Serie:„Georg Spalatin – Steuermann der Reformation“ im Residenzschloß Altenburg, Teil 2
Claudia Schulmerich
Altenburg/Thüringen/Sachsen (Weltexpresso) – Wenn wir ehrlich sind, dann lebt das Ausstellungswesen davon, daß es immer wieder um dieselben Sachen, dieselben Themen, dieselben Personen geht. Ob in der Kunst oder in der Geschichte. Jubiläen bestimmen da den Ausstellungsreigen, was auch für die Reformation gilt.Und da kommt drei Jahre vor dem 500 Jahr-Jubiläum eine Ausstellung daher, die für die meisten einen neuen Namen in den Ring wirft: Georg Spalatin.
Den gewichtigsten Nachweis für die Bedeutung des - den meisten bisher unbekannten - Reformators und Humanisten Georg Spalatin (1484-1545) hat 1543 Lucas Cranach d.J. gemalt, als er ihn zwischen Martin Luther (1483-1546) und dem vorne in der Pracht seines Amtes stehenden Kurfürsten Johann Friedrich als jugendlichen Kopf nach oben schauen läßt. Im gleichen Bild hat Philipp Melanchton – er muß es sein – seinen Finger fast ein wenig in der Manier von Jesus Christus erhoben. Wer die anderen sind in dem Bild, das ausdrücklich den Kurfürsten „und die Wittenberger Reformatoren“ Ende der Dreißiger Jahre zeigt, wissen wir nicht. Die Forschung schon. Aber eindeutig ist hier dieser Georg Spalatin herausgehoben und noch jugendlich dargestellt, auch wenn das Bild zwei Jahre vor seinem Tod gemalt wurde und Luther noch drei Jahr lebte.
Daß dieses Gemälde, heute in Toledo, ein Prunkstück der Ausstellung im Residenzschloß Altenburg zu sehen ist und auch dem Katalog vorangestellt ist, hat seine Berechtigung, denn Bilder haben die damalige Zeit erst einmal mehr beeindruckt als Schriften. Es war ja gerade die Reformation selbst, die dem Wort, auch dem göttlichen Wort zur Wirkung verhelfen wollte, dazu aber oft Bilder, auch satirische über den Papst und dergleichen nutzte. Nimmt man hinzu, was die Ausstellung ausführt, daß Georg Spalatin in den Jahren 1418-1525 für Luther ein Hauptansprechpartner war und die Reformation maßgeblich mittrug, so kommt außer am Interesse an einem weniger bekannten Reformator und Humanisten eben auch die Männerfreundschaft zwischen den beiden: Luther und Spalatin hinzu.
Doch dazu muß man erst einmal mehr über Georg Burghardt Spalatin wissen. Geboren am 17. Januar 1484 in Spalt/Franken, woher sein latinisierter Name Spalatinus rührt, nahm er als unehelicher Sohn eines Gerbers einen anderen Weg als unsere Vorurteile denken lassen. Er ging auf die Stiftschule seiner Heimatstadt, besuchte dann 1947 in Nürnberg die bekannte St. Sebaldussschule und immatrikulierte sich 1498 an der Universität Erfurt, wo er schon Philosophie studierend – die Jungs waren damals fix – 1499 den ersten akademischen Grad eines Bakkalaureus artium erwarb. 1502 ging er an die neue Universität Wittenberg, studierte dort Griechisch und Geschichte und erwarb1503 seinen Magister artium, woher auch die erstmalige Nennung als Georgius Spalatinus herrührt.
Zurück nach Erfurt setzte er seine Studien mit den Rechten und Theologie fort und wurde 1508 zum Priester geweiht. Im gleichen Jahr wurde er Erzieher des Kurprinzen Johann Friedrich, muß aber schon einen Namen gehabt haben, denn das Porträt von Lucas Cranach d.Ä., das die Ausstellung überspannt, wurde schon 1509 geschaffen, da war der rothaarige Lockenkopf – das stimmt, daß er an einen gewissen Fußballspieler namens Müller erinnert, der sich gerade Erfolge in Brasilien erschießt - gerade mal 25 Jahre und arbeitete kontinuierlich die Geschichte als „Chronik der Sachsen und Thüringer“ auf. Der sächsische Kurfürst Friedrich III. , auch auf Grund seines politischen Handlungsgeschick als einer der sieben Kurfürsten bei der Königs- und Kaiserwahl Friedrich der Weise genannt, machte ihn zum Verwalter seiner Universitätsbibliothek auf Schloss Wittenberg, sein Hofkaplan wurde er auch und dann sein 'Geheimschreiber' an der Universität Wittenberg.
Schon die Funktion als Hofkaplan beinhaltete, daß er als Beichtvater eine besondere Stellung besaß, weshalb er den Kurfürsten auch zu den Reichstagen begleitete. Die Kontakte des Kurfürsten zu Martin Luther liefen über ihn und die spätere Freundschaft ab 1514 ergab sich aus dieser Konstellation, wobei die beiden Kirchenmänner untereinander offene Worte sprachen, auch Differenzen offenlegten, jedoch den gegenseitigen Respekt an die erste Stelle rückten, was angesichts der Übereinstimmung in den meisten Fragen nicht schwer war.
