Finnland zur Buchmesse in der SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT vom 2. Oktober 2014- bis 11. Januar 2015, Teil 2

 

Anna von Stillmark

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Der Schirn ist es gelungen, eine groß angelegte Sonderausstellung zu realisieren, die ebenso für Schjerfbecks OEuvre repräsentative und bedeutende Kunstwerke umfasst wie singuläre, selten ausgestellte Arbeiten. Vertreten sind Gemälde und Werke auf Papier aus nahezu allen Schaffensphasen zwischen 1879 und 1945.

 

 

Sie werden innerhalb der Präsentation weder chronologisch noch nach Bildgattungen geordnet, sondern in einem Parcours gezeigt, der die Aufmerksamkeit auf das für Schjerfbeck charakteristische Arbeiten nach Vorlagen und die Repetition von Bildmotiven richtet.

 

Im Zentrum der Ausstellung stehen Schjerfbecks Selbstporträts, die als ein wesentliches Genre der weiblichen Avantgardekunst vor allem in den 1930er- und 1940er-Jahren die bevorzugte Gattung der Künstlerin waren. Die Schirn präsentiert mehr als 20 Selbstbildnisse der Künstlerin, von einer der ersten in realistischer Manier ausgeführten Arbeit aus dem Jahr 1884/85 über das moderne „Selbstporträt“ (1912) bis hin zu den bewegenden, expressionistischen Abbildern ihrer letzten Lebensjahre wie „Selbstporträt (Eine alte Malerin)“ (1945). In den letzten beiden Jahrzehnten ihres Lebens schuf Schjerfbeck mehr als die Hälfte ihrer Selbstdarstellungen, an denen sich ihre

gesamte künstlerische Entwicklung ablesen lässt.

 

Selbstporträt. Silberner Hintergrund“ (1915) markiert exemplarisch den Übergang von einer realistischen zu einer modernen Porträtmalerei, die sich vor allem durch eine nichtmimetische und stark reduzierte Farbpalette auszeichnet. Dass Schjerfbeck sich in ihrer Malerei nicht mehr auf die Wiedergabe der Realität konzentriert, bedeutete zugleich einen Bruch mit der akademisch-tradierten Malweise. Der begrenzte Einsatz von Farben führt die Künstlerin bisweilen zu einer Art der monochromen Malerei, in welcher Leinwand oder Papier die Funktion des Hintergrunds übernehmen. Besonders deutlich wird dies in denjenigen Selbstporträts, die in den letzten Lebensjahren entstanden. Sie sind primär als Kopfbilder angelegt.

 

Eine Vielzahl zeigt sogar nur noch das Gesicht der Künstlerin, das schonungslos den Verfall des menschlichen Körpers offenlegt. Ihren Status als Künstlerin verdeutlichte Schjerfbeck in ihren Bildnissen selten. So sind in ihrem OEuvre nur zwei Porträts bekannt, in denen sie sich als Malerin mit den spezifischen Attributen darstellt. „Selbstporträt. Schwarzer Hintergrund“ (1915) entstand etwa im Auftrag der Finnischen Kunstgesellschaft und sollte ihr Ansehen als finnische Künstlerin manifestieren. 1937 schuf sie ein weiteres „Selbstporträt mit Palette I“, das ebenfalls in der Ausstellung zu sehen ist.

Dass Schjerfbeck sich selbst immer wieder Modell stand und dass sie ihre eigenen Bilder

wiederholt als Vorlage für formale und stilistische Neuinterpretationen verwendete, zeigen etwa Werke mit gleichnamigem Titel wie „Die Genesende“ von 1927 und 1938/1939, denen das eigene Gemälde aus dem Jahr 1888 als Vorlage diente, oder Adaptionen der Werke wie beispielsweise „Die Näherin“ (1905, 1927) sowie „Wilhelm von Schwerin“ (1872, 1886, 1927).

 

Das detailgetreue Kopieren von Werken alter Meister war eine in der damaligen künstlerischen Ausbildung übliche Praxis, in der sich auch Schjerfbeck während verschiedener Reisen und eines Studienaufenthalts in Paris in jungen Jahren übte. Die Adaption einzelner Motive und Stile aus Gemälden etwa von Hans Holbein d. J. oder Diego Velázquez hielt vor allem im Spätwerk der Künstlerin wieder Einzug. Ein Grund hierfür war etwa auch der Mangel an Modellen und Motiven in den abgeschiedenen finnischen Dörfern, in denen Schjerfbeck ab 1902 lebte. Dieser ließ die Künstlerin auf Kunstbücher wie auf aktuelle Modemagazine als Vorlage zurückgreifen. So ruft

Spanische Frau“ von 1928 El Grecos Madonnen auf, die modischen Pariserinnen die Malerei Constantin Guys’, die Darstellungen von Dora Estlander den Bubikopf moderner Frauen der Großstadt und „Mädchen mit Beret“ die filigranen französischen Frauen, die Schjerfbeck unter anderem aus der Pariser Modezeitschrift Chiffons kannte.

 

 

Obwohl Schjerfbeck stets im regen Austausch mit Kollegen und Kulturschaffenden stand, hatte die geografische Distanz eine physische Isolation zur Folge, die wiederum zu einer gewissen künstlerischen Freiheit führte. So schuf sie Männerakte, zu denen es keine vergleichbaren zeitgenössischen Arbeiten anderer Künstlerinnen gibt. Zwei dieser außergewöhnlichen Akte sind in der Schirn-Ausstellung zu sehen.

 

Auch wenn die Lebensgeschichte Schjerfbecks für die damalige Zeit ungewöhnlich ist und oft als Mythos verklärt wird, betrachtet die Ausstellung das Werk dieser modernen Künstlerin nicht primär im Licht ihres Lebens, sondern lässt es für sich stehen, als wandelbar im Stil, experimentell in Farbe und Technik und eindringlich in der Wirkung.Fortsetzung folgt.

 

 

INFO:

 

Die Ausstellung in der Schirn geht vom 2. Oktober 2014 bis zum 11. Januar 2015

 

Es gibt ein DIGITORIAL: Das neue kostenlose digitale Vermittlungsformat in deutscher und englischer Sprache ermöglicht es dem Publikum, sich bereits vor dem Besuch auf die Themen der Ausstellung einzustimmen. Das Digitorial präsentiert aufschlussreiche Informationen, übergreifende Zusammenhänge und Hintergrundgeschichten in neuartiger Visualität gebündelt auf einer responsiven Website. Das Digitorial ist von der Website www.schirn.de/schjerfbeck abrufbar.

 

KATALOG: Helene Schjerfbeck. Herausgegeben von Carolin Köchling und Max Hollein.

Vorwort von Max Hollein, Essays von Anna-Maria von Bonsdorff, Carolin Köchling, Riitta

Konttinen, Marja Lahelma, Abigail Solomon-Godeau. Dt. sowie Engl. Ausgabe, 168 Seiten, 102 Abbildungen, 31,5 x 22 cm (Hochformat), Broschur mit Umschlag (Siebdruck); Gestaltung BankerWessel, Stockholm; Kerber Verlag, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-7356-0009-7 (deutsche Ausgabe), ISBN 978-3-7356-0010-3 (englische Ausgabe). Preis 28 € (Schirn), 39,95 € (Buchhandel)