Zur Ausstellung KÜNSTLER UND PROPHETEN in der Schirn Frankfurt? bis 14. Juni 2015, Teil 3

 

Heinz Markert

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso). Wer die Ausstellung mit dem Vorblick aufgeklärter Vernunft betritt und diese auf die Objekte und Ausstellungsstücke - wie normalerweise üblich - anwenden bzw. aus ihnen herauslesen will, bekommt hier ein Problem.

 

Es wird hinabgestiegen zu den irrationalen, weit abgeschobenen Urgründen des Kunstschaffens. Die KunstsucherInnen treffen auf ein Gebräu, eine inhaltlich abgelagerte Ursuppe des Tümelnden und Gründelnden, der Naturidolatrie auch, der wir gemeinhin als zunehmend gefasste ZivilbürgerInnen nach und nach entsteigen mussten, um die rational durchformten Wesen zu werden, die im Zivilisationsprozess die Herausforderungen, die späterhin im binären, gleichmacherischen Digitalisierungsprozess gipfeln bzw. enden, bestehen zu können.

 

Die Ausstellung ruft Ambivalenzen und Komplikationen hervor, richtet sich gegen das vorherrschende Modell des jederzeit aufgeklärt daher stolzierenden KulturbürgerInnentums.- Ideologien und Weltanschauungen, die mittlerweile aufgrund kritischer Soziologie als wenig zeitgemäß und überwunden galten – Okkultisten und Exaltierte inbegriffen - werden unter dem Leitmedium der Propheten ernst genommen. Ein weiter reichendes Thema sind die Vermittlungen und Verästelungen, die in die Praxis der Kunst eines immerwährenden Aufbruchs der letzten Jahrzehnte eingingen.

 

Die Wanderpropheten, Jesusapostel, vegetarischen Lebensreformer, eifernden 'Weltverbesserer' und zweideutige Gestalten, „wie...Oberdada Baader, dessen Predigten an die Wandervogeljugend...anfingen und endeten mit der orphischen Rätselfrage: 'Wisset ihr nicht, dass ihr im Himmel seid?'“ wurden Verkünder und Stichwortgeber der modernen Kunst, zu deren Begleiter und Impulsgeber. Ihre Rede war Selbstvermarktung unter Zuhilfenahme personalistisch-autoritärer Führerideologie, die Esoterik, Christentum und Lebensreform zum Amalgam verband. Lebensreform steht heute anerkannt als gesellschaftliche Bewegung gegen Lärm, Abgase, Umweltzerstörung und industrialisierte Nahrungsmittelproduktion.

 

Doch halt, da ist ein Unterschied: zwischen den Künstlern, die, wenn auch nicht nach einem planen Begriff, sich selbst als Propheten verstanden und dem, was sie als Kunst schufen, ihren Werken. Es bleibt eine Differenz auch zu denen, die sich mehr als Propheten verstanden denn als Künstler. Das Gründelnde und Ursprüngliche wird in Kunst sublim, wird in die künstlerische Form hineinvermittelt und dadurch zu dem ganz Anderen der Kunst. Legendäre Namen dieses Sinnes lauten u.a. Hermann Hesse und Joseph Beuys, die ebenfalls dem ausgestellten Kontext angehören, mit denen Kunstaufsuchende sofort wieder etwas anzufangen vermögen - wo sie dann doch wieder zu Hause sein dürfen, ohne mit dem allzu Ab- und Hintergründigen alleine gelassen zu sein.

 

Es wäre abwegig, die Reihe prominenter, klangvoller Namen, die die Ausstellung aufbietet, durchzugehen und klischeehaft geschwollene Ausführungen hinsichtlich des Seh- und Erschaubaren zu machen. Die Ausstellung erweist sich als vielfältig und komplex hinsichtlich der personellen und weltanschaulichen Aktionsradien, die um die Personen kreisen und sie alle miteinander verbinden. Die Orientierung für das Selbstsehen soll im Vordergrund stehen.

 

Die Ausstellung wird dem Durchgang nach bestimmt von dem Künstler und Propheten Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913), autoritärer theosophisch-reformistischer Kommune-Chef, Stichwort „Tempelkunst“; nach dem Fries 'Per Aspera ad astra (in Teilen): ''Villa imperiale' (Öl, 1900), 'Der Prophet' (1892). 'Fidus' Hugo Höppener, Künstler, nicht so so sehr Prophet – er grenzte sich vom älteren Diefenbach ab, Stichwort: 'Tempeltanz der Seele 1-5' (in Öl), 'Lichtgebet'. František Kupka, Stichwort: „astrale Körper“ und „Tempelbauten“, 'Babylon' (Öl, 1906), 'Printemps cosmique I' (Öl,1913/14) u.a., großformatige modern-abstrahierende Tafelbilder, die Besucher sofort als 'Pop-Art' ansehen. Egon Schiele, Diefenbachianer, Stichwort: „Neukunstgruppe“ - mönchisch - Thema: „der Künstler als gemarterter Prophet“, 'Jüngling mit violetter Kutte' (Öl, 1914), eines der leitenden Bilder der Ausstellung. Gustav Nagel (1874-1952), „Ein Jesusprophet“ (1901-1930), Tausende belagerten um ihn herum freie Marktplätze, Medium: Postkarten und Flugschriften. Johannes Baader (1876-1955) - Ernst Bloch handelt von Baaders „Zentralerde“ - Collagen, Zeitschrift, Plakat; die Ausstellung zeigt Kurt Lohses Tafelbild 'Der Journalist und frühere OberDaDa Johannes A. Baader', mit Zigarre (Öl,1929). Gusto Gräser (1879-1958), „Naturprophet und Wanderapostel“, selbststilisierend, in Sandalen und mit Anhängerschaft auf Straße und Trottoir, er lehnte Diefenbachs autoritären Stil ab, 'Der Liebe Macht' (Öl). Hermann Hesse bangte für ihn. Fortsetzung folgt.

 

Info:

Schirn Kunsthalle, 'Künstler und Propheten', Eine Geheime Geschichte der Moderne 1872-1972, Frankfurt am Main ˑ Römerberg, 069/2998820, bis 14. Juni 2015