Serie: „meisterhaft“ ist der „Schädelkult“ im rem Mannheim, Teil 1/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main( Weltexpresso) – „Glück gehabt", dachte sich die Verfasserin, "Gück gehabt, liebes rem", wie sich die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim nennen,, als sie nun nach wochenlangem Suchen ihrer Mitschriften der beiden laufenden Ausstellungen diese als verloren aufgab. „Pech gehabt, liebe Journalistin“, dachte sich die Verfasserin darob, aber auch „Glück gehabt", die Ausstellung „Schädelkult“ in Mannheim gesehen haben zu dürfen.
Im Ernst. Das rem hat Glück, weil wir uns sehr geärgert hatten, daß diese seit Mai und nun noch bis zum 8.1. 2012 laufende Ausstellung „meisterhaft - von Cranach d.Ä. bis Kobell“ eben als meisterhaft benannt wurde, wir aber unsere zündenden Ausdrucksweisen angesichts der durchaus durchschnittlichen Malerei vom 15. bis zum 19. Jahrhundert aus den Beständen der Museen und all die frivol-frechen Sottisen, die uns einfielen, einfach nicht mehr schriftlich verfügbar haben. Und man braucht zum richtigen Schimpfen schon den Hauch des ursprünglichen Ärgers. Wie sie angekündigt wird: als „meisterhaft“, das nämlich zeigt diese Ausstellung in ihren Bildern genau nicht.
Meisterhaft dagegen ist diese wunderliche und notwendigerweise eigentlich über Tage anzuschauende Schädelausstellung, die offiziell „Schädelkult. Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen heißt“ und die so faszinierend aus all den Bezugswissenschaften gespeist uns als Kopfmensch mit den Schädeln den Garaus macht. Da braucht man schon Humor einerseits und Wissenschaftsglauben andererseits, wenn man die vielen Säle mit die ganze Welt umfassenden Schädelresten, totenkopfähnlichen Schmuckstücken, getrockneten, geritzten, gespaltenen, zusammengefügten, mumifizierten und sonstigen Schädeln mit hoffentlich gutem Schuhwerk – standfest muß man sein – durchstreift.
Aber erst die Malereiausstellung, von der es heißt, daß die Hälfte der rund 130 Gemälde aus der zum ersten Mal öffentlich gezeigten Sammlung des Hauses restauriert worden sind. Vielleicht kommt daher auch der Eindruck in der Ausstellung, daß etwas fehle: die Aura nämlich von ehrwürdig alter Kunst. Gelackt kamen uns viele Bilder vor und aus dem Bereich, der „gepflegte Langeweile“ dazu. Mit einem Wort, was die ‚echten‘ Cranachs angeht und Sonstiges. Uns geht es weder um ‚echt‘, noch um Namen, aber um Kunst, die man gerne anschaut.
Genug der Kritik, zumal wir wissen, daß Kurator Hans-Jürgen Buderer einer ist, den wir schätzen. Außerdem, wenn das Wörtchen ‚meisterhaft‘ nicht so daneben wäre, gibt es hier auch viel Positives zu vermelden. Uns freut schon, wie David II. Teniers (1610-1690) vertreten ist, ein hochintellektueller Künstler, der wie heute ein Fotograf seine Zeit ‚ablichtete‘. Dann gibt Cranach, wollen wir lieber Cranach Schule sagen, was schon viel ist, auch Rubens und vor allem viele Maler des 18. Jahrhunderts, wie Johann Heinrich Tischbein d.Ä. und die Kobells, Vater Ferdinand (1740-1799) und Sohn Wilhelm von (1766-1853).
Man sieht auf einen Blick in der Ausstellung, daß die Sammlung von rund 600 Gemälden, von denen 130 hier ausgestellt sind, den Schwerpunkt in der niederländischen und flämischen Malerei des 17./18. Jahrhunderts hat, eben das, was dem Markgrafen Karl Friedrich von Baden gefallen hat, auf den die Sammlung zurückgeht. Die fünf Themenblöcke lassen zudem das systematische Erleben der ausgestellten Werke sinnvoll zu, da man sich inhaltlich ‚festhalten‘ kann an der Thematik und an dieser die künstlerische Umsetzung besser studieren kann, als wenn ein Bild nach dem anderen ohne Zusammenhang geboten wäre.
Da geht es dann um „Dienst des Glaubens“, nämlich Bilder von Künstlern, die mit ihren Bildern eine Versenkung der Gläubigen in eine Andacht erleichtern wollten, beispielsweise mit Mariendarstellungen, aber auch das Lernen der biblischen Geschichte fördern konnten, da es allezeit beliebt war, vor allem das Alte Testament zu illustrieren. „Vergänglichkeit und irdisches Leid“ ist ein weiterer Schwerpunkt, in dem sowohl Vanitasdarstellungen in Blumenstilleben wie auch Kriegsbilder gezeigt werden. Mit „Alltag, Fest und Muße“ gibt es eine große Anzahl von Genrebildern und „Stand und Repräsentation“ berücksichtigt das Porträt in seinen verschiedenen Funktionen und schließlich soll „Landschaft“ das Bild als Idylle und Allegorie verkörpern.
meisterhaft, bis 8.1.2012
Schädelkult, bis 29.4.2012
Katalog: meisterhaft, von Cranach d.Ä. bis Kobell, hrsg. Von Alfried Wieczorek und Hans-Jürgen Buderer, Verlag Schnell+Steiner 2011. Solide Aufarbeitung der Ausstellung mit ausführlichen Begleittexten und hervorragender Druckqualität der Bilder.
Katalog: Schädelkult. Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen, hrsg. von Alfried Wieczorek und Wilfried Rosendahl, Verlag Schnell+Steiner 2011. So hervorragend und qualitätvoll wie die ganze Ausstellung..
www.rem-mannheim.de