Die teuersten Kunstwerke in internationalen Auktionen im Jahr 2015

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Überschrift haben wir mit Bedacht gewählt. Denn der Kunstkenner schreckt sofort auf, wenn er hört, daß ein weiblicher Akt von Modigliani für 152 Millionen Dollar verhökert wurde und daran denkt, daß der in Paris lebende Italiener zu Lebzeiten kein einziges Bild verkaufen konnte und bitterste Not litt, Hunger und Krankheit ihn begleiteten und er mit 35 Jahren starb.

 

Ist das nicht unglaublich, daß sein nur 59,9 mal 92 Zentimeter großes Ölbild NU COUCHÉ, das er 1917/18 malte, bei der Versteigerung von Christie's in New York am 9. November für brutto 170,4 Millionen Dollar gekauft wurde? Das Bild „Schlafender Akt mit geöffneten Armen“ spielt innerhalb der Aktbilder, die alle um diese Zeit entstanden und heute seinen Ruhm begründen, immer schon eine besondere Rolle, was sich daran zeigt, daß es so oft wie kein anderer Akt abgebildet wurde. Es gehörte der Sammlung Gianni Mattioli und wurde vom chinesischen Milliadär Liu Yiqian gekauft, der also einschließlich der Provisionen 170,4 Millionen Dollar auf den Tisch legte, woran man auch sieht, wenn der Zuschlag bei 152 Millionen Dollar erfolgte, wieviel diese Kunstindustrie an Kunst auf Aktionen verdient. Doch dies ist nur das zweitteuerste Bild.

 

Wie immer, wie könnte es anders sein, ist Picasso der Künstler, der den Höchstpreis 2015 erzielt. Dabei ist es ein Werk der Spätphase, die früher als schlecht und unausgewogen galt – das allerdings ist schon lange her. Es ist eine der Versionen ('O') von LES FEMMES d'Alger, die Picasso am 14. 2. 1955 datiert, 114 x 146,4 Zentimeter groß. Das Gemälde wurde am 11. Mai bei Christie's in New York versteigert, man spricht von einer Bruttoausgabe von 179,4 Millionen Dollar, dem teuersten Bild überhaupt, und man spricht davon, daß der Käufer Hamad bin Jasim bin Jaber Al Thani ist. Dieser war früher Premierminister von Qatar. Man müßte jetzt recherchieren wo sich die anderen Versionen des Sujets befinden, wann sie gekauft oder verkauft wurden, aber es drängen sich die anderen teuersten Kunstwerke vor, die von 12 Exemplaren insgesamt 11 Mal Wandbilder sind, von denen elf Gemälde sind und eins ein Siebdruck 'homme au doigt“. Von wem? Natürlich von Andy Warhol, dazu später.

 

Denn jetzt geht es um die einzige Skulptur, um Alberto Giacomettis „L'homme au doigt“, 1947 in Bronze gestaltet, einer seiner dünnen Männer in einer Höhe von 177,5 Zentimeter. Die Bronze erhält bei 126 Millionen Dollar den Zuschlag. Auch dies war in der Frühsommeraktion am 11. Mai 2015, auch dies wurde durch Christie's in New York verkauft. Wenn nun auffällt, daß die ersten drei teuersten Werke in New York verkauft wurden und die Frage auftaucht, wann denn in London die letzten Großauktionen waren, zeigt sich, daß sogar alle zwölf teuersten Kunstwerke des Jahres 2015 in der Neuen Welt ver/gekauft wurden.

 

Die drei teuersten Werke kann man als Exemplare der Klassischen Moderne bezeichnen. Das viertteuerste ist von Roy Lichtenstein. Also Pop. „Nurse“ hat er 1964 gemalt, Öl und Magna auf Leinwand, 121,9 x 121,9 Zentimeter. Den Zuschlag erhielt der Käufer bei 85 Millionen Dollar am 9. November – und schon wieder bei Christie's in New York. Auch das nächste, das fünftteuerste Werk gehört in die Nachkriegszeit: Mark Rothko hat „No.10“ 1958 in Öl auf Leinwand gemalt, in den Dimensionen, die große Wände voraussetzen: 239,4 x 175,9 Zentimeter. Für 73 Millionen Dollar ging es am 13. Mai weg, schon wieder bei Christie's in New York.

