Serie: TIERSTILLEBEN von der Renaissance bis zur Moderne in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe , Teil 1/2
Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar
Mannheim (Weltexpresso) – Das ist doch erst einmal gegen das Gefühl: Stilleben von Tieren. Denn Tiere sind etwas Lebendiges und wenn sie tot sind, dann sind sie tot. Aber unter Stilleben stellt man sich etwas Arrangiertes vor, so wie die Aufbahrung der „a scheene Leich“ oder eben tote Menschen, die wir aber nie und nimmer STILLEBEN nennen täten.
Wir sind auf der richtigen Spur, denn es gab Zeiten und gibt sie immer wieder, wo die Präsentation toter Tiere auf der Leinwand, auch in der Skulptur ganz unterschiedlichen Bedürfnissen entspricht: der Erinnerung, der Repräsentation – sei es, daß man sie als Jäger geschossen hat oder sie schön findet, der Fauna generell, der möglichst genauen Abbildung von Tieren beispielsweise, die man mit bloßem Auge kaum sieht, aber auch der Urwaldtiere, die man außer im Zoo auch nicht sähe, ach es gibt wirklich viele Motive, tote Tiere zu malen und zu sammeln.
Dennoch liegt einem der Begriff TIERSTILLEBEN schwer im kunsthistorischen Gemüt. Dieses Genre hatten wir nie als eines wahrgenommen und als wir lasen, daß es eines ist, „das es noch zu entdecken gilt“, da waren wir nach der Sicht der sehr oft großformatigen 120 Werke, davon 90 Leihgaben aus renommierten Museen über viele Räume verteilt, doch sehr einverstanden mit der Aussage des Museums. „Die Ausstellung veranschaulicht erstmals weltweit, wie sich die Funktion und Bildsymbolik der Tiersteilleben, aber auch der künstlerische Blick auf die wiederkehrenden Motive über die Jahrhunderte verändert haben.“
Schon der erste Blick auf Dürers „Tote Ente“ von 1502/12 als Aquarell überzeugt, daß es mit der damaligen Mode, erlegte Vögel aufzuhängen, auch um Naturstudien ging. Die Schönheit bringt dann Hans Hoffmann ins Bild. Denn seine blaugrüngefiederte „Tote Blauracke, an einem Nagel hängend“ von 1858, ebenfalls Aquarell mit Deckfarben, hat erstens noch den Schnabel wie in Aktion geöffnet, hat aber durch die Färbung des Gefieders einen Schaureiz, daß man darüber vergißt, ein totes Tier vor sich zu sehen. Wir erblicken die Ästhetisierung des Todes.
Mit der Marktszene von Pieter Aertsen um 1560 sind wir dann im Eingemachten, da nämlich wo in der Entwicklung der Kunst zweierlei beginnt. Das tote Getier wird auf dem Markt als Essensangebot für die Menschheit zusammen mit Gemüse und Allerlei offeriert, mit dieser Präsentation verbinden sich jedoch moralische Kritiken, bzw. Aufforderung zu anständigerem Verhalten. Wir sehen die Marktleute derart offensichtlich in anderen Gedanken als dem Verkauf, daß wir die geschlechtlichen Symbole der Früchte, des Fischs u.a. nur andeuten, wie auch, daß das neudeutsche Wort ‚vögeln‘ selbstverständlich aus dem Niederländischen kommt, wie diese Marktszenen auch, wo alte Männer in der Regel in den Händen Vögel gefangen halten wie hier.
Dennoch fällt uns spontan für die zweite, an der Wand dann im Text angebrachte Leitidee zu Joachim Beuckelaers Marktszene von 1567 und vor allem Fischmarkt um 1595 wiederum ein Bild seines Onkel Pieter Aertsen ein. Es geht um die malerische Emanzipation des normalen Lebens, die über den Umweg des christlichen Bildes in dieser Zeit von statten geht. Im Beuckelaer Bild sieht man im Hintergrund, das Ankommen Petri nach dem wunderbaren Fischzug auf dem See Genezareth – bei Fischmärkten also auch noch in innerlicher Korrespondenz. Aber eigentlich geht es um etwas anderes, was das Gemälde von Pieter Aertsen im Frankfurter Städel „Marktstück mit Christus und der Ehebrecherin“, 1559 noch viel deutlicher zeigt. Daß der bisherige Vordergrund der christlichen Szene in den Bildhintergrund rutscht, bis er demnächst über den Bildrand hinaus überhaupt nicht mehr sichtbar, weil nicht mehr nötig wird, da die Hauptsache, die Darstellung des prallen Lebens längst aus dem Vordergrund zum Hauptgrund wurde. Das ist die Emanzipation des bürgerlichen Bildes aus dem religiösen Zusammenhang.
Daß dennoch auch hier Ehebrecherin und die Marktleute einen gemeinsamen Kontext haben, zeigt dieser Aertsen so erotisch prall mit sexuellen Anspielungen wie kein anderes Bild. Allein es hängt nicht in Karlsruhe – warum? – und wir müssen uns beeilen, nicht bei den ersten Bildern und unserer Begeisterung an der Entwicklung der Kunst im 16. Jahrhundert stehen zu bleiben. Schließlich geht es um die Tierstilleben bis in die Moderne! Fortsetzung folgt.
Bis 19 Februar 2012
Katalog: VON SCHÖNHEIT UND TOD. Tierstilleben von der Renaissance bis zur Moderne, hrsg. von Staatlicher Kunsthalle Karlsruhe, Kehrer Verlag Heidelberg, 2011. Wie es sich bei einem Thema gehört, daß es so bisher noch nicht gab, ist ein staatlicher Katalog zustandegekommen, der nicht nur die ausgestellten Werke in perfekter Druckqualität dokumentiert und dazu mit inhaltlichen Erläuterungen versieht, sondern wo darüberhinaus eien Vielzahl von Artikeln das Tierstilleben erst einmal in den wissenschaftlichen Fokus stellen. Da geht es um Definition, Geschichte und Rezeption, aber auch „Tiere malen und Bilder machen“ von Barbara Wetzel, speziell das niederländische Stilleben um 1600 bis 1800 oder auch Karl Wilhelm de Hamilton und seine Tierstudien im Kupferstichkabinett der Kunsthalle Karlsruhe. Was der „Schöne Tod“ bedeuten kann, und am „Ende der Jagd“ passiert, von vielen Seiten her wird die NATURA MORTA beleuchtet, die in der Kunsthalle von den Wänden leuchtet.
www.kunsthalle-karlsruhe.de