Serie: TIERSTILLEBEN von der Renaissance bis zur Moderne in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe , Teil 2/2
Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar
Mannheim (Weltexpresso) –Wir waren bei den Marktszenen gegen Ende des 16. Jahrhunderts stecken geblieben, die auch soviel aussagen über die moralische Einschätzung bestimmter Tiere zum Menschen. Clara Peters ist es um 1611 mit „Stilleben mit Fischen“ gelungen, das erste Fischstilleben mit den glänzenden Schuppen und den mattschimmernden Messingleuchtern, einen deftigen Westerlwälder Krug, das sind diese grau-blauen mit Zinndeckel, in dem sich hier der Himmel und das Atelier spiegeln.
Es geht also auch stark um die Kunstfertigkeit des Malens, die mit solch einem Stilleben bewiesen wird, das vom Sujet her erst einmal nicht in die feine Welt gehört, Fisch, so hieß es, gehört auf den Markt. Erlaubt waren auch Marktbilder. „Tierstilleben als barockes Theater in der flämischen Kunst des 17. Jahrhunderts“ ist dann die nächste Abteilung, bei der wir schon ahnen, daß es mit den Tierstilleben so bald kein Ende nehmen wird. Denn jetzt sind wir dort angelangt, wo die Präsentation der Dinge, verbunden mit edlen Materialien, schönen Farben sowohl vom Reichtum der Natur, wie auch vom Reichtum der Besitzer solcher Dinge sprechen.
Die Vorstudie von Peter Paul Rubens um 1609/10, in der vier Fünftel des Bildes vom mit toten Tieren überbordenden Tisch ausgefällt sind, war uns neu, sie stammt aus dem Louvre, wie überhaupt von den 23 absolut hochkarätigen Gemälden dieser Abteilung nur zwei aus Karlsruhe selbst stammen: das „Jagdstilleben mit Papagei“ von Jan Flyt um 1650/55 und
Hier finden Sie herrliche Bilder von Jan Brueghel d.Ä. Hendrick van Balen, Pieter Boel, allein sieben von Frans Snyders – das „Stilleben mit Rehbock oder auch Wild, Hummer, Früchte und Gemüse ist besonders dekorativ, wenngleich auch schon ein Bild, das die Vergänglichkeit zum Thema macht. Dieser Bezug zum Tod für jedermann nun läßt die folgenden Maler nicht mehr los. In den Holländischen Jagd- und Fischstilleben des 17. Jahrhunderts ist aus dem Umkreis Rembrandts ein „jagdstilleben mit Rohrdommel und einem Mädchen“ zu sehen, das deutlich noch einmal zeigt, für was die toten Tiere hier stehen. Sie sind das Schöne und Abgestorbene gegenüber einer glänzenden Messingschale und dem Leuchten im Gesicht eines kleinen Menschleins. Der Mensch dominiert Natur und Dinge ist hier eine Aussage, die auch andere Bilder wiederholen.
Wäre ja auch sehr einseitig, sollten die Tierstilleben – hier rührt sich wieder der Zweifel, ob dieses Bild eines ist – immer nur die Schönheit und den Tod repräsentieren. Aber es bleibt dann doch ihre Hauptaufgabe, auch hier, „Der tote Hahn“, von Gabriel Metsu 1659/60 gemalt, ist nun schon mehr 350 Jahre tot, denn daß diese Bilder nach Modellen gemalt sind, das ist offensichtlich, was auch für „Stilleben mit toten Kaninchen“ gilt, wo wir erst nur eines sehen und dann die Augen die beiden sortieren. Ein Bild von Wallerant Vaillant um 1650 und in aller Schönheit auch traurig.
Überhaupt hat man nach den reisenden tierstillebenmalern von und nach Deutschland doch genug von den toten Tieren, die als Beutestücke des Menschen für Jäger - richtig gut, Joachim von Sandrart aus Frankfurt 1643, ein leider viel zu wenig be- und anerkannter Mann!, hier mit „Heimkehrender Jäger - oder für Maler herhalten müssen. Gäbe es nicht Chardin mit wunderbaren Stücken, wären wir sofort weitergegangen und hätten auf „Noblesse und Raffinement“ verzichtet. Und dennoch waren wir froh, die Wandlung der Gattung im 19. Jahrhundert als Weg in die Moderne dann vor uns zu haben. Erstaunlich, wie fast jeder Maler, der etwas auf sich hielt, solch ein Tierstilleben fertigte, auch die Impressionisten.
„Die formalen Experimente und psychischen Projektionen der Moderne“ schließlich konfrontieren uns mit Lovis Corinth, Ernst Ludwig Kirchner, vor allem Chaim Soutine, aber auch Fautrier, dem späteren Informelmeister, der hier schon die Form der Ente aufzulösen beginnt. Kokoschka, Beckmann, alle haben sich versucht und nach der Klassischen Moderne auch die heutige Zeit in Fotografien. Alles in allem eine so gehaltvolle Ausstellung, daß man noch lange an ihr zu zehren hat, aber auch zehren darf.
Bis 19 Februar 2012
Katalog: VON SCHÖNHEIT UND TOD. Tierstilleben von der Renaissance bis zur Moderne, hrsg. von Staatlicher Kunsthalle Karlsruhe, Kehrer Verlag Heidelberg, 2011. Wie es sich bei einem Thema gehört, daß es so bisher noch nicht gab, ist ein staatlicher Katalog zustandegekommen, der nicht nur die ausgestellten Werke in perfekter Druckqualität dokumentiert und dazu mit inhaltlichen Erläuterungen versieht, sondern wo darüberhinaus eien Vielzahl von Artikeln das Tierstilleben erst einmal in den wissenschaftlichen Fokus stellen. Da geht es um Definition, Geschichte und Rezeption, aber auch „Tiere malen und Bilder machen“ von Barbara Wetzel, speziell das niederländische Stilleben um 1600 bis 1800 oder auch Karl Wilhelm de Hamilton und seine Tierstudien im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Karlsruhe. Was der „Schöne Tod“ bedeuten kann, und am „Ende der Jagd“ passiert, von vielen Seiten her wird die NATURA MORTA beleuchtet, die in der Kunsthalle von den Wänden leuchtet.
www.kunsthalle-karlsruhe.de