Das ist das starke Geschlecht.“ Frauen in der Psychoanalyse in Wien ab 16. Oktober, Teil 2/2

 

Anna von Stillmark

 

Wien (Weltexpresso) – Von den sechs Frauen, die vorgestellt werden, ist sicher Freuds Tochter Anna Freud (hier im Bild) die bekannteste. Dabei fällt einem auf, daß es derzeit um Lou Andreas-Salomé eigenartig still geworden ist, während Marie Bonaparte und Emma Eckstein den Deutschen weniger bekannt sind, Helene Deutsch einen Namen hat und Sabina Spielreins durch den Film EINE DUNKLE BEGIERDE weltweit dem Vergessen entrissen wurde.

 

 

Die sechs Kurzporträts

 

 

Lou Andreas-Salomé (geboren 1861 in St. Petersburg, verstorben 1937 in Göttingen) beschäftigte sich noch vor ihrer Begegnung mit Freud mit weiblicher Sexualität und Selbstbestimmung. In ihrem 1899 erschienenen Artikel „Der Mensch als Weib“ kehrt sie die vorherrschende Meinung von der biologischen Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts um. 1912/1913 tauschte sie sich mit Freud zum Thema „Narzissmus“ aus – ein Jahr später führte dieser den Begriff des Narzissmus offiziell in die psychoanalytische Theorie ein. Sie lebte wie ein Mann, meinte ihre Umwelt, weil ihr einerseits ihre Arbeit vorging und sie andererseits sich – als eigenartig verheiratete Frau - die Liebhaber suchte, die sie haben wollte.

 

 

Anna Freud (geboren 1895 in Wien, verstorben 1982 in London) verwaltete das Vermächtnis ihres Vaters. Als Kinderanalytikerin lieferte sie den Nachweis, dass psychoanalytische Erkenntnisse auch auf die Kinderanalyse übertragen werden können. Ihr 1936 erschienenes Buch Das Ich und die Abwehrmechanismen wurde zu einem Klassiker der psychoanalytischen Literatur. Die Vater-Tochter Beziehung wäre auch wert, psychoanalytisch gedeutet zu werden, was immer wieder geschieht.

 

 

Marie Bonaparte (geboren 1882 in Saint-Cloud, Frankreich, verstorben 1962 in Gassin bei Saint-Tropez) ermöglichte 1938 die Flucht der Freuds. Sie veröffentlichte über 50 Aufsätze, rund 20 Bücher und übersetzte 12 Schriften Freuds ins Französische. Ihre erste psychoanalytische Arbeit „Der Fall Lefebvre. Zur Psychoanalyse einer Mörderin“ (1927) basiert auf einem Gespräch mit einer Frau, die ihre schwangere Schwiegertochter erschossen hatte. Da denkt man doch sofort, warum diese Studie nicht neu veröffentlicht wird.

 

 

Helene Deutsch (geboren 1884 in Przemyśl, verstorben 1982 in Cambridge, Massachusetts) gilt als Pionierin der Psychoanalyse mit Schwerpunkt „Weiblichkeit“. Als Präsidentin des Lehrinstituts der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) arbeitete sie an der Systematisierung der psychoanalytischen Ausbildung. Ihr 1944 bzw. 1945 auf Englisch verfasstes zweibändiges Hauptwerk Psychologie der Frau fand vor allem in den USA großes Interesse.

 

 

Emma Eckstein (geboren 1865 in Gaudenzdorf, verstorben 1924 in Wien) wirkte nach dem Abschluss ihrer Analyse bei Sigmund Freud als erste weibliche Psychoanalytikerin. In der Arbeiterzeitung vom 21. Oktober 1900 rezensierte Eckstein die Traumdeutung und machte Freuds Werk somit einer breiten Leserschaft zugänglich. In ihrem Buch Die Sexualfrage im Leben des Kindes (1904) betonte sie die Wichtigkeit einer vollständigen Sexualaufklärung durch die Eltern.Über sie wissen wir persönlich das Wenigste.

 

 

Sabina Spielreins (geboren 1885 in Rostow am Don, Russland, verstorben 1942 ebendort) Analyse bei Carl Gustav Jung und die angebliche Liebesbeziehung zu ihm lieferte Stoff für Theaterstücke und Filmproduktionen. Im Zentrum ihrer Abhandlung Die Destruktion als Ursache des Werdens (1912) steht die Widersprüchlichkeit des Begehrens zu den destruktiven Komponenten der Sexualität. Sie nahm damit Gedanken vorweg, die Freud erst Jahre später in Jenseits des Lustprinzips veröffentlichte.Sie ist durch den Film des Kanadiers David Cronenberg aus dem Jahr 2011 mit Keira Knightley als Sabina Spielrein, Michael Fassbender als ihr Geliebter C.G. Jung, Viggo Mortensen als Sigmund Freud und Vincent Cassel als Otto Gross als Frau zwischen den Psychoanalytikern weithin bekannt geworden.

 

 

Foto: Anna Freud im Jahr 1928; sie kommt im oberen Film auch vor und wird dort von Julie Chevallier gespielt © SFM

 

 

Info:

 

Das ist das starke Geschlecht.“ Frauen in der Psychoanalyse

Sonderausstellung im Sigmund Freud Museum

16. Oktober 2015 – 12. Juni 2016

Eröffnung: 15. Oktober 2015, 19 Uhr,

Konzipiert und kuratiert von Monika Pessler, Daniela Finzi und Johanna Frei

 

Sigmund Freud Museum

Berggasse 19

1090 Wien

Täglich 10-18 Uhr