„RUSSISCHES MÄDCHEN MIT PUDERDOSE“ (1928),erworben aus dem Besitz der schwedischen Gemeinde Nybro
Claudia Schulmerich und Robert Matta
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt so Meldungen, die einen erreichen, um über Käufe von Kunst zu informieren: in der Regel immer interessant. Aber dann kommt so eine Nachricht wie eben, die einen elektrisiert, daß nämlich das Städel Frankfurt gerade ein Werk der von den Nazis vertriebenen Lotte Laserstein erworben hat, die keinem mehr ein Begriff war, bis Anfang des Jahres zwei Ausstellungen sie zu einer Berühmtheit machten.
Wir sind also persönlich berührt und freuen uns, daß dem Städel mit dem Erwerb das gelungen ist, wovon andere Museen noch wenig wissen, daß diese Lotte Laserstein (1898–1993) eine der ganz großen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts – Fachrichtung erst mal Neue Sachlichkeit – ist, „wird“ müßte man sagen,denn das dauert immer lange, bis sich das herumgesprochen hat, wozu wir beitragen wollen.
Lesen Sie darum unsere begeisterten Besprechungen nach, die Links zu den Artikeln finden Sie unten. Denn zum einen trat sie prominent in der Ausstellung 1938. KUNST, KÜNSTLER, POLIITIK im Jüdischen Museum in Frankfurt hervor und dann in der großen Kunstschau vom Berlin und Wien der 20er und 30 er Jahre, die auch in beiden Städten über Monate gezeigt wurden. Dort hatte die Berliner Ausstellung Lotte Laserstein mit einem eindrucksvollen gewaltig großem Panorama - eine wirkliche Aussicht über Berlin, aber davor eine abenteuerlustige Menschengruppe – ABEND ÜBER POTSDAM gleich an den Anfang gehängt.
Und nun also Frankfurt und wie man hört, der erste Ankauf von Lotte Laserstein außerhalb von Berlin. Aber jetzt der Reihe nach. Das Städel Museum erweitert seinen Sammlungsbestand der Kunst der Moderne mit Lotte Laserstein (1898–1993) um eine wichtige Arbeit . Das Frankfurter Museum hat Russisches Mädchen mit Puderdose (1928) aus dem Besitz der schwedischen Gemeinde Nybro erworben. Das Werk ist ab sofort in der Sammlungspräsentation „Kunst der Moderne“ im Städel Museum zu sehen.
„Damit ist das Städel das erste öffentliche Museum in Deutschland außerhalb Berlins, das ein Werk dieser Künstlerin erworben hat.“, teilt das Städel froh mit. Lotte Laserstein studierte an der Berliner Kunstakademie und wurde dort 1925 mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Ihre erste Einzelausstellung hatte sie 1931 in der renommierten Berliner Galerie von Fritz Gurlitt (Schon wieder dieser Name, aus dessen Familie eben viele Kunsthändler entstammen). Die einsetzende Karriere wurde durch den Nationalsozialismus jäh beendet.
1937 sah sich die Künstlerin aufgrund ihrer jüdischen Herkunft gezwungen, nach Schweden zu emigrieren, wo sie bis zu ihrem Tod 1993 lebte. Das Gemälde Russisches Mädchen mit Puderdose (1928) nahm die Künstlerin mit ins schwedische Exil, heißt es. Das war aber normalerweise nicht einfach. Hier wurde es möglich, weil die Galerie Moderne in Stockholm sie 1937 zu einer Ausstellung eingeladen hatte, weshalb sie so viel Bilder mitnehmen konnte. Ab 1954 wohnte sie in der südschwedischen Stadt Kalmar nahe Nybro.
Das Ölgemälde ergänzt in der Städelschen Sammlung hervorragend den Bestand der Malerei der Weimarer Zeit und kann Arbeiten von Otto Dix, Maximilian Klewer, Ottilie Roederstein oder Karl Hubbuch an die Seite gestellt werden. Die im Werkverzeichnis der Künstlerin aufgeführte Arbeit wurde zuletzt 2005 in der Ausstellung „Sternverdunkelung“ im Judiska Museet (Stockholm) gezeigt und befindet sich in einem ausgezeichneten Zustand. Das Werk ist ab sofort in der Sammlungspräsentation „Kunst der Moderne“ im Städel Museum zu sehen.
