Serie: FRANKFURT LIEST EIN BUCH: Mirjam Pressler, „Grüße und Küsse an alle“ vom 13. bis 26. April, Teil 15

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zu den Veranstaltungen vor der offiziellen Eröffnung gehörte auch der Presserundgang zur seit dem 9. April laufenden Ausstellung von Hetty Krist im BILDERHAUS, bei der Gerti Elias und Mirjam Pressler dabei waren – aus gutem Grund, hat Hetty Krist doch die Fotos aus deren Buch über die Familie Frank zur Vorlage eigener Zeichnungen genommen.

 

Nicht schlecht, murmelte so mancher, denn stärker als eine genaue Abbildung einer Person geht es bei Porträts doch um das Einfangen einer Aura, so vorhanden, zumindest um Atmosphärisches um die Person herum. Da kommt einem gleich Buddy entgegen, noch als Kind, als Harlekin, was ihr, der Künstlerin – das betont sie besonders - so entgegenkäme, denn sie sei in die Commedia d'll Arte vernarrt und liebe deren Figuren sehr. Aber auch die Briefe haben sie verzaubert, weshalb sie daraus Zeichnungen machte. Viele der Bildnisse sind einem dann selbst vertraut, wenn man GRÜSSE UND KÜSSE AN ALLE kennt und damit auch die Abbildungen, zu denen ja auch Gemälde gehören, die Grundlage ihrer Abbildungen und was das Repräsentationsgemälde der Urgroßeltern angeht, schafften diese beiden respektablen Personen es auf die Einladungskarte zur Ausstellung, siehe unser Foto. Gerade darum geht es Hetty Krist: Altes, Vergangenes zurückzuholen in die Gegenwart, damit dies uns bereichert und wir den Fluß des Lebens nachvollziehen können..

 

Noch sind wir am Anfang des Lesefest und lernen die auf Hetty Krists Blättern kenntlichen Personen in den zwei Wochen noch viel besser kennen: die Geschwister Otto und Leni, Leni, die in Basel bleibt und die Söhne Buddy und Stephan bekommt, während dem Bruder Otto in Frankfurt noch die Töchter Margot und Anne geboren werden, die nun alle schon lange in Amsterdam leben. Und auch Herbert und Robert sind dabei, die weiteren Geschwister – alles Kinder der Alice und des Michael Frank, der so früh verstarb. Hetty Christ erläutert, was sie beim Fertigen auch zum Ausdruck bringen wollte. Man sieht eine distinguierte Familie, man sieht, woher diese kommt.

 

Buddy Elias hat es der Künstlerin besonders angetan, so manches Blatt zeugt davon, aber es wirkt auch auf die Besucher besonders, zumindest Mirjam Pressler hob deutlich hervor, daß ihr die Buddybilder am besten gefielen, weil es der Künstlerin wirklich gelungen sei, sein Wesen einzufangen. Welcher Kommentar würde eine Künstlerin glücklicher machen. Hinzu kommt aber, daß nun im Nachhinein, nachdem Buddy Elias unmittelbar vor dem Lesefest in Frankfurt gestorben ist, worauf er sich selbst so gefreut hatte, es auch wie ein Schicksalswink wirkt, daß sowohl die Autorin Mirjam Pressler ihn neben Alice und Leni als einen von drei Stellvertretern für die ganze Familie Frank in GRÜSSE UND KÜSSE FÜR ALLE herausgehoben hat, was Hetty Krist nachvollzieht. Man sieht Buddy jung, alt, verkleidet, groß, klein. Sehr genau schaut ihn seine Witwe Gerti Elias an und ist voll Dankbarkeit, wie intensiv sich die Künstlerin mit der Familie Frank-Elias beschäftigt hat.

 

Aber die Bilder der Familie Frank sind nur das Hervorstechende der Ausstellung in den Räumen des BILDERHAUSES. Es gibt weitere Blätter an den Wänden, die im weiten Sinn als Charakterisierung des Jüdischen, des Judentums dazugehören. Da ist einmal eine kolorierte Zeichnung von Marc Chagall, dem die Künstlerin sehr nahe steht und dessen Abgehobensein aus der Welt des schwerblütigen irdischen Seins sie darstellt. Chagall ein Träumer. Chagall ein Traum. Noch stärker interessiert uns dann ihr wandfüllendes Gesamtporträt, das sie jüdischen Komponisten zugedacht hat, eigentlich den österreichischen, aber in diesen musikalisch-jüdischen Stammbaum passen auch Deutsche.

