IMG 3187 Kopie60. Biennale in Venedig (8) 

Hanswerner Kruse / Hannah Wölfel 

Venedig (Weltexpresso) - Heute wollen wir endlich die Biennaleschau „Fremde überall“, mit mehr als 300 meist im Westen unbekannten Künstlerinnen und Künstlern besprechen. Ihre vom brasilianischen Kurator Adriano Pedrosa ausgewählten Arbeiten, befinden sich in den ersten Hallen der Arsenale sowie in der zentralen Ausstellungshalle in den Giardini.


Beginnen wir heute mit der gigantischen alten Werft. 

Am Anfang der Ausstellung „Fremde überall“ steht der „Refugee Astronaut“, eine lebensgroße, in afrikanisches Tuch gewickelte Raumfahrer-Figur (Foto). Sie trägt ein Netz mit lebenswichtigen Dingen auf dem Rücken und macht sich auf den Fluchtweg ins All. So verbindet sie quasi Science-Fiction-artige Themen mit ökologischer und politischer Mahnung.

Die folgende Eingangshalle wurde vor zwei Jahren mit der riesigen Skulptur der Afro-Amerikanerin Simone Leight ausgestattet, für die sie einen Goldenen Löwen erhielt. In diesem Jahr beginnt die zentrale Ausstellung durch eine Lichtinstallation neuseeländischer Maori-Künstlerinnen. Sie beziehen sich damit auf die „Takapau“ (Foto), eine gewebte Matte, die bei zeremoniellen Ereignissen genutzt wird und setzen sie als Lichtinstallation um.



Den mit der Matte symbolisierte Moment der Geburt, der Übergang vom Dunkeln zum Licht, nutzen die Künstlerinnen auf aktuelle Weise um die Besucher von der Alltagsrealität in die Welt der Kunst zu entführen. In der nächsten Halle hängt die interessante, riesige Wandbespannung eines zeitgenössischen mexikanischen Künstlers, der mit Ölmalereien und traditionellen Stickereien „Rage is a machine in times of senselessness“ (Titel) ausdrücken will, also die Wut als Triebkraft in den Zeiten der Sinnlosigkeit. Versehen ist sein Werk mit kleinen obszönen Stickereien.




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Doch danach begegnen uns ständig kindhaft-naive Bilder von Familienereignissen oder Festen in Dörfern, Kunsthandwerk keramischer, eiserner oder textile Provenienz und naseweise Videoinstallationen mit belehrenden postkolonialen Statements. Meist hängen die Arbeiten, überwiegend Bilder mit traditioneller oder ornamentaler Gestaltung wie im Museum aneinandergereiht an den Wänden. Aber dazwischen gibt es auch schwulen Kitsch, etwa sich küssende Männer aus kleinen Mosaikstückchen. Interessant sind aber die Batikarbeiten als Malerei oder grellfarbige traditionelle Scherenschnitte mit pornografischen Motiven (Foto).




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Die zentrale Ausstellung in den Arsenalen endet erneut mit einer absolut zeitgenössischen Licht- und Klanginstallation (Foto), riesige Objekten  in den Fenstern (unten) oder einer bewegten weiblichen Figur im LED-Kleid aus Stoff und Plastik.


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Der erste Rundgang durch „Fremde überall“ ruft widersprüchliche Gefühle hervor. Die Schau ist vielfältig, nicht durchgängig nur gut gemeint oder naiv-folkloristisch. Es gibt etliche interessante Installationen und Objekte, die sich mit den alten Fabriksälen verbinden. Denn viele der im Halbdunkel liegenden Installationen oder Gesamtkunstwerke schmiegen sich in den Arsenalen an die verrotteten Wände, vergitterten Fenster und maschinellen Überbleibsel der einstigen Werft. Die Kunstwerke verschmelzen mit den Spuren der Geschichte des Bauwerks, das verstärkt hier - gemeinsam mit dem Spiel von Licht und Schatten - den besonderen Charakter einzelner Kunstwerke in der zentralen Ausstellung und vieler, bereits besprochener Länderbeiträge. 

Wird fortgesetzt
Bisherige Texte zur 60. Biennale im Weltexpresso


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© Hanswerner Kruse

Beispiele für folkloristisch-naive Arbeiten in einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst...

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