„Nach mehrjährigen Bemühungen ist es uns gelungen, ein Hauptwerk von Lotte Laserstein für die Städelsche Sammlung zu sichern und unserem Publikum damit eine wichtige Protagonistin der Neuen Sachlichkeit zugänglich zu machen. Diesen Bereich der Kunstgeschichte konnten wir in den letzten Jahren dank einer Reihe von zentralen Erwerbungen signifikant ausbauen“, freut sich Max Hollein, Direktor des Städel Museums.
Ihre eindrucksvollsten Werke schuf Lotte Laserstein Ende der 1920er-Jahre und in den frühen 1930er-Jahren. Virtuos setzte sie Menschen der Zwischenkriegszeit ins Bild. Dabei zeichnen Kargheit, Melancholie und Modernität Lotte Lasersteins Darstellungen aus. In Hinblick auf Themen und Grundhaltung ihrer Werke deckt sich Lasersteins Ansatz mit demjenigen der Neuen Sachlichkeit, zugleich ist ihr Malstil weder objektivierend unterkühlt noch gesellschaftskritisch überzeichnet, wie es für diese Kunstrichtung charakteristisch ist.
Lotte Laserstein schuf zahlreiche Porträts, in denen sie verschiedene zeitgenössische Frauentypen festhielt. Bei dem Gemälde Russisches Mädchen mit Puderdose handelt es sich um ein Hauptwerk der Künstlerin, welches ihre Formensprache und Modernität eindrücklich zur Geltung bringt. Es zeigt ein junges, modisch gekleidetes Mädchen mit einem für die Zeit typischen, burschikosen Haarschnitt. Die Dargestellte begutachtet ihre Frisur mithilfe einer Puderdose in einem großen Spiegel. Die flächige Malweise des Hintergrundes, der Kleidung und des Spiegels kontrastiert mit den präzise ausgeführten Details der Hände und des Gesichts. Effektvoll bedient sich Laserstein ästhetischer Stilmittel wie farblicher Hell-Dunkel-Kontraste und Frontalansicht.
1928 nahm Laserstein mit Russisches Mädchen mit Puderdose an dem Wettbewerb „Das schönste deutsche Frauenporträt“ teil, das unter 365 Werken für die Endrunde nominiert wurde. Die 26 ausgewählten Gemälde wurden in der Galerie Gurlitt ausgestellt und von einem breiten Publikum begeistert aufgenommen.
Aus eigener Initiative heraus hat das Frankfurter Museum Russisches Mädchen mit Puderdose aus dem Besitz der schwedischen Gemeinde Nybro erworben. Das Gemälde wurde in den 1970er-Jahren von einem Altersheim in Nybro von der Künstlerin angekauft. Lotte Laserstein hatte sich in Schweden wegen der guten Verkäuflichkeit auf Porträts spezialisiert. Sie war eine kluge wache Frau, die sich nicht unterkriegen ließ und es sich auch erlauben konnte, offen in einer lesbischen Beziehung zu leben. Ihr hat das alles gut getan, denn sie wurde fast 95 Jahre.
Die Gemeinde hatte übrigens das Altersheim – und mit ihm auch das Gemälde – schon in den 1990er-Jahren übernommen. Die Mittel des Ankaufs fließen dort vollständig in den Kulturetat der 20.000 Einwohner zählenden Gemeinde; unter anderem soll damit ein Mahnmal gegen Rassismus errichtet werden.
„RUSSISCHES MÄDCHEN MIT PUDERDOSE“ (1928), Öl auf Holz, 31,7 x 41 cm
INFO:
Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa und So 10.00–18.00 Uhr, Do und Fr 10.00–21.00 Uhr
Sonderöffnungszeiten: 24.12.2014 geschlossen, 25.12. und 26.12.2014 10.00–18.00 Uhr, 31.12.2014 geschlossen, 1.1.2015 11.00–18.00 Uhr.
Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 10 Euro, Familienkarte 20 Euro; samstags, sonn- und feiertags 14 Euro, ermäßigt 12 Euro, Familienkarte 24 Euro; freier Eintritt für Kinder bis zu 12 Jahren; Gruppen ab 10 Personen: ermäßigter Eintrittspreis pro Person. Für Gruppen ist vorab eine Anmeldung erforderlich; telefonisch unter +49(0)69-605098-200.
Kartenvorverkauf unter: tickets.staedelmuseum.de
Artikel über Lotte Laserstein:
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/2487-monika-gruetters-war-hier
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/2513-damit-sie-nicht-vergessen-werden
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kunst2/2514-zum-beispiel-lotte-laserstein