IMG 20240915 143133 kleiner 2.pngneuAusstellung Body & Soul von Andreu Ginestet  vom 23. August bis  17. Oktober 2024  im Leipziger Hauptbahnhof!, Teil 5


Felicitas Schubert


Leipzig (Weltexpresso) - Die Idee und der spätere Zyklus Body&Soul wurden im Jahr 1999 in des Künstlers Heimat Katalonien geboren. Im schöpferischen Prozess inszenierte er ab dem Jahr 2003 die menschliche Figur realistisch und nicht mehr nur symbolisch. Hatte der junge Spanier bis zum Jahr 2000 vor allem die Frage der Identität in seiner Kunst gestellt (Elan, 1986-1998; Seiltänzer 1993-heute) setzte er ab 2003 mit symbolischer Sprache den Bezug von Körper, Geist und Seele, in allen fünf präsentierten Sparten, Skulptur, Prosa, Foto, Malerei und Zeichnung zusammenhängend in Szene. Ab da entsteht ein großer zusammenhängender Zyklus von Fotografie, Zeichnung, Skulptur und Prosa.


Der Körper wird als das Haus, in dem sich diese Identität darstellt, vielschichtig interpretiert. So tauchen die gleichen Personen, sowohl in der Skulptur wie auch im Foto, im Text oder in der Zeichnung auf. Daraus entsteht ein enger, verwobener Dialog von Muse, Material und Form, der vor allem an die Intuition und dem Gefühl im Betrachter appelliert.

Interessant ist auch, wie Ginestet die unterschiedlichen Gattungen immer wieder ineinander führt. Steht manchmal am Anfang die Skizze (wie bei „Two Ballerinas“) wird aus der Skizze schnell Fotografie und kurz danach Skulptur. Andere Male entsteht zunächst das Foto, aus dem Foto direkt die Skulptur (Flor de Luz) und am Ende die Malerei oder Zeichnung. Es gibt eine immerwährende wechselseitig befruchtende Beziehung zwischen den Genres in seinem Werk, was zu einem Verwischen der Funktionalität führt. Die Skulptur dient mal als Vorlage oder Skizze für das Foto, das Foto als Skizze für die Skulptur, die Skulptur als Vorlage für die Zeichnung und die Zeichnung als Vorlage für Skulptur und Foto. Hinzu kommt die Prosa: sein Buch Pax ist mit einer 13 m langen Zeichnung durchzogen, die aus dem Text inspiriert ist. Aber seine Skulpturen sind ebenso manch ein Anlass zur Prosa (Lisa). Die Prosa hat zur Produktion von mehr als eine Skulptur, Zeichnung, Malerei oder Foto geführt. Man kann behaupten, das Werk von Ginestet ist sehr eng miteinander verwoben. Die Bezüge sind nicht nur stilistische Bezüge, sondern auch funktionale. Die Genres greifen schnell ineinander über, was vor allem Sammler begeistert, die sich so einen komplexen Zusammenhang von Kunst, Emotionen und Gedanken anlegen können, der sowohl Tiefgang als auch lange Reflektion ermöglichen.

Die Postdigitale Malerei im Marta Herford und in der Kunsthalle Bielefeld bilden bereits einen thematischen Rahmen, zu dem sich die Ausstellung von Ginestet im Leipziger Bahnhof hinzugesellt und perfekt einfügt. Nun besteht in Deutschland ein einmaliges Dreieck von Beziehungen die es zu erforschen gilt.

Fotografie

Sein fotografisches Werk ist über viele Jahre als Reaktion auf die Verflachung des Geistes in der Werbefotografie, der Marketingsprache, das Internet und der Bildsprache in der modernen Kunst entstanden. Der technisch moderne Ginestet bezieht sich auf die Maler der Renaissance, allen voran Tizian, der mit seinem Bild „Amor Sacro e Amor Profano“ Körper und Seele in Bezug stellt. Ginestet kann das Seelenlose Fleisch nicht ertragen und schafft sich mit seiner Bilderwelt eine eigene und heile Welt, die sich tief in der Vergangenheit, bis hin zu den prähistorischen Kulturen zurückverfolgen lässt. Sie dient als Schutzwall gegen all die Verletzungen, die von realen und erlebten Kriegsszenen hervorgerufen werden. Ebenso wie Rubens und Goya hat Ginestet den Horror des Krieges aus nächster Nähe betrachtet und baut dem eine Welt entgegen, für die es sich zu leben lohnt.

