„Max Liebermann. Wegbereiter der Moderne“ in der Hamburger Kunsthalle
Claudia Schulmerich
Hamburg (Weltexpresso) – Diese Ausstellung war schon in der Bundeskunsthalle Bonn, ach, sie heißt offiziell Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, zu sehen und wurde von Robert Fleck , dem dortigen Impresario, den man Intendanten nennt, hauptsächlich erarbeitet, hat aber in Hamburg unter Direktor Hubertus Gaßner einen eigenen Geschmack, ganz abgesehen davon, daß man Max Liebermann gar nicht oft genug ausstellen kann, denn er gehört zu den Großen, dem der Nationalsozialismus dann seine übergangslose Anerkennung in die Moderne zerstörte, was diese Ausstellung auch zeigt.
Es gehört zu den Gemeinheiten des internationalen Kunstbetriebes, daß diese Deutschen vor und nach der Jahrhundertwende 1900 ignoriert wurden, was die Gegenwart mühsam aufarbeitet. Fragen Sie einmal einen durchaus Gebildeten in England nach dem Dreigestirn Liebermann, Slevogt und Corinth. Fehlanzeige bis heute. So langsam wird der Name Beckmann ein Begriff und Joseph Beuys, Anselm Kiefer und Gerhard Richter sind bekannter als C.D. Friedrich beispielsweise. Nein, den Deutschen traute man die Kunst nicht zu, sie waren die Meister der Technik und der Kriegsführung.
Warum dann aber das Dreigestirn, deutsche Impressionisten genannt, auch in Deutschland nicht den Ruhm einheimsten, der ihnen kunsthistorisch gebührt, hat dann wiederum mit der Einschätzung zeitgenössischer Ästhetik zu tun, die nach 1945 – nach dem kulturellen Kahlschlag durch die Nationalsozialisten – amerikaorientiert auch in der Bundesrepublik griff: abstrakte Kunst. Nur die war angesagt, wurde gekauft, den gegenständlich Malenden war der Boden entzogen. Natürlich waren da die Genannten schon alle tot, aber das führte eben dazu, daß ihnen der Nachruhm lange verwehrt war – selbst in Deutschland.
Das nun wiederum hat sich längst gewandelt und im In- und Ausland werden deutsche Maler des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts als Könner eingeschätzt. Max Liebermann hat – und das zeigt die Ausstellung in Hamburg auf einen Blick – die Traditionen wie Historienbild, wie Porträt, wie Landschaft u.a. aufgenommen, aber sowohl in ihren Inhalten wie auch der Malweise zeitbezogen abgewandelt, so daß das Vorwort zum Katalog mit Recht von einer „eigenständigen Synthese“ spricht, „die vielen Malern seiner Generation den Weg zwischen der akademischen Tradition einerseits und der Avantgarde der französischen Realisten und Impressionisten andererseits wies“.
Warum man Liebermann heute als „Modernen“ bezeichnen kann, hat mit Stil und Inhalt zu tun. Fangen wir bei den Darstellungen der arbeitenden Bevölkerung an. Max Liebermann war ein Malerfürst mit fürstlichem Atelier in Berlin, aber er malte den „Papageienmann“ auf der Straße genauso wie „Die Weber“, wie „Die Korbflechter“, die „Flachsspinnerinnen“, die Arbeiterinnen auf dem Rübenfeld oder die Kartoffelsammlerin, vor allem aber die holländischen Waisenmädchen beim Sticken, Nähen und sich Verlustieren. Es ist eine Freude, in Hamburg, diese Bilder, die verstreut über die Museen sind, zusammenzusehen.
Er malt Bilder, die im Historismus und der Salonmalerei keinen Platz hatten, wie Geschwister, Witwer und seine Mutter- und-Kind-Darstellung von 1877 hat weniger von einer christlichen Pietà denn einer sozialen Studie. Und dennoch, ob all des interessanten und auch verblüffend reichhaltigen Oeuvres wie die eleganten Reiter- und bewegten Jokeybilder, haben es uns seit jeher seine Porträts angetan. Sie füllen auch das Zentrum der Hamburger Ausstellung. Fangen wir mit den Selbstporträts an. Sein letztes von 1934 zeigt ihn schon müde, noch hält er sich aufrecht, zum Malerkittel und der angedeuteten Staffelei mitsamt Palette und Pinsel trägt er den Hut und unter dem Kittel comme il fault den Anzug mit Krawatte Zwei Jahre zuvor hatte er sein Präsidentenamt der preußischen Akademie der Künste aufgegeben, 1933 nach den Nationalsozialisten und ihrem Ermächtigungsgesetz sofort im Mai die Ehrenpräsidentschaft .der Akademie und alle sonstigen Ämter niedergelegt. Daß der 1847 Geborene 1935 stirbt, erspart ihm weitere Demütigungen durch die Nazis, seiner jüdischen Frau allerdings nicht, die sich 1943 durch Selbstmord vor der Deportation „rettet“.
1932 hat er noch den Chirurgen Ferdinand Sauerbruch gemalt, ein stilles Bild von tiefer Kraft und Nachdenklichkeit und wie er jedes Gesicht und jede Persönlichkeit auch in einem eigenen Stil und Ambiente malt, zeigen als Gegensätze das Porträt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg 1927, den Dichter Gerhart Hauptmann (1912), den Architekten Peter Behrens (1913), Museumsdirektor Wilhelm Bode (1904), Kollegen Lovis Corinth (1899) und Max Slevogt, sind so präzise und unterschiedlich, daß man sich in die Persönlichkeiten nur über ihre Abbildung vertiefen möchte. Uns aber ziehen die verschiedenen Säle weiter, von denen derjenige, der seinen Malerkollegen gewidmet ist, eine wirkliche Überraschung bereithält.
Bis 19. Febrruar 2012
Katalog: Max Liebermann. Wegbereiter der Moderne, hrsg. von Robert Fleck, DuMont Verlag 2011. Das ist rundherum ein geglückter Katalog, der einen nicht nur als Begleitband zur Ausstellung zufriedenstellt, sondern darüber hinaus durch die Dokumentation seines Lebens eine monographische Ausarbeitung leistet.
Info:
Mit freundlicher Unterstützung des Maritim Hotel Reichshof in Hamburg, ideal gelegen gegenüber dem Hauptbahnhof und der Hamburger Kunsthalle, nahe dem Bucerius Kunst Forum und den anderen Museen. Für uns hat dies Hotel den Charme des Unterwegseins von ehedem, mit großzügigem Zuschnitt des Hauses und ebensolchen Zimmern und Bädern mit hohen Decken. Zudem bieten ein Schwimmbad und Saunen den seelisch-körperlichen Komfort, der ausstellungsgestreßten Menschen äußerst wohltut. Daß dann noch ein Businesscenter für kostenlosen Internetzugang sorgt und dafür, daß man in Ruhe seine Artikel redigieren und in die Zeitung einsetzen kann, ist dann noch das I-Tüpfelchen.
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