Serie:„Georg Spalatin – Steuermann der Reformation“ im Residenzschloß Altenburg, Teil 5

 

Christine Büring

 

Altenburg/Thüringen/Sachsen (Weltexpresso) - Die Stadtkirche St. Bartholomäi, in der Georg Spalatin 1525 Pfarrer wurde, ist ein steinerner Zeitzeuge der Geschichte der Reformation. Luther predigte und betete hier viele Male. Er sandte 1521 den Bilderstürmer Gabriel Zwilling als charismatischen Prediger hierher, in die Stadtkirche der Residenz der Wettiner.

 

Er verheiratete hier 1522 seinen Priesterkollegen Wenzeslaus Linck in einer der ersten Priester-Ehen überhaupt. Vor allem aber war Luther Georg Spalatin eng verbunden, der von 1525 bis zu seinem Tod 1545 in dieser Kirche arbeitete.

 

So ist es auch die Kirche, die als wichtigstes Ausstellungsobjekt die neue Dauerausstellung in ihrer Konzeption maßgeblich bestimmt. Als Bürgerkirche hat St. Bartholomäi die längste Tradition unter den Altenburger Kirchen. Sie ist seit ihrer Gründung als Kapelle am Markt an der Via Imperii die Stadtkirche der Altenburger. Sie wurde romanisch, gotisch und barock gebaut und umgebaut, 1878 nochmals umfassend restauriert und neu ausgestattet. Doch als eine von drei Stadtkirchen entspricht St. Bartholomäi heute am wenigsten den modernen Anforderungen der schrumpfenden Kirchgemeinde. Spätestens seit 2012, als sie zum Europäischen Kulturdenkmal geworden ist, bestand die reale Gefahr, dass sie zum bloßen Denkmal werden würde - eine weitere authentische Attraktion des Reformations-Marketings. Vielleicht wäre sie über kurz oder lang erloschen.

 

Die Gruppe der Ausstellungsmacher um Pfarrer Reinhard Kwaschik und Koordinatorin/Kuratorin Christine Büring wollen mit ihrem Konzept die Kirche als Ort Gottes erhalten und gleichzeitig mit der neuen Dauerausstellung St. Bartholomäi zu einem lebendigen Ort des Austauschs, der Diskussionen, des Lernens und Innehaltens machen.

 

Sie überzeugten die Kirchgemeinde von ihrer Vision. Im Themenjahr „Reformation und Politik“ stellt die Doppelausstellung im Residenzschloss, dem Ort der Macht und der Stadtkirche als Ort der Reformation eine gewollte Spannung her, die sich auch in den Schirmherrinnen Christine Lieberknecht als „weltliche Landesherrin“ und Ilse Junkermann als „kirchliche Landesherrin“ widerspiegelt. Die Kosten von insgesamt 175.000 Euro werden von Kirchgemeinde, Kirchenkreis, Evangelischer Kirche Mitteldeutschland und dem Freistaat Thüringen, sowie privaten Sponsoren aufgebracht.

 

Für Kuratoren war in der Kalkulation kein Geld mehr zu finden, so daß eine ehrenamtliche Gruppe von Fachleuten in vielen Gesprächen, Mails und Zuarbeiten die Inhalte erarbeiteten. Künstler wie Johannes Heisig und Hartmut Ebersbach stellen ihre Bilder ebenso kostenlos zur digitalen Verfügung wie das renommierte Lindenau-Museum Digitalisate seiner Meisterwerke früher italienischer Tafelmalerei. Der Musikverleger Klaus-Jürgen Kamprad, der Denkmalschützer Jürgen Fröhlich, die Theologin Dr. Christiane Schulz, der Informatiker Frithjof Tostlebe, der katholische Pfarrer Dr. Andreas Martin, die evangelischen Pfarrer Wohlfahrt, Giessler, Demut und Wiegand, die Leiterinnen des Staatsarchivs Doris Schilling und des Stadtarchiv Ursula Schreiber, aber auch die Lehrer und Schüler des Christlichen Spalatin-Gymnasiums. Sie alle tragen ihr Wissen, ihre Arbeit und ihr Engagement ehrenamtlich in das Projekt und schufen in nur neun Monaten „ihre“ Ausstellung.

Mit dem vorhanden finanziellen und zeitlichen Budget wird damit ein Grundgerüst gefertigt, das im Laufe der kommenden Jahre verdichtet und thematisch immer wieder neu fokussiert werden kann. Dem Grundsatz der Reformation „ecclesia reformata semper reformanda“ soll mit Schulprojekten, Konfirmandenprojekten, Vorträgen, Führungen, neuen technischen Lösungen, wissenschaftlichen und künstlerischen Kooperationen Rechnung getragen werden. Das Ziel der Ausstellungsmacher ist „work in progress“ zu vielen Themen unter der gewählten Überschrift ab 2015: Georg Spalatin: Freiheit und Glauben.

 

Denn: „ Unsere Ideen wirken bis in eure Zeit hinein“, sagt Spalatin gleich zur Begrüßung.