Die „Kleiderordnung“ wurde dabei durchaus eingehalten, denn Spalatin war der Fragende und Suchende und Luther der Alleswissende, der die Bibel genauso überzeugend auslegte wie er zu allen anderen theologischen Fragen endgültige Antworten kannte. 1518 änderte sich der Ton und der Inhalt des Schriftwechsels.
Jetzt war Luther der Angegriffene und suchte Unterstützung, was die Stellung Palatins am Hofe Friedrich des Weisen (1463-1525) möglich machte. Im Juni 1518 begann nämlich in Rom der Ketzerprozeß gegen Luther und allgemein wird Spalatin für ausschlaggebend dafür gehalten, daß Friedrich der Weise Luther erst schützt (keine Auslieferung nach Rom, deutsches Gericht) und sich in der Zeit bis zu seinem Tod 1525, als er nach protestantischer Lehre das Abendmahl nahm, nach und nach Luthers Auffassung und damit der Reformation annähert. Noch zuvor hat Spalatin mit seinem Kurfürsten Friedrich III. 1520 die Kaiserkrönung Karls V. und 1521 den Reichstag zu Worms (freies Geleit für Luther) miterlebt. Der Reichstag ächtete dort Luther, ließ jedoch das vom Kurfürsten zugesicherte freie Geleit gelten. Spalatin war maßgeblich für Luthers Schutzhaft auf der Wartburg bei Eisenach verantwortlich. Fortsetzung folgt.
Katalog:
Georg Spalatin, Steuermann der Reformation, hrsg. von Armin Kohnle, Christina Meckelnborg und Uwe Schirmer und Stadt Altenburg, Mitteldeutscher Verlag 2014
Der in vier Abteilungen unterteilte Katalog bringt in seinem ersten Teil Spalatins Lebensdaten und seine beruflichen Anfänge als Prinzenerzieher und Sekretär Friedrich des Weisen. Seine Tätigkeiten im Dienste der Kurfürsten Johann und Johann Friedrich folgen, wobei aber Armin Kohnles Essay über „Spalatin und Luther (45 ff) uns am meisten interessiert. Überschrieben ist er: „Eine Männerfreundschaft“ und man muß sich die Lebensdaten genau anschauen, denn auf den Bildern schaut Luther älter und mächtiger aus, aber der beiden Lebensdaten liegen nah beieinander: Luther wird ein Jahr früher geboren und stirbt ein Jahr später. Kohnle zitiert: „Luthers vertrautester Freund“ und „Freundschaftsbund seltener Art“, aber wie oft bei bedeutenden Männern ist der reichhaltige Briefwechsel nur bei Spalatin erhalten, der Luthers Briefe (420) wie einen Schatz hütete und die Nachwelt auch.
Spalatins Briefe sind in der Überzahl verloren, nur 16 sind aus der Korrespondenz zwischen 1514 und 1525 erhalten, so daß die Aussagen Spalatins eher in den Antworten Luthers erschlossen werden. Auf jeden Fall sind diese Jahre gut dokumeniert, was sich ab 1525 ändert, weshalb wir schon hier auf den unten stehenden Band aus dem Sax Verlag verweisen, der Spalatins Wirken in Altenburg dezidierter, vor allem herrlich an 43 Quellen selbst nachweist.
Im Katalog führen alle Tätigkeiten Spalatins, der als Prinzenerzieher anfängt, zu gesonderten Katalogbeiträgen. Für Kunstinteressierte ist besonders interessant: VON LUCAS CRANACH GEMALT – SPALATIN IM PORTRÄT von Nadine Willing-Stritzke ab Seite 178. Ein sehr überzeugender Beitrag. Das gilt auch für DIE SPALATIN-KORRESPONDENZ von Christine Weide, die Aufschluß gibt, warum wir uns mit Spalatin befassen sollten, was seine historiographische Tätigkeit miteinschließt, die Christina Meckelnborg ausführt. Auch die Stadt Altenburg und ihre sehr verwickelte Geschichte kommt im Teil III. ausführlich zu Wort und Bild. Ab Seite 283 folgt der Katalogteil, der grob gesagt, der Struktur der Ausstellung, dem Ausstellungsrundgang folgt.
und
Björn Schmalz, Georg Spalatin und sein Wirken in Altenburg (1525-1545), Sax Verlag 2009
INFO :
Zeitraum der Ausstellung: 18. Mai bis 2. November 2014 im Residenzschloß Altenburg
Weitere Ausstellung in der Stadtkirche St. Bartholomäi „Freiheit und Glauben“, die als Dauerausstellung konzipiert ist
Ein multimedialer Spalatinpfad führt durch Altenburg, was sich keiner entgehen lassen sollte.
Zeitraum des Ausstellungsthemas : ausgehendes 15. bis Mitte 16. Jahrhundert
Das gesamte Rahmenprogramm unter www.spalatin-2014.de/ERLEBEN