Ausstellung Body & Soul von Andreu Ginestet vom 23. August bis 17. Oktober 2024 im Leipziger Hauptbahnhof!, Teil 3
Susanne Tenzler
Leipzig (Weltexpresso) - Ihre Arbeiten werden in Leipzig auf wirklich ungewöhnliche Weise ausgestellt: in einem historischen Wartesaal im Leipziger Hauptbahnhof. Welche Herausforderungen gab es bei der Umsetzung der Ausstellung? Und wie kam es überhaupt zu dieser Ausstellung?
Herausforderungen gab es viele. Die Größe der Werke, das Verhältnis von Werk und Fläche, die begrenzte Höhe der Ausstellungswände (zum Beispiel konnte ich die drei Meter hohen Bilder nicht mitbringen), die Lichtquellen und wie die Ausstellung so gestaltet wird, dass alle kunstwerke ausreichendes Licht haben.
Unter anderem war es wichtig die Versicherungskosten zu berücksichtigen. Ich durfte keine Original Gemälde mitbringen und musste digitale Abwandlungen produzieren, was extrem viel Arbeit kostet und ebenso hohe Investitionen nach sich zieht. Die Planungszeit war lang. Ich habe ganze drei Monate nur geplant. Und trotzdem war mir klar, dass ich die letzte Auswahl der Werke nur am Ort selbst entscheiden konnte. Die Produktionszeit der neuen Kunstwerke und der Transportkisten und der Rahmen für das 10 Meter lange Bild nahmen nochmals drei Monate in Anspruch.
Dann war ebenso aufwendig der Transport der Kunst, die Auswahl der Werke vor Ort, die Reduktion der Massen. Ich hatte z.B. 60 Bronzen dabei und nur 9 wurden ausgewählt. Der gesamte Aufbau bedurfte ganze vier Tage. Es ist eine logistische Meisterleistung, eine solche Ausstellung selbst zu organisieren und aufzubauen.
Ungewöhnlich ist sicher nicht nur der Ausstellungsraum, sondern auch die Art und Weise der Besucher:innen. Viele Betrachter:innen sind auf der Reise, oft in Gedanken hier und dort, in einer Art Zwischenwelt. Sie sind bewusst sehr häufig in der Ausstellung anzutreffen. Was sind ihre Beobachtungen: Wie reagieren die Menschen auf Ihre Werke? Wie kommen Sie ins Gespräch? Können sie sich auf die Kunst einlassen?
Viele Menschen schauen nur kurz rein, sehen es, und sind schnell wieder raus. Mein Werk spricht nicht jeden an. Aber ebenso viele Menschen freuen sich sehr über die Werke und verbringen lange zeit in der Ausstellung und betrachten die Bilder einzeln und im Detail. Gerade Familienväter mit Kindern sind für mich überraschend interessante Besucher. Ich beobachte, dass die Kinder alle die Bilder sehr erstaunt ansehen und die Eltern den Kindern folgen.
Und ich stelle fest, dass meine Anwesenheit in der Ausstellung eher stört. Die Besucher wollen gerne mit sich selbst allein sein. Sie fühlen sich wohl. Künstler können einem den Spaß verderben. Ich will den Künstler gerne mal sprechen, weil ich vielleicht Fragen habe. Aber ich möchte ebenso gerne auch ganz allein in der Ausstellung sein und in Ruhe das eine oder andere Bild genießen.
Also sitze ich ab und zu in der Ausstellung und führe Teils sehr kontroverse Gespräche und ab und zu sitze ich oben in meinem Atelier und male, und kümmere mich nicht, oder ich sitze im Kaffee und schaue den Leuten zu.
Wenn sich Besucher:innen wohl fühlen, ist es eine Wonne dem zuzuschauen. Ich freue mich mit den Menschen mit, die sich am Anblick der Kunst freuen und verstehen oder begreifen, was das Werk beabsichtigt. Gerade Kinder, Eltern, Väter sind sehr dankbare Besucher.
Aber wie gesagt, einige Besucher:innen sehen auch das, was sie nicht sehen wollen, und dann sieht man es denen ebenso an. Viele Menschen sind so sehr von den sozialen Medien beeinflusst, dass ihr Selbstwertgefühl am Tropf hängt. Sie glauben vielleicht dass die Frauen in meinen Bildern die schönsten Frauen der Welt sein müssen, werden neidisch oder fühlen sich in ihrer Eitelkeit verletzt. Sie schauen auch nicht genau hin, sondern suchen nach der Bestätigung ihrer vorgefassten Urteile.
Die Frauen in meinen Bildern sind völlig normale Frauen. Es sind niemals Top-Models. Die Schönheit meiner Bilder kommt nicht von der Realität, sondern von dem liebevollen Umgang mit der Realität. Die Bilder sind schön, weil sie mit Liebe gemacht wurden. Aber das versteht nicht jeder Mensch.
Ich vermute, dass meine Bilder die ganze Welt der Bilder in sozialen Medien völlig infrage stellt. Ich glaube, dass mein Werk bei einigen Menschen so etwas wie ein Unbehagen auslösen kann, weil es für sie ein Eintauchen in eine fremde Welt ist. Viele werden die Bilder auch nicht verstehen. Sie werden es als etwas Fremdes ansehen. Ich verwende ja bewusst die Stilmittel der Renaissance mit modernster Technik. Das muss bei gewissen Menschen gewisse Gefühle wecken.
