„Perugino – Raffaels Meister“ in der Alten Pinakothek München, Teil 1

Claudia Schulmerich

München (Weltexpresso) – Heute kann man sich gar nicht vorstellen, daß er aus der Mode kam, dieser Pietro di Christoforo Vannuci (um 1450 – 1523) aus der Nähe der mittelitalienischen Stadt Perugia, die ihm dann das Bürgerrecht und den Namen gab. Denn wir genießen heute - nach der Möglichkeit, alles ganz genau abzubilden, dynamisch und maßstabsgetreu, wofür die Renaissance die Vorlage lieferte - das Einfache, das Innige, das fast Naive,  nach Innen Gekehrte, Stille, Harmonische auf eine neue Weise.


Das ist grob gesprochen, denn weder fing der Realitätsbezug, Maßstab und die Bewegung in der Malerei mit der Renaissance an, noch sollen diese Worte an die Vorgaben der Präraffaeliten anknüpfen, die Schlichtheit und Frömmigkeit der Vorderen einklagten, aber beim eigenen Bemühen immer wieder Kitsch und Frömmelei nicht vermeiden konnten. Auch wenn er für diese als Vorbild galt, hat Perugino von all dem nichts. Er wurde als Vollender eines Stils gerühmt, der die Sanftheit des heiligen Personals in ihrer Kontemplation als Vorlage lieferte für das Andachtsbild, in das der Gläubige sich versenken konnte.

Er war vielbeschäftigt, unterhielt also eine Werkstatt und war ein Meister in der technologisch hervorragend eingesetzten Kartonverwendung. Auch deshalb kommen einem viele der Heiligen von Perugino bekannt vor, obwohl man sie in diesem Bild noch nicht gesehen hatte, weil sie alle etwas von einer großen Familie haben. Nicht nur wegen der Ähnlichkeit des Stils, ihrer Gewandung und der Farben, sondern auch in ihren Gesten und Silhouetten. Kein Wunder. Mit kleinen Löchern den Figuren entlang durchbohrt, wurden diese Kartons auf die Leinwand oder die Tafel gelegt, mit Kohlenstaub bestäubt und durchpustet und schon war eine Figurenkopie als Vorlage geglückt, mal seitenverkehrt, mal identisch, mal zur Frau, mal zum Mann gemacht, mal kleiner, mal größer.

Die Ausstellung mit rund 30 Werken beginnt mit einem Entree, wo man sich einen ersten Überblick über den Maler verschaffen kann und sowohl seine ‚weltlichen‘ Werke – vielfach Männerporträts, Kollegen u.a. - wie auch die nach seinen Bildern gefertigten Anverwandlungen, wenn nicht Kopien bestaunen kann. Bis heute ist er einer der Maler, der zur Nachahmung reizt, was sicher mit diesem besonders himmelnden Blick, diesem Schmelz in den Gesichtern in der Mischung aus Verzückung und Schmerz liegt. Hierhin gehören auch seine Hl. Sebastiane, nie von den Pfeilen durchbohrt, sondern mit formschönem Körper für immer ein Jünglingsvorbild und selbst beim seinem Porträt um 1495 dient der Pfeil an der Hauptschlagader mit den zarten Bluttröpfelein nur der Signatur des Malers.

 

Bis 15. Januar 2012

Katalog: Perugino. Raffaels Meister, hrsg. von Andreas Schumacher, HatjeCantz 2011. Schon im Vorwort von Klaus Schrenk vermittelt sich die Erkenntnis, warum die Alte Pinakothek über einen Schatz an Peruginos verfügt. Ihr Datum der Grundsteinlegung 7. April 1826 war auf den Geburtstag des großen Raffael gelegt, von dem es nicht weit zu seinem Lehrer Perugino war. Andreas Schumacher schreibt über den „umbrischen Klassiker in Florenz“, was eben auch bedeutet, daß man Perugino nicht auf eine Kunstlandschaft beschränken kann, sondern er sozusagen eine eigene ist, seine Lehrjahre aber durchaus den florentiner Künstlern viel verdanken. Der Katalog legt der Ausstellung gemäß sein Hauptaugenmerk auf die ‚reife‘ Schaffensperiode mit den spirituellen Qualitäten seiner Kunst und auf die Bedeutung die er und seine Werkstatt für das frühe Wirken Raffaels hatten.

Rudolf Hiller von Gaertingen, dessen Dissertation zu Raffael und Perugino unten angegeben ist, beschreibt „Vasari und Perugino“ als „Geschichte einer Verleumdung“, denn der einst hochgeachtete, dann veraltete Maler hat in den Viten des Vasari von 1550/1568 eine so schlechte Presse erhalten, daß sein künstlerischer Ruf für lange dahin war. So einflußreich waren diese Künstlerviten für die Nachwelt.

Rudolf Freiherr Hiller von Gaertringen, Raffaels Lernerfahrung in der Werkstatt Peruginos, Deutscher Kunstverlag 1999. Es handelt sich zwar um die Veröffentlichung einer Dissertation, aber diese ist lesbar geschrieben und gibt für diese Ausstellung interessante Details zur reproduktiven Kartonverwendung durch Perugino (und der Abwandlung durch Raffael)  sowie Verkleinerungen wie Vergrößerungen der Figuren.

Giorgio Vasari, Das Leben des Perugino und des Pinturicchio, Edition Giorgio Vasari, Verlag Klaus Wagenbach, 2011. Hier kann man die Grundlagen nachverfolgen, weshalb Perugino jahrhundertelang einen schlechten Ruf als Maler, als Gläubiger, als Geldgieriger besaß, das sich erst im 19. Jahrhundert in sein Gegenteil wandelte.

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