Serie: „Die Zukunft der Malerei. Eine Perspektive“ im Essl Museum Klosterneuburg bei Wien, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Wien (Weltexpresso) – Eine tolle Idee, denkt man zuerst, wenn man vom Konzept hört, über das Internet zu einem Wettbewerb gegenwärtiger Künstler aufzurufen - beschränkt auf die, die noch keine Einzelausstellung hatten und in Österreich leben oder Österreicher sind. Das Erstaunliche und Beglückende ist: die Ausführung, die Ausstellung ist noch viel toller!

 

Zuerst die Fakten: Es gab eine Ausschreibung, eine Bewerbung zur Ausstellung. Die Gruppe um Kurator Günther Oberhollenzer konnte 756 Bewerbungen zählen. Dazu mußte man sich digital anmelden, Fragen beantworten und seine Werke per Foto vorstellen. Eine Beschränkung, außer der oben genannten, die ausschließen soll, daß schon arrivierte Künstler diesen Paragone – so nannte man in der Renaisance den Künstlerwettstreit, allerdings auf die Genres bezogen, die hier nur auf die Malerei und Zeichnung/Grafik abzielen – unter sich ausmachen, gab es nicht. Die Anmeldung zur DIE ZUKUNFT DER MALEREI. EINE PERSPEKTIVE hatte auch keine Altersbeschränkung und eine der aufregenden Erkenntnisse unter den auf rund 100 Bildern für die Ausstellung auf 23 Künstler eingeschmolzenen Ausgangslage war dann, daß die buntesten, abstrakt farbenfreudigen großen Tafelbilder von der mit 72 Jahren ältesten Teilnehmerin stammen. Der Jüngste ist 26.

 

Zu den 23 ausgewählten Künstlern kam es auf folgende Weise. Die, nennen wir sie ruhig Jury um Günther Oberhollenzer, sichtete die 756 Anmeldung zur Gruppenausstellung im Essl Museum. Wie sie es machten, aus den Internetmaterialien ihre Aufwahl zu treffen und auf dann genau 46 Personen zu kommen, sei dahingestellt, auf jeden Fall ging es jetzt mit diesen 46 Künstlern erst richtig los. Denn diese wurden in ihrem Atelier aufgesucht – nur zwei in Berlin lebende österreichische Maler machten mit ihrer Werkauswahl unterm Arm einen Heimatbesuch. Bei den Atelierbesuchen - das schilderte Günther Oberhollenzer so begeistert, daß man schon neidisch werden konnte - habe sich eine Atmosphäre ergeben, die sehr stark Bilder und ihre Künstler als Einheit zeigte. Kannte man erst die Menschen, ihre Herkunft, ihr Leben, auch ihre Probleme, wächst die Einsichten, was sie zum Malen treibt und was ihre persönliche Handschrift daran ist.

 

Doch je mehr Atelierbesuche, desto schwieriger dann die Entscheidung, von den 46 potientiellen Ausstellern auf 23 zu reduzieren. Allen 46 geschieht allerdings insofern Genugtuung, als der Katalog am Schluß zumindest auch die 23 Künstler mit ihrem Werk aufzeigt, die den letzten Sprung in die Ausstellungshalle des Essl Museums nach Klosterneuburg nicht geschafft haben. Und da sind wir jetzt und staunen, wie vielfältig die meist figurative Malerei lebt, wo sie doch schon so oft für tot erklärt wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg auch eine schwierige Zeit durchmachen mußte, galt doch die öffentliche Aufmerksamkeit, wenn überhaupt der Malerei, dann der abstrakten Kunst oder den seriellen Graphikprogrammen, von dem ganzen Bohau um Videos und Installationen einmal ganz abgesehen.

 

Die Frage: Hat die Malerei eine Zukunft? Wie hat sich die Malerei in jüngster Zeit verändert? Welche zukunftsweisenden Positionen gibt es in Österreich zu entdecken?, beantwortet die Essl Ausstellung der 23 Künstler mit großer Geste: alles ist möglich und vor allem, es wird ohne Scheu auch gemacht. Daß in der darstellenden Kunst, von der man glaubt, daß alles schon gesagt sei und die großen Maler der Vergangenheit eh von den Heutigen in ihrer Kunstfertigkeit nicht zu übertreffen seien, daß also auch in der Malerei Neues möglich ist, das zeigen Arbeiten, die auf ungewöhnliche Art Holz zu Holz gesellen oder den Filmstill – Fotos, die nach dem Dreh nachgestellt werden - als Malvorlage nehmen.