Wovon träumen Sie / was wünschen Sie sich – sowohl als Künstler – als auch als Friedensdiplomat?
Diese Liste werde ich nie zu Ende schreiben. Die Liste meiner Wünsche ist sehr lang. Und deswegen haben mich Freunde in Deutschland schon früh Gierlappen genannt.
Aber ich kann ja mal etwas präziser werden.
Meine Wünsche sind zum Teil veröffentlicht. In dem YouTube Kanal Pareto For Peace habe ich eine Liste ausgesprochen die 3,5 Stunden lang ist. Ich bin in dem Film klar, anspruchsvoll und auch detailliert. Das was ich dort veröffentlicht habe ist sehr real. Aber ich glaube ich kann es noch einfacher und auf den Punkt bringen wenn ich den Film zusammenfasse:
Ich wünsche mir, an erster Stelle, dass es nie wieder eine Dominanz von Gier, Gewalt und Trauma gibt.
Ich wünsche ganz einfach, dass es neue Grundregeln und Konventionen gibt, die dem Menschen die Möglichkeit schenken, neuen Prioritäten zu folgen, die es erlauben Trauma, Gier und Gewalt unter 20% zu halten. Das bedeutet, dass an einem D-day alle Waffen verboten werden, Armeen aboliert und alle Länder auf Erden mit einem Schlag sämtliche Verteidigungsministerien in Friedensministerien umwandeln. Der Film erklärt eine von vielen Möglichkeiten das zu schaffen. Der Film erklärt die Strategie, nicht die Taktik, mit der die Strategie umgesetzt wird. Die Strategie kann diese oder auch eine andere sein, und die Taktik muss jeder für sich entscheiden. Also wünsche ich mir, dass viele diesen Film ansehen und sich selbst etwas ausdenken.
Aber selbst, wenn es mal nicht um ganz konsequente Ansätze geht, weil man tiefstapeln möchte, würde ich mir wünschen, dass die Bewegung der Bürgermeister für den Frieden mal etwas anderes als nur Etikettenschwindel wird. Ich will mal einen Bürgermeister für den Frieden sehen, der Frieden realisiert.
Als Künstler wünsche ich mir, dass es nie Krieg gegeben hätte, dass nie ein Kunstwerk zerstört wurde. Warum?
Wenn wir von der Prähistorie bis heute, keine Zerstörung, Gewalt, Krieg erfahren hätten, wie viele Millionen kunstwerke wären jetzt im Umlauf in wie vielen Gebäuden und Behausungen welcher Art? Das ist eine ganz einfache Frage, die sich nur ein Künstler stellt. Aber die Antwort hat doch eine tiefe Bedeutung:
Wenn ich in einem Haushalt aufgewachsen wäre, indem ich Kunstgegenstände von der Prähistorie bis heute hätte betrachten dürfen, wie tief fühlte ich mich dann mit der Menschheit verbunden? Wie divers wären dann meine sensorischen Erfahrungen, und zu welchem Selbstwert käme ich dann? Ich wünsche mir, dass mit dem Frieden ein Zeitalter antritt, indem Kinder von der Geburt an in einem emotionalen und künstlerischem Umfeld leben, dass von dem Vertrauen und dem Glück lachen zu dürfen beseelt ist. Dazu darf nie wieder Kunst zerstört werden. Die Kunst muss der Bevölkerung gehören.
Deswegen wünsche ich dass z.B. meine Skulptur Elan in Dortmund endlich dem Zweck zugeführt wird, zu dem sie gedacht war: öffentlich zu wirken, dass jeder Mensch die Skulptur besuchen darf. Dies ist seit 1993 nicht der Fall. Eine Skulptur die aus Steuermitteln bezahlt wird, privatisiert wird und dann dem Publikum entzogen wurde dient nicht dem ihr zugedachten Zweck. Die Kunst gehört der Bevölkerung.
Und ich hoffe und wünsche, dass meine Bilder häufig in Familien wirken. Ein Bild reicht. Es müssen keine zwei sein.
Nicht weil 80 % der Menschen krank sind, muss ich es auch sein. Wie Gabriele Wulfers (Caritas Essen) mal in einer kontroversen Podiumsdiskussion zum Frieden sagte: ich möchte lieber als dumm und naiv gelten, denn als blutsüchtiger Mörder.
Oder wie William Booth sagte: Waffen gegen den Krieg - ist wie Schnaps gegen Alkoholismus.
Der Künstler:
Der Künstler Andreu Ginestet wurde bei einem Besuch in Dortmund 1964 geboren, wuchs in Barcelona auf, lebt vorwiegend in Spanien und Deutschland. Als Künstler bedient er weltweit private und institutionelle Auftraggeber und Sammler. Sein umfassendes Werk bildet eine einheitliche Kosmologie, von der monumentalen Plastik bis zu den Objekten für private Sammlungen. Seine Tätigkeit umfasst verschiedene Disziplinen wie Bildhauerei, Malerei, Zeichnung, Fotografie und Prosa.
Foto:
©Andreu Ginestet
Info:
Ausstellung:
Body& Soul. Andreu Ginestet
Sächsischer Wartesaal, Hauptbahnhof Leipzig (neben Starbucks, Gleisebene)
23. August bis 17. Oktober 2024 Öffnungszeiten: täglich 10:00 bis 19:00 Uhr (auch sonntags)