Im Gropius-Bau in Berlin ist die avantgardistische Fotografin Germaine Krull zu entdecken

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Der Berliner Gropius-Bau zeigt frühe avantgardistische Fotografien von Germaine Krull (1897 - 1985), die nach dem 1. Weltkrieg das „Neue Sehen“ stark beeinflusste.

 

Weiche entblößte Frauenkörper oder harte Maschinenteile, Clochards oder Can-Can-Tänzerinnen. Überraschende Vogelperspektiven oder verfremdende Details. Porträts mit viel Licht und Schatten oder bloß menschliche Hände. Die junge deutsche Fotografin schuf in wenigen Jahren ein vielfältiges und innovatives Oeuvre. „Zottel“, wie sie genannt wurde (und wie sie auf frühen Bildern auch aussieht), hatte eine schwierige Jugend. Dann war sie als junge Revolutionärin an der Münchener Räterepublik beteiligt. In der Sowjetunion warf man sie als Abweichlerin ins Gefängnis, da verging ihr schnell der Kommunismus: Mitte der 1920er-Jahre widmete sie sich in Amsterdam und Paris wieder der Fotografie.

Aber Krull blieb unangepasst und rebellisch, das beeinflusste ihren künstlerischen Blick. Ihr Interesse galt Frauen, von denen sie Akt- und erotische Bilder machte, der modernen Technik und dem Alltagsleben der „Kleinen Leute“. Gleich zu Beginn der Ausstellung scheinen halbnackte Aktmodelle eher im Liebesspiel versunken zu sein, als für die Kamera zu posieren. Auch später als Fotojournalistin widmete sie sich häufig den Frauen, fertigte eigensinnige Bilder von Fabrikarbeiterinnen, Tänzerinnen oder Künstlerinnen. Die Porträts sind oft verschwommen, surrealistisch doppelt belichtet oder stark schattiert. Eine Halbnackte würgt sich selbst mit schwarz behandschuhten Händen.

Krull gestaltete Fotobücher, einem neuen Genre des 20. Jahrhunderts. In „Frivolités“, so der Titel eines schmalen Büchleins, zeigt Krull nackte weibliche Rundungen aus eigenartigen Perspektiven. Im Band „Metal“ reduziert sie die Welt der Technik auf Details von Maschinen, Kränen oder Brücken mit harten Kontrasten. Die Nahaufnahmen verfremden die Objekte, sie scheinen gegenüber dem irritierten Betrachter ein Eigenleben zu führen.

Die von ihr festgehaltenen Lebenswelten der einfachen Menschen wirken formal und inhaltlich meist düster. Dienstmädchen vor einem „Kaufhaus“ oder ein „Jahrmarkt“ zeigen selten eine strahlende Welt. Dagegen präsentiert sie im Bilderbuch „Paris, Paris“ einhundert, überraschend freundliche Ansichten der Stadt.

Französische Künstlerkollegen wie Malraux oder Cocteau werden von Krull mit Händen im Gesicht abgelichtet. Bald jedoch führen Hände auf ihren Bildern ein Eigenleben, Krull will in „meiner Händesammlung“ die autonome Ausdruckskraft von Fingern zeigen. Für die damalige Zeit waren ihre Abzüge in Silbergelantine mit 15 x 20 cm überraschend groß. Die Fotojournalistin fühlte sich nicht vorrangig der Dokumentation verpflichtet, wie sie erklärte, „sondern der visuellen Seite der Dinge.“ In den späten 1930er-Jahren wurde es still um Krull, sie engagierte sich im französischen Widerstand und arbeitete für die alliierten Truppen. Nach dem 2. Weltkrieg lebte und fotografierte sie in Asien, lange führte sie in Thailand das Hotel „Oriental“. 1985 starb sie verarmt in Wetzlar (Hessen).

Die Arbeiten der Fotokünstlerin faszinieren auch nach vielen Jahrzehnten. Ihre Fotos sind von enormer Spannung und Dramatik und können uns immer noch das Sehen lehren! Konsequent gibt es an Sonntagen im Museum einfach Fotoprojekte mit Familien...

Foto:

© Estate Germaine Krull, Museum Folkwang Essen



Info:

Germain Krull: „Fotografien“ im Gropius-Bau Berlin bis zum 31. Januar 2016. Mittwoch bis Montag von 9 bis 19 Uhr geöffnet www.gropiusbau.de