus, aber der beiden Lebensdaten liegen nah beieinander: Luther wird ein Jahr früher geboren und stirbt ein Jahr später. Kohnle zitiert: „Luthers vertrautester Freund“ und „Freundschaftsbund seltener Art“, aber wie oft bei bedeutenden Männern ist der reichhaltige Briefwechsel nur bei Spalatin erhalten, der Luthers Briefe (420) wie einen Schatz hütete und die Nachwelt auch.

 

Spalatins Briefe sind in der Überzahl verloren, nur 16 sind aus der Korrespondenz zwischen 1514 und 1525 erhalten, so daß die Aussagen Spalatins eher in den Antworten Luthers erschlossen werden. Auf jeden Fall sind diese Jahre gut dokumentiert, was sich ab 1525 ändert, weshalb wir schon hier auf den unten stehenden Band aus dem Sax Verlag verweisen, der Spalatins Wirken in Altenburg dezidierter, vor allem herrlich an 43 Quellen selbst nachweist.

 

Im Katalog führen alle Tätigkeiten Spalatins, der als Prinzenerzieher anfängt, zu gesonderten Katalogbeiträgen. Für Kunstinteressierte ist besonders interessant: VON LUCAS CRANACH GEMALT – SPALATIN IM PORTRÄT von Nadine Willing-Stritzke ab Seite 178. Ein sehr überzeugender Beitrag. Das gilt auch für DIE SPALATIN-KORRESPONDENZ von Christine Weide, die Aufschluß gibt, warum wir uns mit Spalatin befassen sollten, was seine historiographische Tätigkeit miteinschließt, die Christina Meckelnborg ausführt. Auch die Stadt Altenburg und ihre sehr verwickelte Geschichte kommt im Teil III. ausführlich zu Wort und Bild. Ab Seite 283 folgt der Katalogteil, der grob gesagt, der Struktur der Ausstellung, dem Ausstellungsrundgang folgt.

 

und

 

Björn Schmalz, Georg Spalatin und sein Wirken in Altenburg (1525-1545), Sax Verlag 2009

 

 

 

INFO :

 

Zeitraum der Ausstellung: 18. Mai bis 2. November 2014 im Residenzschloß Altenburg

 

Weitere Ausstellung in der Stadtkirche St. Bartholomäi „Freiheit und Glauben“, die als Dauerausstellung konzipiert ist

 

Ein multimedialer Spalatinpfad führt durch Altenburg, was sich keiner entgehen lassen sollte.

 

Zeitraum des Ausstellungsthemas : ausgehendes 15. bis Mitte 16. Jahrhundert

 

Das gesamte Rahmenprogramm unter www.spalatin-2014.de/ERLEBEN