„Perugino – Raffaels Meister“ in der Alten Pinakothek München, Teil 2

Claudia Schulmerich

München (Weltexpresso) –Ja, diese hier haben ganz besonders den himmelnden Blick, denn Peruginos Bildpersonal kann man auch daraufhin unterscheiden, wer gesenkten Kopfes die göttlichen Bestimmungen erwartet oder wer – schon angeschlagen – direkt in den Himmel aufblickt und von dort übersinnliche Hilfe erwartet. Die Unversehrtheit des Körpers zeichnet übrigens – im Gegensatz zu deutscher Malerei - auch den Schmerzensmann aus, wie besonders die Pietà in ‚Sepulchrum Christi.

Besonders beliebt und einfach zeitlos schön sind seine Madonnen. Die von 1495 – Maria mit Kind und Johannesknaben – mußte wieder nach Frankfurt zurück, als eine der Kostbarkeiten zur Neueröffnung des Städel. Es ist sozusagen als Urbild all der anderen Darstellungen zu sehen, die, mit mehr Personal angereichert, dennoch die gleiche Intimität vermitteln. Hier kann man konkret auch die geschickte Kartonverwendung studieren, denn das Pariser Gegenstück aus dem Louvre zeigt die Madonna mit Jesulein seitenverkehrt in derselben Haltung. Dieses allerdings war der Ursprung, das Frankfurter Bild folgte und wie man sieht noch etliche andere, die immer variieren, aber eine gemeinsame Sprache haben.

Die „Vision des hl. Bernhard“  von 1489/90 ist im gewissen Sinn Anlaß und Mittelpunkt der Schau, denn es wurde von Ludwig I. von Bayern 1829 für die neuerrichtete Pinakothek gekauft. Sechs Figuren sind hier im Gespräch und in der Stille vereint zu sehen, aber Maria, die vor uns in demütiger Haltung und mit ausgestrecktem Finger auf den Heiligen zeigend steht, ist nur die Erscheinung, die der Heilige seiner Vertiefung in die Heilige Schrift, die vor ihm liegt, verdankt. Der Zeigegestus läßt sie in ihrer Funktion als Doctrina erscheinen, was für einen Gelehrten wie diesen Zisterziensermönch sinnvoll ist.

Es ist Bernhard von Clairvaux, der in heller Ordenskutte seine Hände in einer so anbetenden wie abwehrenden Haltung vor sich streckt, daß man auf einmal, auf dies Händespiel neugierig gemacht, dasjenige von den beiden Aposteln auf seiner Rechten, Philippus und Bartholomäus, verfolgt und auch das der beiden Engel, die die Vision des Bernhard vervollständigen, nicht übersehen kann und auf einmal angesichts dieses narrativen Zuges, der ja ein Markenzeichen Raffaels ist, staunt, welche Wurzeln dessen erzählerische Meisterschaft haben.

Längst sind wir im Hauptraum, wo dichtgedrängt ein Perugino am anderes hängt und auch dichtgedrängt das Publikum die letzen Tage nutzt, diese außerordentliche Schau zu besuchen, die, so heißt es, die erste Ausstellung über Perugino außerhalb Italiens sei. Sicher nicht die letzte, denn der große Erfolg bei der Kunstwissenschaft genauso wie beim ausstellungsbesuchenden Laienpublikum zeigt, daß mit Perugino ein Thema eingeläutet ist, daß in gewissem Sinn konträr zur diesseitigen Welt der Renaissance die Malerei zur spirituelle Überhöhung ausruft: in der Ruhe liegt die Kraft  

Bis 15. Januar 2012

Katalog: Perugino. Raffaels Meister, hrsg. von Andreas Schumacher, HatjeCantz 2011. Schon im Vorwort von Klaus Schrenk vermittelt sich die Erkenntnis, warum die Alte Pinakothek über einen Schatz an Peruginos verfügt. Ihr Datum der Grundsteinlegung 7. April 1826 war auf den Geburtstag des großen Raffael gelegt, von dem es nicht weit zu seinem Lehrer Perugino war. Andreas Schumacher schreibt über den „umbrischen Klassiker in Florenz“, was eben auch bedeutet, daß man Perugino nicht auf eine Kunstlandschaft beschränken kann, sondern er sozusagen eine eigene ist, seine Lehrjahre aber durchaus den florentiner Künstlern viel verdanken. Der Katalog legt der Ausstellung gemäß sein Hauptaugenmerk auf die ‚reife‘ Schaffensperiode mit den spirituellen Qualitäten seiner Kunst und auf die Bedeutung die er und seine Werkstatt für das frühe Wirken Raffaels hatten.

Rudolf Hiller von Gaertingen, dessen Dissertation zu Raffael und Perugino unten angegeben ist, beschreibt „Vasari und Perugino“ als „Geschichte einer Verleumdung“, denn der einst hochgeachtete, dann veraltete Maler hat in den Viten des Vasari von 1550/1568 eine so schlechte Presse erhalten, daß sein künstlerischer Ruf für lange dahin war. So einflußreich waren diese Künstlerviten für die Nachwelt.

Rudolf Freiherr Hiller von Gaertringen, Raffaels Lernerfahrung in der Werkstatt Peruginos, Deutscher Kunstverlag 1999. Es handelt sich zwar um die Veröffentlichung einer Dissertation, aber diese ist lesbar geschrieben und gibt für diese Ausstellung interessante Details zur reproduktiven Kartonverwendung durch Perugino (und der Abwandlung durch Raffael)  sowie Verkleinerungen wie Vergrößerungen der Figuren.

Giorgio Vasari, Das Leben des Perugino und des Pinturicchio, Edition Giorgio Vasari, Verlag Klaus Wagenbach, 2011. Hier kann man die Grundlagen nachverfolgen, weshalb Perugino jahrhundertelang einen schlechten Ruf als Maler, als Gläubiger, als Geldgieriger besaß, das sich erst im 19. Jahrhundert in sein Gegenteil wandelte.

www.pinakothek.de