 

 

Beschreibung der Ausstellung:

 

Der Besucher trifft direkt auf den Helden der Ausstellung, Georg Spalatin. Er erzählt und kommentiert aus seiner persönlichen Sicht und bietet sich als Reisebegleiter in seine Zeit an.

 

In den beiden Seitenschiffen und teilweise im Mittelschiff wurden die eng gestellten Kirchenbänke entfernt und Platz geschaffen, denn Bänke kannte die Zeit der Reformation nicht. Jedoch die Altäre der Heiligen. So ist es kein Wunder, dass der Leipziger Gestalter Detlef Lieffertz, der auch die Gestaltung der Sonderausstellung im Residenzschloss übernommen hat, sich an die Gestalt der Altäre von einst für die einzelnen Ausstellungselemente angelehnt hat.

 

Das rechte Seitenschiff gibt Raum für einen Überblick über die Geschichte der Reformation: die größer werdende Welt und das in sich zerstrittene Sachsen der Wettiner in ihren parallelen Entwicklungen von Politik und Glauben; Altenburg mit seiner Bartholomäikirche, die sich während der Reformation vollkommen neu organisieren müssen. Und schließlich Georg Spalatin selbst mit seinen Lebensstationen, einem fiktiven Arbeitszimmer mit Büchern - die auch seine hätten sein können - zum Anfassen und Durchblättern. Wir finden die Kirchenordnung, Liederbuch, Bibeln, die Werke der Humanisten..…

 

Im Bereich des Altarraumes, den man auch als Laie betreten kann und soll, und im hinteren Mittelschiff, werden Kirche, Kirchenbegriffe, Kirchenmusik und Kirchenrituale erklärt. Vieles vereint, nur weniges trennt die beiden Konfessionen. Das wissen die beiden fachlichen „Zuarbeiter“, der katholische und der evangelische Stadtpfarrer.

Im linken Kirchenschiff werden die wirklichen Fragen der Reformation gestellt. Sola gratia -nur die Gnade Gottes, sola fide - nur der Glauben, sola scriptura - nur die Schrift und solus Christus - nur durch Christus. Das sind die vier „Soli“, die die Grundlage des Gedankengebäudes der evangelischen Kirche ausmachen. Diese Ideen der Reformation schlagen eine Brücke über die Jahrhunderte bis in unsere Zeit. Sie ermöglichen es, über Freiheit und Verantwortung, Vertrauen und Gewissen, Wort und Geist, Mensch und Gott nachzudenken. Schwierige Kost, die man lesen muss, das ist den Ausstellungsmachern klar. So ist die gewählte Sprache eine einfache, moderne, nicht wissenschaftliche, die verständlich machen will und immer wieder Fragen aufwirft.

 

Wer keine Lust auf Religion und Geschichte hat, kann an den Audio-Stationen Musik hören oder sich mit über 1000 Jahren Baugeschichte, die auch Architekturgeschichte ist, beschäftigen. Von der Krypta über die Orgel bis zum Turm mit Türmerstübchen mit einer wunderbaren Aussicht sind mit offenen Augen immer neue Details zu entdecken.

Beiprogramm

 

Gemeinsam mit allen Partnern wurde ein vielfältiges Beiprogramm zusammengestellt, das Teilaspekte und Fragestellungen der Dauerausstellung näher betrachten will.

Jeden Donnerstag: Spalatins Stunde mit Vorträgen, Kirchenkino und Führungen. Immer mit Gelegenheit zu Diskussion und Gespräch. Kostenlos von 16.30 Uhr bis 18 Uhr

An Wochenenden: Fünf Pilgertermine auf den Lutherwegen, meist gegen 9 Uhr

An drei Samstagen: „Kunst und Glauben“ –Bildbetrachtungen im Lindenau-Museum mit einem Theologen und einer Museumspädagogin. 15 Uhr

 

An fünf Dienstagen: Vorträge des Wissenschaftlichen Beirats zur Sonderausstellung: 18 Uhr

 

Gruppen werden zu verschiedenen Themen auf Anmeldung geführt. Führungen in Englisch, Französisch, Polnisch und Spanisch sind möglich.

 

Schulen können sich für ihre Projekte und Führungen thematisch beraten lassen.

Wissenschaftler, die Arbeitsthemen suchen sind jederzeit willkommen. Es ist so viel zu tun!

Dazu beteiligt sich die Kirche an der Museumsnacht, am Musikfestival, am Tag des offenen Denkmals und an den Feierlichkeiten zum Gedenken an die Demonstrationen 1989.

 

Lutherwege

 

Die Brüderkirche am Hauptmarkt ist das Pilgerzentrum für die Lutherwege, die sich in Altenburg aus den drei mitteldeutschen Bundesländern begegnen.

Von Norden führte der Jakobsweg entlang der Via Imperii von der Ostsee bis nach Italien. Heute ist die Strecke von Leipzig über Altenburg nach Zwickau und Hof wieder durchgängig beschildert begehbar.