 

Erstaunlich, wie hochangesehen bei den Käufern das 20. Jahrhundert ist, denn auch das sechstteuerste Werk gehört in die Amerikanische Kunst der Sechziger. Es handelt sich um Cy Twomblys „Untitled (New York City), 1968 mit Wandfarbe und Wachskreide auf Leinwand gefertigt in beachtlicher Größe von 172,7 x 228,6 Zentimeter. Den Zuschlag gab es bei 62,75 Millionen Dollar, ebenfalls bei der Auktion am 11. November in New York – aber das erste Werk, das Sotheby's verkaufte.

 

Für das siebtteuerste Werk mußte man 60 Millionen Dollar aufbringen – und das gleich zweimal, denn zwei Picassos kamen auf diese Summe, weshalb es die Nummer 7a und 7b gab. Ersteres ist von Pablo Picasso „Buste de femme (Femme à la résille), das er am 12. Januar 1938 zeichnete, 65,1 x 54 Zentimeter und am 11. Mai bei Christie's in New York versteigert. Auch 7b kostete 60 Millionen Dollar, auch 7b ist ein Picasso, 81,3 x 54 Zentimeter – von 1901, also der frühen Phase und am 5. November bei Sotheby's in New York versteigert worden.

 

Endlich! Als Nummer 8 erscheint ein Van Gogh, der in der Vergangenheit Bilder in die unerhörten Dollarhöhen bei Versteigerungen führte.Es geht um ein eher untypisches Bild „L'Allée des Alyscamps“ von 1888, 91,7 x 73,5 Zentimeter für 59 Millionen Dollar am 5. Mai bei Sotheby's N Y versteigert. Auch Platz 9 wird bei der Summe von 50 Millionen Dollar auf zwei Werke vergeben. Lucian Freud hat mit „Benefits Supervisor Resting“ eine nackte, sehr fette Frau in eine Couchecke gelagert – und das in einer Größe von 150,5 x 161,2 Zentimeter. Das war 1994 – und ist das jüngste der 12 teuersten verkauften Kunstwerke 2015 – am 13. Mai bei Christie's in N Y.

 

Für die gleiche Summe wurde Andy Warhols „Colored Mona Lisa“, 1963 als Siebdruck hergestellt, 319,7 x 208,6 Zentimeter, am 13. Mai bei Christie's in New York versteigert. Auf Platz 10, aber angesichts der Doppelfolgen das zwölfte Werk, ist von Claude Monet, auch er einer mit den höchsten Zuschlägen auf Auktionen. Am 5. Mai erbringen bei Sotheby's in N Y „Nymphéas“, 1905, 81 x 100,5 Zentimeter 48 Millionen Dollar.

 

Nun ist es zwar interessant und auch richtig, sich über versteigerte Bilder Gedanken zu machen, aber grundsätzlich muß man auch an das Prinzip Zufall denken. Werke werden i.d.R. nicht verkauft, wenn jemand Geld braucht, sondern aus so unterschiedlichen Gründen, auf die wir ein andermal eingehen wollen. Für heute ist wichtig, daß von den zwölf teuersten Auktionswerken elf aus dem 20. Jahrhundert sind. Nur der Van Gogh stammt von 1888. Innerhalb des 20. Jahrhunderts gehören von den elf Werken sechs in die zweite Jahrhunderthälfte und fünf in die Zeit vor 1950. Das letzte Gemälde ist dabei Lucian Freud von 1994. Fortsetzung folgt erst im Januar 2017.