Im Kontrast zu z.B. den raffinierten Inszenierten Fotos von Helmut Newton, entsteht die Schönheit seiner Werke in dem Wesen des Menschen, der Komplexität selbst. Auf der Suche, in der Tiefe, in der Imagination, wecken seine Bilder die Sehnsucht nach dem Selbst. Seine Bilder sind Beziehung und bestehen auch ohne Betrachter. Die Instrumente und Symbole der Gegenwart spielen überhaupt keine Rolle. Seine Bilder wirken ewig und gegenwärtig zugleich. Sie sind absolut Zeitlos.

Während Newton niemals ohne den (Voyeur) Betrachter auskommt fühlt sich der Betrachter bei Ginestet so, als wäre eine unbedeutende Randnotiz. Die Deutungshoheit liegt eindeutig beim Künstler. Der Betrachter kann sich kaum der Bilder „bedienen“. Er darf sie Bilder erschließen, aber er kann sie nicht „benutzen“.

Newton stellt die Schönheit nüchtern direkt ins Auge des Betrachters. Newton liefert Antworten. Der Betrachter hat einen direkten Zugriff auf die Motive und kann sie deuten. So ergeben sich kurze Wege. Ginestet zelebriert die Schönheit in der Vielschichtigkeit, über den langen Weg der inneren Reise. Ginestet stellt Fragen, die der Betrachter nicht ohne lange innere Exploration beantworten kann.

Die Antworten auf Fragen liegen immer im Auge des Betrachters. Aber die Nuancen in seinen Bildern spiegeln unsere menschliche Zerbrechlichkeit, unser ätherisches Dasein wider – all das, was uns zu authentischen und liebenden Menschen auf der Suche nach dem Selbst macht. Die Transparenz in seinen Bildern erinnert an die seelische und ewige Existenz des Menschsein, gerade ob ihrer Vergänglichkeit, also als Reise des ich im ich und Du. Es sind die Geister die wir riefen, die uns in seinen Bildern unheimlich direkt begegnen.

Und so wird das Foto zu einem subjektiven Spiegel der Seele: der Betrachter sieht, was er sehen will, wie Robert McNamara mal sagte, hat aber die Möglichkeit parallel andere Gefühlswelten zu erschließen. Das ergibt ein vielschichtiges Werkerlebnis. Und daraus wieder erkennt der Betrachter einen Rückbezug zur Skulptur, weil sich in der Überlagerung der Figuren im Foto z.B. eindeutige Formen erkennen lassen, die wieder in der Bildhauerei eine eindeutige und unverwechselbare Sprache abbilden. Geister werden dann wieder zu sehr konkreten und materiellen Formen, die der Sammler in die Hand nehmen kann, die der Künstler dem Sammler an die Hand gibt.

Fortsetzung folgt

 

Der Künstler:

Der Künstler Andreu Ginestet wurde bei einem Besuch in Dortmund 1964 geboren, wuchs in Barcelona auf, lebt vorwiegend in Spanien und Deutschland. Als Künstler bedient er weltweit private und institutionelle Auftraggeber und Sammler.  Sein umfassendes Werk bildet eine einheitliche Kosmologie, von der monumentalen Plastik bis zu den Objekten für private Sammlungen. Seine Tätigkeit umfasst verschiedene Disziplinen wie Bildhauerei, Malerei, Zeichnung, Fotografie und Prosa.

Foto: 
©Andreu Ginestet 

Info:
Ausstellung: Body& Soul
Andreu Ginestet
Sächsischer Wartesaal, Hauptbahnhof Leipzig (neben Starbucks, Gleisebene)
23. August bis 17. Oktober 2024, Öffnungszeiten: täglich 10:00 bis 19:00 Uhr (auch sonntags)

Kurator: Marcel Noack
Regie: Thomas Oehme, ECE
Homepage des Künstlers: www.ginestet.art
Kontakt zum Künstler: infoginestetart