Museum für Fotografie, Berlin am Bahnhof Zoo

 

Hanswerner Kruse

 

Das Berliner Museum für Fotografie beherbergt die Stiftung des 2003 gestorbenen Fotografen Helmut Newton. Wie schon oft präsentiert das Haus bisher ungezeigte Arbeiten Newtons mit Fotografien von Kollegen, diesmal mit dem jungen Szymon Brodziak (39) und dem wesentlich älteren Frank Horvat (87).

 

Man meint den Staub der Archive zu riechen, in denen eine attraktive junge Frau noch nicht verstaubt oder in den Aktenordnern verschwunden ist. Drei kleine, unscheinbare S/W-Fotografien führen in die geheimnisvolle Welt Brodziaks ein, die Frau gehört irgendwie nicht zum Ort, an dem sie abgelichtet wurde. Die wesentlich größeren S/W-Arbeiten in der Ausstellung widmen sich noch intensiver dieser Idee - eine Frau schwebt spektakulär in einer Baggerschaufel vor dem Himmel, andere verschwinden scheinbar in Landschaften oder Felsen, einer weht der Rock über den Kopf und sie wird zur Blume. Der polnische Mode- und Kunstfotograf macht das Alltägliche unwirklich, manchmal geradezu surrealistisch.

 

Die behutsamen und doch sinnlichen Frauenportraits Brodziaks hängen in der Nachbarschaft Newtons, eines Fotografen, dessen gesamtes Werk oft - zu unrecht - als sexistisch abgetan wurde. Natürlich fehlen nicht die erotisch aufgeladenen Bilder von Frauen, die sich nehmen, was sie wollen: Die nackte Grace Jones schaut verächtlich, mit einem die Männer vereisenden Blick in die Kamera, während sie sich ein männliches Model krallt. Newtons Kollegin und Lebensgefährtin June, zündet sich, wie selbstverständlich mit offener Bluse am Küchentisch eine Zigarette an. Es sind Fotos im Gleichgewicht zwischen intimen und voyeuristischen, scheinbar zufälligen und wohl doch inszenierten Momenten. Dazu passen auch die späten Doppelbilder Newtons von David Bowie oder Niki de Saint Phalle, die auf ihren Betten liegen und auf einem zweiten Foto Schubladen ihrer Nachttische öffnen.

 

Normale Tiere und Pflanzen, knutschende Paare, gebrauchte Autos, zerknülltes Bonbonpapier: Der Italiener Horvat hat in der Ausstellung sehr viele realistisch wirkende, fotojournalistische Arbeiten und allerlei skurrile Modefotos zusammengestellt. Das extreme Sammelsurium unterschiedlicher, kleinformatiger S/W-Fotografien von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart verwirrt zunächst mächtig den Betrachter. Erst am Ende begreift man das kuratorische Prinzip und flaniert gerne noch einmal durch die Säle: „House with fifteen keys“ (Haus mit fünfzehn Schlüsseln) nennt der Fotograf die Ausstellung, die er sein „Vermächtnis“ nennt. Horvat preist sein Glück, „70 Jahre lang in einer Welt fotografieren zu können, die sich rascher als in jeder anderen Zeitspanne veränderte.“ Man warf ihm oft „Eklektizismus“ vor, ein Stil oder eine fotografische Handschrift sei in seinem Werk nicht erkennbar - „so als wären meine Fotos von 15 verschiedenen Fotografen“, zitiert Horvat Kritiker.

Humorvoll hat er daraufhin für das Berliner Ausstellungshaus 15 „Schlüssel“ gefunden und seine Arbeiten entsprechend angeordnet: In „Two“ (Zwei) zeigt er Paare, eine Person mit einem Tier oder zwei Bäume. „The Real Woman“ (Die echte Frau) sind rauchende Frauen, Mütter mit Kindern, herausfordernde Akte. „Many“ (Viele) sind nackte Frauen-Hintern oder Beine, zahlreiche Finger oder starker Autoverkehr. Konservativ und doch besonders sind Horvats Modefotos, zum Model mit einem Hut von Givenchy drapiert er einige Männer mit Fernrohren, eine Frau in französischen High Heels bemüht sich, einen unrealistisch winzigen Eifelturm nicht zu zertrampeln.

Die Ausstellung ist erstaunlich gut besucht und noch bis zum 15. November 2015 geöffne

 

FOTO

Szymon Brodziak: The Flower. Lanzarote, Spain, 2014. © Szymon Brodziak

 

INFO:

Newton. Horvat. Brodziak“ im Museum für Fotografie, Berlin am Bahnhof Zoo. Di, Mi, Fr 10 - 18 Uhr, Do 10 - 20 Uhr, Sa, So 11 - 18 Uhr