Wechselseitige Rochade der höchsten Museumspositionen zwischen England und Deutschland, Teil 1/2

 

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nein, wir wollen jetzt keinen Rundumschlag mit der Auflistung aller Museumsposten wagen, die in Europa durch jeweilige „Ausländer“ besetzt sind. Die Möglichkeit gab es schon bisher, aber sie wurde sehr wenig genutzt.

 

So kann man an die Staatsgalerie Stuttgart erinnern, wo Sean Rainbird von 2006 bis 2012 Direktor war, aber auch an Frankfurter Museen, wo vor allem das alte Völkerkundemuseum zeitgenössisch in Weltkulturen Museen umbenannt, zwischenzeitig die in England geborene Clémentine Deliss als Direktorin hatte, wobei hier ein Direktorenposten von außen besonders einleuchtet. Was wir nicht mithineinnehmen, das sind wechselseitige Besetzungen im deutschsprachigen Raum, denn Österreicher und Schweizer sind hier seit Jahren vertreten, wie im Wechsel auch Deutsche in den beiden deutschsprachigen Nachbarrepubliken. Das ist normal.

 

Daß allerdings das V &A, eine wirklich nationale Institution in England, das 1852 gegründete Victoria und Albert Museum, genau vor vier Jahren von Martin Roth (1955 in Stuttgart geb.) übernommen wurde, das war eine Sensation, über die wir zwar berichtet hatten, die aber unserer Meinung nach in Deutschland viel zu wenig bekannt wurde. Schließlich ist ja Martin Roth nicht ein xbeliebiger deutscher Kunsthistoriker, sondern er war zehn Jahre lang, eben bis 2011, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, wo er die exzellente Kunsthistorikerin Sybille Ebert-Schifferer ablöste, die nach Rom gegangen war und hier in Hessen in solch guter Erinnerung ist: Von 1986 bis 1990 hatte sie die neugebaute Kunsthalle Schirn in Frankfurt mit glanzvollen Ausstellungen, vorwiegend Italiener des Barock, international bekannt gemacht, von 1991 bis 1997 war sie Direktorin des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt, wo sie noch heute einen hervorragenden Ruf besitzt, und von 1998 bis 2001 leitete sie die Generaldirektion der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.

 

Und jetzt verstehen Sie, warum die Berufung von Hartwig Fischer auf den für die Engländer überhaupt wichtigsten Museumsposten, den des Direktors des Britischen Museums, so vieler Worte wert ist. Denn der 1962 in Hamburg geborene Kunsthistoriker ist quasi Nachfolger von Martin Roth, da er 2011/12 zum Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ernannt wurde. Was übrigens bei den Besetzungen auffällig dabei war, das ist auch, daß alle drei Generaldirektoren aus dem Westen kamen, während Dresden davor international vor allem durch den – erst ab 1991 - Leiter der Gemäldegalerie Harald Marx bekannt war, der seit 1966 am Haus war und zu Zeiten der DDR auf den internationalen Symposien als Fachmann hochangesehen war.

 

Vielleicht noch ein Wort zu Dresden. Die Generaldirektion wird unter Museumsleuten immer als die höchste der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, weil sie inzwischen 14 Museen umfaßt, was natürlich auch für Berlin gilt, mit seiner doch auch hochkarätigen Generaldirektion unter Michael Eissenhauer. Da Dresden aber als Stadt überschaubar bleibt, und sich ein Museumsleben deshalb sehr viel stärker in öffentlicher Wahrnehmung abspielt, kann man sich vorstellen, daß so ein Generaldirektor ganz schön mit den Eifersüchteleien und gegenseitigem das Wasser- und die Finanzabgraben durch die einzelnen Museen, bzw. ihren Direktoren zu tun hat. Sicher ein Grund, daß Sybille Ebert-Schifferer - ebenfalls wie ihr Nachfolger Roth1955 , aber wie ihr Nachnachfolger in Hamburg geboren, zudem wie ihr Nachfolger Roth in Stuttgart aufgewachsen - so schnell Dresden verließ und sich in Rom seit 2001 als Direktorin der Bibliotheca Hertziana, des Max-Planck-Instituts für Kunstgeschichte, pudelwohl fühlt. Aber nein, so wollten wir das jetzt nicht verstanden wissen, daß alle Dresden fliehen.

 

Denn alle drei haben ja exzellente Angebote im Ausland angenommen. Vom V & A sprachen wir schon, und wenn wir vor Jahren nicht verstehen konnten, warum Neil Mac Gregor als Direktor der Londoner National Gallery aufhörte, weil er zum Direktor des Britischen Museums bestellt wurde, so muß man hinzufügen, daß ungeachtet dessen, daß sicher die Londoner profunde Gemäldesammlung mit ihren frühen Italienern und auch vielen Deutschen und Niederländern die schönste der Welt ist, doch für die Engländer gilt: Das Britische Museum ist das nationale Kultmuseum. Die Besetzung mit einem Ausländer, noch dazu mit einem Deutschen ist eigentlich ein unglaubliches, Ideologien versetzendes Unterfangen, was zeigt, daß der Zweite Weltkrieg inzwischen auch in London zu Ende ist.

 

Wir hatten die Besetzungsnachricht nur aus der Zeitung. Am 25. September war diese Meldung vom Weggang Fischers aus Dresden nach London über Amerika nach Deutschland gelangt. Aber sie stimmt, das zeigen die heutigen Reaktionen aus Sachsen, auf die wir im zweiten Teil kommen.

 

Erst noch ein Wort zu Neil MacGregor, dem wir vor Tagen schon einen Artikel widmeten, weil wir seine germanophile Arbeit immer bewunderten. Er kennt sich in der deutschen Malerei des Mittelalters und der Renaissance besser aus als als die allermeisten deutschen Kunsthistoriker. Und er ist in der Lage – ja auf Deutsch – seine Begeisterung und seine Fachkenntnis dem Zuhörer, Zuschauer weiterzugeben. MacGregor, also Vorgänger von Hartwig Fischer, kommt aus London nach Deutschland, wird demnach zum Gründungsintendanten einer Stätte in Berlin, die erst noch ausgebaut werden muß: dem Humboldtforum, das – angedacht – wohl einmal das kulturelle Zentren der an so herrlichen Museen kulturgesättigten Hauptstadt Berlin ist. Fortsetzung folgt.

 

P.S. Wir gehen heute nicht auf die auffällige Besetzung von sieben von zwanzig Museumspositionen in Italien mit Ausländern, drei davon mit Deutschen ein.