Zur Ausstellung KÜNSTLER UND PROPHETEN in der Schirn Frankfurt? bis 14. Juni 2015, Teil 4
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Joseph Beuys (1921-1986), charismatisch, aber bodenverhaftet und empfindsam, stellte einst die warme Gulaschsuppe endgültig ab, um neben der Honigpumpe einem Mädchen gewünschte Erklärungen zu seiner Kunst zu geben. Rudolf Steiner wurde ihm zum Mentor in Anthroposophie, er leitete sich vom „längst vergessenen Schriftsteller-Propheten wie Rudolf Pannwitz“ ab.
Beuys´ Lehrer war Ewald Mataré, er lehrte ihn Bauhaus-Handwerk. Ab 1961 griff Beuys 'offiziell auf das höchst umstrittene Erbe der „Propheten“ zurück'. Um 1967 entwickelte er die Konzeption der „Sozialen Plastik“, einer Folgevorstellung des älteren „Weltentempels“. Ökologie war ihm zentral, New Age spielte mit. 'Rettet den Wald' (1972), ein Großfoto in Vertikale: 'La rivolutione siamo Noi' (1972); er selbst schreitet dem Betrachter geradefüßig entgegen; überzeugende Plastiken 'Rosenkreuz', 'Wurfkreuz', 'Berglampe'.
Heinrich Vogeler: propagandistische, aber gelungenste Bildformen, 'Die Geburt des neuen Menschen' (1923), 'Winterkulturkommando' (1924); Ortsbezug: Hof 'Barkenhoff', reformistisches Jugendstilrefugium; Intellektuelle und Künstler, Mission per se: messianisches Fundament also. Jörg Immendorf, ab 1964 in der Klasse von Joseph Beuys, dessen Lieblingsschüler; Beuys´ Credo des Künstlerpropheten war für ihn Maß; „Baby“-Kunst und LIDL-Aktionen (1967), Befürwortung des Kommunismus, dabei 'die Religion des Selbst' und 'der Glaube an die Bruderschaft des Menschen'; 'Kunst zu schaffen' besteht darin, dass 'der Ursprung der Revolution dem Menschen innewohnt', u.a. mit: 'Dem Volke dienen', 'Teine Tunst mache' (1965), 'Lidl Baby mit Blume', übergroß, Acryl auf zugeschnittener Hartfaserplatte (1967), Blume in Cellophan.
Zwei Vertreter der „Inflationsheiligen“: Friedrich Muck-Lamberty (1891-1984), „Messias“ der deutschen Jugendbewegung, deutsch-völkisches und deutsch-christliches Gedankengut, mit der „Neuen Schar“ zog er umfangreich durch Thüringen, 'Tanztaumel', 'die Schar' (1920).- Ludwig Christian Haeusser (1881-1927), fand sich nach einem Erweckungserlebnis zum Propheten berufen, sah sich 'als neuer Christus, Tao und Zarathustra in einer Person', 'kooperierte etwa mit Baader', versuchte eine 'radikal-reformistische Weltanschauung' mit einem Sitz im Reichstag zu etablieren; 'Wählt H. zum Präsident' (1920, Plakat), 'Ich bin die Tat' (1920), Großfoto 'Cesare – Christus – Imperator'.
Ein sehr moderner Friedrich Schröder-Sonnenstern, vertreten mit frivol-skurrilen Menschenmotiven in Farbe und mit Strich auf Papier, 'Klein-Prophet', begann 1949 im Alter von 57 Jahren, war 'ohne jegliche Ausbildung', hatte 'Haeusser als Vorbild'.
Friedrich Hundertwasser, geb.1928 in Wien und 2000 an Bord der Queen Elizabeth im Pazifischen Ozean gest., überlebte mit Mutter, Großmutter und Tante in der Leopoldstadt (des Gettos) die Nazizeit, dank 'geschickten Verhaltens'; war von Schieles Bildern überzeugt, las mit 15 Roesslers 1948 erschienene Biographie, die etwas von der Strahlkraft von Fidus vermittelt.- Arthur Roessler, ebenfalls Wiener, war Prosaist, dem an Illustrationen rund um Diefenbach und seine Anhänger bzw. Kombattanten zu tun war. Hundertwasser war ein Raumschläger, er war Gesellschaftsprophet, bereiste die südliche Nähe und Ferne, war Widerständiger, ein Ökologe mit vernetzten Denkansätzen, auch von Haeckel und einem humanisierten Darwinismus sich herleitend. Seine Werke sind modern, haben etwas Scheinnaives, '151 Blutende Häuser' (1951), '676 Regen auf Regentag' (1968), '150 Singende Dampfer in Ultramarin III' (1952-1959), 'Die politische Gärtnerin' (1954).
Ausstellung, 'Begleitbuch' und Katalog ermöglichen, durch das Phänomen der „Künstler und Propheten“ sich eine tiefer reichende Erkenntnisstruktur anhand der nicht wenigen Personen - ihrer Entwürfe, Werke und Schaffensweisen in Zeiten, die sich über mehr als ein Jahrhundert erstrecken - zu verschaffen; wobei das Gebräu, aus dem geschöpft wird, in vielfältigen und ausgeprägten Quer- und Längsverbindungen – in Netzstrukturen - verquickt ist. Das könnte die Matrix für eine weiter in die Welt versetzte Erkenntnisweise von Strukturbeziehungen sein, die sich als künstlerische Kommunitäten über den gesamten Globus spannen. Das wiederum wäre der Ansatz auch für eine säkulare Gesellschaftsutopie. 'Begleitbuch' und Katalog sind hierzu umfangreiche Grundlagen
Info:
Schirn Kunsthalle, 'Künstler und Propheten', Eine Geheime Geschichte der Moderne 1872-1972, Frankfurt am Main ˑ Römerberg, 069/2998820, bis 14. Juni 2015