 

Wissen diese nun wiederum, wie stark die Moderne, also die Moderne Musik von Wien und Wiener Juden geprägt war? Hetty Krist hat sie versammelt, hat Arnold Schönberg genauso porträtiert wie Hanns Eisler, seinen Schüler, eigenständig dann auch Ernst Krenek, Béla Bartók erkennen wir auch – sicherheitshalber steht auch immer ein Name nahe dem Gesicht – aber, ist dieser Ungar Jude? Das wollen wir eigentlich gar nicht genau wissen und scheuen uns, so etwas wie jüdische Musik nur in den Mund zu nehmen, weil es das nicht gibt. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, daß aus dem Judentum stammende Musiker viel freier, mutiger, waghalsiger auch mit der Musik umgingen, also die Traditionen durchaus sprengten, was die Grundlage für Innovationen bleibt. Und dennoch verstehen wir sofort die Trauer, die Hetty Christ durch die Ansammlung so unterschiedlicher Personen zum Ausdruck bringt, wenn wir dann noch Lotte Lenya, Kurt Weill und Paul Dessau sehen und lihre Namen lesen. Wie viel Begabung und kultureller Bodensatz ist den Deutschen und Österreichern durch die Verfolgung und Ermordung von Juden und Vertretern der Moderne verloren gegangen.

 

Aber speziell der Lebensweg der Lotte Lenya - von der die Deutschen auch nicht so genau wissen, daß sie Wienerin ist, nicht aber Jüdin - wäre viel bekannter geworden, hätte sie nicht gleich zweimal Kurt Weill geheiratet und schließlich seinetwegen Deutschland verlassen. Anders als die - ebenfalls bekannte Liebhaber anziehende - Alma Mahler, ließ sich Lotte Lenya allerdings nicht von den Männern von ihrer Kunst des Gesangs und auch Tanzes abbringen. 1933 ließ sie Kurt Weill erst einmal alleine ziehen und sich von ihm scheiden, was vom Vermögen her richtig war, denn so konnte sie die Habe von Kurt Weill bewahren, die sonst von den Nazis wegen seiner Flucht beschlagnahmt worden wäre. Sie hatte Affären, so auch mit Max Ernst, dessen Frauengalerie auch nicht schlecht ist, ging dann aber mit Weill in die USA, wo sie ihn erneut heiratete und sowieso die beste Seeräuberjenny blieb und auch die eindrucksvollste Anna aus den DIE SIEBEN TODSÜNDEN.

 

Ach, wir stehen immer noch vor diesem Blatt, dabei ist der Rundgang längst weiter und vertieft sich weiter in die Bilder, die den Fotografien aus dem Buch der Mirjam Pressler nachempfunden sind. Wir denken uns so, noch sind wir am Anfang des zweiwöchigen Lesefests, wir wollen am Schluß noch mal kommen, weil wir dann sicher die Familie Frank besser kennen als unsere eigene. Fortsetzung folgt.

 

Foto:

Die farbige Zeichnung von Elkan Jud Cahn und seiner Frau Betty, den Ururgroßeltern der Anne Frank,  nach einem Foto aus dem Buch

 

 

Info:

Die Ausstellung  ERINNERTES LEBEN - ZEICHNUNGEN UND GRAFIKEN VON HETTY KRIST läufr im BILDERHAUS bis  zum 9. Mai. Dort erfahren Sie auch mehr über die Künstlerin. Gleichzeitig dienen die Räume zweimal zu Lesungen von Jochen Nix im Rahmen von FRANKFURT LIEST EIN BUCH.

 

Mirjam Pressler/Gerti Elias „Grüße und Küsse an alle“

 

Die Geschichte der Familie von Anne Frank

Fischer Taschenbuch Verlag

432 Seiten. Kartoniert.

10,99

ISBN 978-3-596-18410-1

 

 

bis 9. Mai. Dort erfahren Sie auch mehr über die Künstlerin. Gleichzeitig dienen die Räume zweimal zu Lesungen von Jochen Nix im Rahmen von FRANKFURT LIEST EIN BUCH.

 

Mirjam Pressler/Gerti Elias „Grüße und Küsse an alle“

Die Geschichte der Familie von Anne Frank

Fischer Taschenbuch Verlag

432 Seiten. Kartoniert.

10,99

ISBN 978-3-596-18410-1