Serie: KYKLADEN. Große Sonderausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Teil 1

 

Felicitas Schubert und Gerhard Wiedemann

 

Mannheim (Weltexpresso) – Sehen Sie eine dieser  sparsam modellierten, kantig und irgendwie stilisierten Köpfe oder Halbporträts in hellem Stein, die nun das Landesmuseum bevölkern, Sie könnten glatt glauben, Sie seien in eine Kunstaustellung der wiedergefundenen Köpfe von Amadeo Modigliani geraten, die er, weil er sie nicht verkaufen konnte nach 1914, bei Livorno ins Meer geworfen hatte. Aber nein, diese Skulpturen hier sind  gerademal so etwa 5000 Jahre alt!!

 

 

Und daß es sich nicht um eine Kunstausstellung, sondern um eine kulturhistorisch aufbereitete Ausstellung über die Kykladen, die Inselgruppe in der Ägäis handelt, - die Ihnen übrigens viel bekannter ist, als Sie gemeinhin wußten, denn auch Mykonos und Santorin gehören zu dem Kreis, das bedeutet das Griechische kyklos, rund um das heilige Delos, dem strahlenden Gott Apoll geweiht, am bekanntesten doch wohl Paros (Marmor!) und Naxos -, das sehen Sie auf den ersten Blick.

 

Denn Sie erhalten an den Wänden und teilweise auch in den Vitrinen Informationen über das Leben der damaligen Zeit, so wie man es sich heute auf der Grundlage unseres Wissens und der Funde vorstellen darf. In dieser Ausstellung geht es also eindeutig um den Spielraum, den die Forschungsergebnisse über die Funde interpretierend möglich machen. Dieser Spielraum wird hinsichtlich von Wohnen, Essen, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Waffen, Spiele eindrucksvoll in die Gegenwart verlagert, will sagen, aufgrund der Anordung, die unserer heutigen entspricht, können wir uns den Umgang mit den Dingen auf dem Hintergrund unserer Erfahrungen vorstellen, was das umfangreiche Begleitprogramm dann wieder stärker in der Vergangenheit verortet. Das alles ist sehr interessant.

 

Dennoch gilt das Interesse des Besuchers natürlich diesen Idolen, wie sie genannt werden, diesen Idolen aus Marmor oder eben auch in Nachschöpfung in  Gips. Diese Figuren, einmal ähnlich und dann doch wieder im Detail völlig unterschiedlich, üben eine eigenartige Faszination aus. Wie die meisten Funde sind sie erst im 19. Jahrhundert bekannt geworden und waren vor allem für die Künstler Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts von abstrakte, rätselhafter, hermetischer Eigenwilligkeit, die für die einen Schönheit bedeutete – so für Picasso und die Avantgarde der Bildhauer – für andere primitive, nicht fertiggestellte Stücke – wie das Bildungsbürgertum befand.

 

Wahrscheinlich sind unsere Augen, die täglich mit Rechner und Fernsehschirm und dem bunten Leben überfordert sind, wieder auf ganz neue Weise von der Schlichtheit und dem inneren Ausdruck dieser Idole angetan. So wirken auf jeden Fall die Besucher, wenn sie besonnen und konzentriert mit den Bildnissen aus Stein Kontakt aufnehmen, sie betrachten, um sie herumgehen. Es liegt tatsächlich ein Zauber über diesen Stücken, den man wirken lassen darf. Und erst dann will man eigentlich wissen: was, wann, warum, wer und wie? Fortsetzung folgt.

 

Bis 22.April 2012

 

In Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität Heidelberg.

 

Katalog:

Kykladen. Lebenswelten einer frühgriechischen Kultur, hrsg. vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe, Lizenzausgabe der WBG, Darmstadt 2011. Man kann fast annehmen, daß die Besucher, die sich nach Karlsruhe aufmachen, um dort die Kykladenausstellung anzuschauen, besser: zu studieren, auch gerne den Katalog mit nach Hause nehmen, der einem die Fragen zu beantworten hilft, die sich beim Schauen ergeben, meist aber erst bald danach in den Kopf kommen. Sehr umfassend wird Ihnen alles auf jeden Fall in Worten, aber meist auch in Bildern vertieft nahegebracht, was Thema der einzelnen Ausstellungsteile ist: Lebensräume, Lebenswelten, Geistesleben, Nachleben und natürlich die Abbildungen aus der Ausstellung im Katalogteil 1- 142. Eine gute verläßliche Arbeit, dieser Katalog, den man als Vergleichsbeispiel für andere alte Kulturen auch gut gebrauchen kann.

 

www. landesmuseum.de