Wanderausstellung zu F.K. Waechters ZEICHENKUNST  im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, Teil 1

Felicitas Schubert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -. Endlich ist der 2005 verstorbene Fritz Karl Wächter wieder in der Heimat, in Frankfurt ausführlicher zu sehen. Merkwürdigerweise nicht an dem Ort, wo er hingehört, im Caricatura Museum oder im Museum Moderner Kunst, beim Struwwelpeter oder im Städel, wo die Hohe Kunst hängt und Michelangelo und Dürer verwahrt werden. Sondern im Museum für Angewandte Kunst. Wenden wir F.K. Waechter also an!


Im Ernst ist es irgendwie egal, wo man ihn zu sehen bekommt, denn nicht nur der Erinnerungswert für unsereinen ist wichtig, sondern in welchem Ausmaß er auch diejenigen anzieht, die ihn noch nicht kannten: die Jungen also. Denn die Alten und die Mittelalterlichen, die kennen ihren Alten Fritz. Fangen wir also mit uns selber an. Mit dem Abstand der Jahre zeigt sich noch deutlicher, wie subtil der Strich von Waechter ist und welchen Streich er daraus macht.

Da gibt es ein Blatt aus dem Jahr 1984 – im Buch Zeichenkunst vom Verlag Hirmer sogar das allererste -, das zeigt eine sittsam gekleidete Frau in rotem langem Kleid auf einem Felsen sitzend, wie die Loreley. Die allerdings hatte das güldene Haar hinunterreichend, diese aber trägt es – sittsam eben – als vollen Knoten. Sie ist Lehrerin oder Fremdenführerin, denkt man, denn die Titelüberschrift lautet: „Adele zeigt ihren Brüsten die Männer“, denn es sind ja diese weiblichen sozialen Berufe, die einem dauernd irgendetwas zeigen.

Ihr gegenüber stehen 14 Männer, im Halb- und Dreiviertelprofil, die Augen aufgerissen und total auf das Gezeigte gerichtet, die Münder verzogen ob des gewaltigen Schauspiels, das sich ihnen bietet. Clou ist nämlich, daß diese sittsam sitzende Frau ihr Oberteil geöffnet hat und ihren naseweisen nach vorne gerichteten Brüsten, mit der rechten Hand eine sicher haltend, mit der anderen ausgestreckten Hand diese Männerschar zeigt.

Diese Vorgehensweise, wie Waechter hier die Verhältnisse umkehrt -  muß man wirklich noch hinzufügen, daß solche Bilder sonst heißen: „Adele zeigt ihre Brüste den Männern?“ -, liegt der Kern seiner Kunst.  Durch diese klitzekleine Umkehrung wird die Welt auf den Kopf gestellt. Marx hat die hegelsche Dialektik vom Kopf auf die Füße gestellt, Waechter macht das mit uns und unserer Welt.

Man muß versuchen, seine zeichnerischen und Zaubertricks aus Worten sich selbst in einem System zu erklären, denn ansonsten bleibt einem als Berichterstatter nur übrig, all die herrlichen Sottisen und geradezu rührenden – „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“ – Aussprüche nachzuerzählen, was angesichts der über 160 Werke in der Ausstellung einfach nicht geht.

Bis 11. September 2011

Katalog: Es gibt keinen speziellen Katalog, aber es gibt den für die Waechterausstellung im Jahr 2009 herausgegebenen Begleitband des – mit vollständigem Namen – Wilhelm-Busch-Museum Hannover, Deutsches Museum für Karikatur und kritische Grafik „F.K.Waechter – Zeichenkunst“ aus dem Jahr 2009. Und selbst wenn man alle bei Diogenes erschienen Einzelbände zu F.K. Waechter besäße, dann sagen einem die Kommentare und Erläuterungen in diesem herrlich dicken Band noch immer mehr. Die Hausherrin und Besitzerin des Waechter Nachlasses, Gisela Vetter-Liebenow zeigt im Vorwort, daß sie weiß, was sie an ihm, respektive dem Nachlaß hat.

Reinbert Tabbert gibt eine Lebensbeschreibung und untersucht die Mechanismen dieser Kunst, die er unter Waechters eigenes Motto stellt: „Komik schreit danach, sehr ernst genommen zu werden.“ Nicht allein der Zeichner ist ihm wichtig, genau so der Stückeschreiber. Andreas Platthaus erinnert sich wehmütig an den Besuch in Waechters Atelier als dieser schon 67jährig gestorben war und daran, was er noch alles vorhatte, besser: beide vorhatten. Aber die Texte sind ja nur die Zugabe zu den Zeichnungen, dem Eigentlichen, wo man wieder einmal bei den Schweinen hängenbleibt.

„Das Schwein in der bildenden Kunst“ von 1967 zeigt das Schwein, als Gestalt aufgearbeitet, wie es Leonardo mit dem Menschen machte, als er die Vitruvschen Vorgaben ausführte. Als „Stimme von oben“ aus dem Jahr 1988 erweist sich, ja was schon, natürlich ein Schwein, das in der himmlischen Wolke den Rüssel herausstreckt und kündet: „Mein Sohn! Er ist für Euch gestorben!“ und unten auf der Erde zeigt das Blatt die verwirrten Metzger, einen Mann und eine Frau, den Eimer und das Schlachtmesser in der Hand, wo an den Hinterläufen aufgehängt, das tote Schwein gerade abgestochen wurde und das Blut zu Boden läuft. Man ist schon geschockt, aber nicht schockiert, denn so richtig blasphemisch wirkt das nicht, aber hat dennoch einen doppelten Boden.

Seine Bibliographie zeigt, wie er anfänglich in verschiedenen Verlagen  veröffentlichte. So das schöne Buch „Brülle ich zum Fenster raus“ aus dem  Verlag Weinheim. Aber schon seit 1978 wird der Diogenes Verlag sein Hausverlag. Wir können unmöglich alle seither dort veröffentlichten Bücher aufführen, geben aber gerne die Webseite an, denn ein paar Waechters muß man schon haben!

www.diogenes.ch
http://www.diogenes.ch/leser/autoren/illustrator/a-z/w/waechter_fk/biographie