 

Aber um das 'Neue' geht es überhaupt nicht, sondern darum, daß jeder dieser Künstler seine Sicht der Welt über seine Bilder ausdrückt. Und da möchte man jetzt doch am liebsten einen Videofilm haben und hier im Weltexpresso ausstrahlen, denn unsere Worte, mit denen wir uns gleich abmühen, das Geschaute wiederzugeben, reichen für die Gefühle, die man beim Anschauen entwickelt, reichen für die Differenzierungen der Gedanken und Wahrnehmungen einfach nicht aus. Das wissen wir schon vorher, aber auch, daß selbst abfotografierte Kunstwerke dem Betrachter niemals das bieten, was das Original verspricht. Insofern muß man am Besten schon selber kommen, wozu der folgende Bericht über die Ausstellung motivieren soll.

 

Zuvor jedoch ein Wort zum Museum Essl und dem Sammlerehepaar Essl, dessen BauMaxkette in ökonomischen Schwierigkeiten geriet. Die Zukunft des Museums ist inzwischen gesichert. Derzeitige Auktionsverkäufe aus dem Bestand des Museums sollen der Baukette helfen. Von all dem war auf der Pressekonferenz zur Ausstellung nichts zu hören. Obwohl wir gerne Genaueres gehört hätten, hatten auch wie nicht nachgefragt, das verbot der Respekt vor den anwesenden Künstlern. Tatsächlich waren alle 23 anwesend und wurden vorgestellt. Ein tiefer Eindruck von der Vielfältigkeit, auch davon, wie sehr Wien und Österreich auch heute Schmelztiegel und Sehnsuchtsort für junge Menschen aus Osteuropa ist.

 

In einer längeren Einführung sprach Museumsdirektor Karlheinz Essl nur von der Freude an der Arbeit zu dieser Ausstellung und den Erfahrungen, die er selbst mit den Werken der ausgewählten Künstler – an der Auswahl war er selbstverständlich nicht beteiligt, die war Sache des Kurators und seiner Gruppe – und den Künstlern selbst machen konnte. Da konnte man auch spüren, was einen Karlheinz Essl treibt und daß es ihm gelungen ist, Enthusiasten um sich zu scharen, wobei er dann auch die Grandezza hat, die ihm vom Pressesprecher Erwin Uhrmann aufgeschriebenen wunderschönen und wahren Worte zu Künstlern der Gegenwart als dessen Zitat zu offenbaren.

 

Wir fanden den vorgetragenen Text später im Katalog als Vorwort mit dem schönen Schluß, was die Malerei und die Maler alles vermögen: „ Sie sehen mehr als wir mit bloßen Augen. Sie schaffen Bilder, die bleiben werden. Sie prägen unsere heutige Zeit und sie prägen unsere Wahrnehmung. Unnachgiebig und unermüdlich. Von Neo Rauch und Rosa Loy haben wir die Wiederverzauberung der Welt erfahren. Von Alex Katz die Leichtigkeit der Farbe. Von Georg Baselitz die Umkehrung des Bildes. Von Martin Schnur die Faszination der Spiegelung. Von Herbert Brandl die flirrende Natur. Von Max Weiler die Spiritualität in der Natur. Von Markus Prachensky die Kraft der roten Geste. Von Martha Jungwirth die unmittelbare abstrake Expression. Von Jörg Immendorff die Erkenntnisse über das Leben, das Leiden und den Tod. Von Hermann Nitsch das Fest des Lebens. Von Franz Ringel die Reise zu den dunklen Seiten der menschlichen Psyche. Und von Maria Lassnig die Selbstentblößung des Körpers. Das Essl Museum ist vom ersten Tag an eine Bastion der Malerei. Und wird es bleiben. Wir sind das Musum der Zukunft“ (Seite 5, Katalog). Fortsetzung folgt.

 

bis 8.2 2015

 

Foto:  THE AUSTRIAN PAINTER von Robert Muntean

 

Katalog: die zukunft der malerei. eine perspektive, Edition Sammlung Essl 2014

Nach den einführenden Beiträgen von Karlheinz Essl und Günther Oberhollzner als Kurator, werden alle ausstellenden 23 Künster – darunter ein Künstlerpaar – vorgestellt, was jeweils ein Foto desKünstlers in seinemAteliere einleitet. Es folgen Daten, Ausbildung, Ausstellungen, ein Künstlerstatement und die in der Ausstellung gezeigten Werke, fast immer ganzformatig. Gegen Schluß werden die nicht in der Ausstellung vertretenen Künstler benannt und mit einem Werk vorgestellt. Essays runden dies ab, wobei in der Mitte eine Würdigung der 23 ausstellenden Künstler durch den Kurator erfolgt, die besonders hilfreich für den ist, für den diese Malereiausstellung zeitgenössischer österreichischer Kunst Neuland ist.

 

www. essl.museum