Eine gemütliche Drei-Tagestour mit idyllischen Geheimtipps im Dreiländereck ist die Route von Altenburg zur Burg Gnandstein, nach Borna und wieder nach Altenburg.

Nach Thüringen führt der Lutherweg streckengleich mit dem Thüringenweg von der Pleiße ins malerische Sprottetal.

 

Zeitz war die Bischofsstadt für das mittelalterliche Altenburg. Der ursprüngliche Peter- und Paul-Weg, der auch die alte Salzstraße war, ist nicht mehr nachzuwandern. Dafür aber eine neue Streckenführung mit den außergewöhnlichen Dorfkirchen in Tegkwitz, Dobraschütz und Kayna bis zur Moritzburg in Zeitz.

 

In der Stadt Altenburg selbst verbindet ein Rundweg „Auf Spalatins Arbeitswegen“ nicht nur die Lutherwege, die in ihn einmünden, sondern auch die wichtigsten Orte der Reformation mit St. Bartholomäi. An fünf Denkmälern finden sich Informationspunkte, die audio-visuell animiert die Geschichten des Ortes und seiner Bewohner erzählen: Das Residenzschloss der Wettiner Fürsten, das gewaltige Augustiner-Chorherrenstift, das Kaiser Friedrich-Barbarossa erbauen ließ, das prächtige Renaissance-Rathaus des evangelischen Baumeisters Nikolaus Grohmann am Markt und die moderne Brüderkirche, die das Franziskanerkloster seit 1905 ersetzt, heute ein Ort der Demokratie, 1989 ein Ort des friedlichen Protestes.

 

 

Katalog:

 

Georg Spalatin, Steuermann der Reformation, hrsg. von Armin Kohnle, Christina Meckelnborg und Uwe Schirmer und Stadt Altenburg, Mitteldeutscher Verlag 2014

 

Der in vier Abteilungen unterteilte Katalog bringt in seinem ersten Teil Spalatins Lebensdaten und seine beruflichen Anfänge als Prinzenerzieher und Sekretär Friedrich des Weisen. Seine Tätigkeiten im Dienste der Kurfürsten Johann und Johann Friedrich folgen, wobei aber Armin Kohnles Essay über „Spalatin und Luther (45 ff) uns am meisten interessiert. Überschrieben ist er: „Eine Männerfreundschaft“ und man muß sich die Lebensdaten genau anschauen, denn auf den Bildern schaut Luther älter und mächtiger aus, aber der beiden Lebensdaten liegen nah beieinander: Luther wird ein Jahr früher geboren und stirbt ein Jahr später. Kohnle zitiert: „Luthers vertrautester Freund“ und „Freundschaftsbund seltener Art“, aber wie oft bei bedeutenden Männern ist der reichhaltige Briefwechsel nur bei Spalatin erhalten, der Luthers Briefe (420) wie einen Schatz hütete und die Nachwelt auch.

 

Spalatins Briefe sind in der Überzahl verloren, nur 16 sind aus der Korrespondenz zwischen 1514 und 1525 erhalten, so daß die Aussagen Spalatins eher in den Antworten Luthers erschlossen werden. Auf jeden Fall sind diese Jahre gut dokumeniert, was sich ab 1525 ändert, weshalb wir schon hier auf den unten stehenden Band aus dem Sax Verlag verweisen, der Spalatins Wirken in Altenburg dezidierter, vor allem herrlich an 43 Quellen selbst nachweist.

 

Im Katalog führen alle Tätigkeiten Spalatins, der als Prinzenerzieher anfängt, zu gesonderten Katalogbeiträgen. Für Kunstinteressierte ist besonders interessant: VON LUCAS CRANACH GEMALT – SPALATIN IM PORTRÄT von Nadine Willing-Stritzke ab Seite 178. Ein sehr überzeugender Beitrag. Das gilt auch für DIE SPALATIN-KORRESPONDENZ von Christine Weide, die Aufschluß gibt, warum wir uns mit Spalatin befassen sollten, was seine historiographische Tätigkeit miteinschließt, die Christina Meckelnborg ausführt. Auch die Stadt Altenburg und ihre sehr verwickelte Geschichte kommt im Teil III. ausführlich zu Wort und Bild. Ab Seite 283 folgt der Katalogteil, der grob gesagt, der Struktur der Ausstellung, dem Ausstellungsrundgang folgt.

 

und

 

Björn Schmalz, Georg Spalatin und sein Wirken in Altenburg (1525-1545), Sax Verlag 2009

 

 

 

INFO :

 

Zeitraum der Ausstellung: 18. Mai bis 2. November 2014 im Residenzschloß Altenburg

 

Weitere Ausstellung in der Stadtkirche St. Bartholomäi „Freiheit und Glauben“, die als Dauerausstellung konzipiert ist

 

Ein multimedialer Spalatinpfad führt durch Altenburg, was sich keiner entgehen lassen sollte.

 

Zeitraum des Ausstellungsthemas : ausgehendes 15. bis Mitte 16. Jahrhundert

 

Das gesamte Rahmenprogramm unter www.spalatin-2014.de/ERLEBEN