Professor Dietrich Wildung, Direktor a.D. des Ägyptischen Museums in Berlin, auf der ITB in Berlin

 

Claudia Schulmerich

 

Berlin (Weltexpresso) – Das geht in der Außenwahrnehmung unter, daß auf der ITB auch wissenschaftliche Vorträge stattfinden und Fachveranstaltungen mit Koryphäen der Fachdisziplinen. Dietrich Wildung gab in seiner Aufbereitung der aktuellen archäologischen Entwicklungen in Ägypten nicht nur perfekte Information, sondern beeindruckte die Zuhörer zudem durch sein Engagement und die hinreißende sprachliche Gestaltung des Vortrags.

 

Zusammengefaßt gilt: Die archäologischen Stätten Ägyptens – hier entlang dem Nils von Kairo nach Assuan und zurück,  sind in der letzten Zeit von allem neuzeitlichen Tourismusunrat befreit worden, sprich: die Autos sind auf entferntere Parkplätze verbannt, die Straßenhändler sind ebenfalls auf die Zugänge beschränkt, so daß weder Autos vor den Pyramiden weiterhin parken, noch das lästige Ansprechen der Händler die Aufmerksamkeit der Besucher stört. Man kann sagen, daß den Pyramiden und anderen Sehenswürdigkeiten ihre Würde zurückgegeben ist.

 

Zu diesem Komplex gehört auch, daß im Vorfeld der Pyramiden und Tempel vielfach lokale Museen gebaut worden sind, wo die Touristen erst einmal über die geschichtlichen und baulichen Besonderheiten des jeweiligen Orts informiert werden, einschließlich originaler oder imitierter Bauplastik bzw. Statuen etc, so daß sie dann  mit Kenntnis sich dem eigentlichen Vorgang des Betrachtens überlassen können, ohne daß vor den Objekten sich ein Reiseführer lauter als der andere Konkurrent produzieren muß. Eine köstliche Stille ist eingetreten, die das kontemplative Schauen fördert.

 

Denn, und auch das kam im Vortrag des Ägyptologen Wildung zum Tragen, die Baudenkmäler sind nie ohne ihre tiefe innere Bedeutung zu erfassen. Man muß auf die religiösen und gesellschaftspolitischen Grundstrukturen eingehen, will man nicht nur den Schausinn befriedigen, sondern auch den Geist Ägyptens in diesen Gebäuden und Bildnissen erahnen. Das brachte eine Vielzahl der Bildnisse nahe, die in Gestalten von Tieren oder tierähnlichen Abbildungen die ägyptischen Gottheiten repräsentieren, die man eigentlich schnell wiedererkennt, wenn man nicht unbedingt den ganzen Götterhimmel auf einen Schlag deuten will. Das geht schief.

 

Der andere wichtige Punkt - und in Deutschland wenig bekannt – ist die Tatsache, daß in den letzten Jahren eine Reihe von Ausgrabungen nicht nur wichtige Erkenntnisse über das Alte Ägypten gebracht haben, sondern die archäologischen Stätten selbst maßgeblich verändert haben: durch Freilegung alter Straßen, gefundener Bauten, ja durch Abreißen ganzer neuzeitlicher Straßenzüge und Stadtteile, Freilegung alter Komplexe, sind neue Blickachsen entstanden, die bisherige Bauwerke optisch verschieben, insgesamt einen neuen Blick auf das Alte Ägypten werfen lassen.

 

Diese allgemeine Aussage – und nur von uns hier zusammengefaßt – muß man konkretisieren, was Professor Wildung mit minütlich mehrmals  wechselndem Bildmaterial auch tat, das  wir aber im Umfang der vielen Stätten hier nicht mitreferieren können. Ergebnis ist aber, daß auch unsere Augen, die einen Großteil der archäologischen Stätten im Original gesehen hatten, diese nicht wiedererkannten, weil das Original nun mit weiteren Ausgrabungen noch originaler geworden ist. Zugespitzt sagte der Ägyptologie eindeutig: Wer schon mal in Ägypten war, der muß sofort wieder hin, so viel hat sich verändert. Wer noch nicht dort war, erst recht!

 

 

Es bleibt auch interessant, die Veränderungen im ägyptischen Alltag zu konstatieren, wie es der Vortragende – ebenfalls durch Bildmaterial unterstützt – vorbrachte. Er zeigte Ägypten als großen Schilderwald, Schilder, die insbesondere an Autobahnen und Einfahrtsstraßen auf die Bauprojekte hinweisen, von denen nicht alle – ein Glück! – verwirklicht werden. Alle Beispiele waren ihm Anlaß, darauf hinzuweisen, daß kein anderes Land eine derart kulturelle und historische Identität habe wie Ägypten. Und daß er sicher davon ausgehe, daß die letztjährigen Anstrengungen, das Alte Ägypten durch Ägypter selbst – mit Hilfe von Ägyptologen aus aller Welt  erforschen zu lassen, immer weitere Erfolge zeitige.

 

Unter dem nun abgesetzten Chef der Altertumsverwaltung  Zahi Hawass  hatte Ägypten einen beispiellosen wissenschaftlichen und konkreten Ausgrabungs-Aufschwung genommen. Das muß man auch deshalb so pointiert sagen, weil Hawass sich durch deutliche Worte (Nofretete in Berlin) nicht nur Freunde gemacht hat, erst recht nicht im eigenen Land, wo Mubarak ihn gewähren ließ. Es stimmt auch, daß Hawass recht eitel – alles unsere Worte – sich der Welt als ägyptischer Heros präsentierte. Aber lieber ein begnadeter Selbstdarsteller – wieder unsere Worte -, der sein Können und seine Energie in Wissenschaft einbringt, als jemand, der bürokratisch sein Amt verwaltet. Wir kennen den neuen Direktor nicht, werden uns aber informieren, wie es in Ägypten weitergeht. Auch dies kann man nur, wenn man hinfährt, wozu Professor Wildung die Fährten gelegt hatte. Das war ein wunderbarer Vortrag, substantiell auf einer Messe, die ansonsten vom Flüchtigen lebt.