Ein heiliger Antonius als echter Hieronymus Bosch entdeckt. Auftakt zur Ausstellung in seinem Geburtsort ’s-Hertogenbosch
Robert Matta
’s-Hertogenbosch (Weltexpresso) – Kleine Sensation, für die Kunst eine mittelgroße und vor allem für Hieroymus Bosch Liebhaber eine große: Die Versuchung des heiligen Antonius aus Kansas City, bisher einem Nachfolger zugestanden, ist ein echter Bosch!
Diese Entdeckung wurde am gestrigen Montag von Forschern des Bosch Research and Conservation Project (BRCP) bei einer Pressekonferenz im Noordbrabants Museum bekannt gemacht, wo am 13. Februar die Retrospektive Hieronymus Bosch für die Allgemeinheit eröffnet wird. Das Gemälde wurde der Presse in Anwesenheit von Julián Zugazagoitia, dem Direktor des Nelson-Atkins Museum of Art, präsentiert.
Dank der weltweiten Forschungen des BRCP konnte festgestellt werden, dass Die Versuchung des heiligen Antonius aus Kansas City niemand Geringerem als Hieronymus Bosch selbst zugeschrieben werden muss. Jahrzehntelang stand das Gemälde als Werk eines Schülers oder Nachfolgers von Bosch im Depot des Nelson-Atkins Museum of Art in Kansas City (USA). Diese neue Zuschreibung bedeutet eine nicht unwesentliche Erweiterung des kleinen OEuvres von Bosch (um 1450 ’s-Hertogenbosch – 1516 ebenda).
Bosch ist der Maler, der für Heutige durch seine aberwitzigen Figuren und phantasievollen, ja skurrilen malerischen Wiedergaben von Lüsten und irdischen sowie höllischen Strafen Bilder vorgibt, die man in Filmen und Videos sowie in Comics wiederfindet. Sein Werk ist eine Entdeckungsreise in das, was Menschen überhaupt vorstellbar ist.
Die Entdeckung
Das vom BRCP entdeckte, um 1500-1510 zu datierende Werk wird der Öffentlichkeit erstmals im Rahmen der Hieronymus Bosch gewidmeten Retrospektive gezeigt, die ab dem 13. Februar 2016 im Noordbrabants Museum zu sehen ist. Der Kunsthistoriker und Koordinator des BRCP, Dr. Matthijs Ilsink, spricht von einer „kleinen, aber wichtigen Hinzufügung zum Oeuvre Boschs. Diese Entdeckung zeigt den großen Wert des ausgezeichneten Dokumentationsmaterials, das das BRCP von Boschs Werk angefertigt hat und über die Website boschproject.org zugänglich machen wird.“ Die Retrospektive Hieronymus Bosch – Visionen eines Genies beruht auf diesen umfangreichsten und internationalsten Forschungen, die je zu den seltenen Gemälden und Zeichnungen Boschs angestellt wurden. Nie zuvor sind so viele Werke Boschs in seine Heimatstadt ’s-Hertogenbosch und damit an den Ort ihrer Entstehung zurückgekehrt. Dabei war auch die letzte große Ausstellung dort phänomenal und man dachte, daß sei für lange die umfangreichste Schau gewesen.
Erkennbare Technik
Auf dem kleinen Tafelbild ist der heilige Antonius zu sehen, erkennbar an dem T-förmigen kleinen Kreuz auf dessen Mantel. Mit der linken Hand stützt er sich auf seinen Stab und mit der rechten füllt er einen Krug mit Wasser. Der Heilige sieht sich in seinem Gott geweihten Dasein durch eigenartige Wesen bedroht, die ihn umgeben. Die Darstellung wurde bei einer Restaurierung im 20. Jahrhundert stark retuschiert und übermalt, doch ist Boschs Hand in der ursprünglichen Pinselführung noch deutlich erkennbar. Durchschaut man diese späteren Hinzufügungen, wird klar, wie sehr diese Antonius-Darstellung zu besonders dem linken Flügel des Eremiten-Triptychons in der Gallerie dell’Accademia in Venedig passt, der demnächst auch in ‘s-Hertogenbosch zu sehen ist.
Mithilfe von Infrarot-Fotografie und -reflektografie wurden von den Forschern des BRCP zudem Unterzeichnungen sichtbar gemacht. Diese passen perfekt zu den Befunden auf anderen Tafelbildern aus dem Kern des OEuvres von Hieronymus Bosch. Mit einem recht dicken Pinsel wurde mit einem wässrigen Medium suchend und in groben Zügen vorgezeichnet, wie die Darstellung auf der Bildtafel aussehen sollte. Dieses Suchen in der vorbereitenden Zeichnung unter der Malschicht findet sich in nahezu allen anderen Werken von Hieronymus Bosch. Dort wie hier nahm er anschließend beim Malen weitere Änderungen in der Darstellung vor. Daneben arbeitet Bosch mit verschiedenen Farben in der noch nassen Malerei, etwa bei Kopf und Flügel des an Land gekrochenen fliegenden Fisches auf dieser Antoniusdarstellung. Durch diese Arbeitsweise erreicht er den für ihn so charakteristischen malerischen Effekt.
Erkennbare kleine Monster
Die Darstellung des knienden und Wasser schöpfenden Antonius in einer Umgebung mit
merkwürdigen Wesen lässt sich bis ins Detail in Boschs weiteres OEuvre einpassen. Die Figur des Heiligen weist starke Übereinstimmungen mit dem Antonius auf dem linken Flügel des Eremiten-Triptychons auf und ist auch mit einer wasserschöpfenden kleinen Monsterfrau auf der Mitteltafel des Jüngsten Gerichts in Brügge verwandt. Die kleinen Monster auf dem Bild sind typisch „Bosch“. Das unter einem Trichter versteckte Kleinwesen, das Ungeheuer mit dem Fuchskopf, die Figur mit dem Schnabel eines Löffelreihers, der Schweinefuß auf der schwimmenden Tischplatte, die aus dem Wasser kletternde Kröte und die schwimmende Wurst, sie alle lassen sich in anderen Werken von Boschs Hand wiederfinden.
Ein Fragment
Die Bildtafel ist das Fragment eines ursprünglich viel größeren Tafelbildes, denn sie ist an
allen Seiten beschnitten. Das Holz ist etwa 4 Millimeter dick und die Rückseite zeigt das nackte Eichenholz. Das Fragment ist der zentrale Teil eines Gemäldes mit dem heiligen Eremiten als Hauptfigur, das vielleicht ein Flügel eines zerlegten Triptychons gewesen ist. Um den Heiligen herum war vermutlich eine viel größere bedrohliche Umgebung dargestellt, ähnlich dem linken Flügel des Eremiten-Triptychons.
Das Fehlen eines unmittelbaren malerischen Kontexts ist bis heute der wichtigste Grund gewesen, die Eigenhändigkeit dieses Gemäldes anzuzweifeln. Dank der enormen Menge an neuem Dokumentationsmaterial, welches das BRCP von diesem Gemälde ebenso wie von dem übrigen OEuvre des Meisters angefertigt hat, kann dieses Fragment jetzt doch zuverlässig Bosch zugeschrieben werden.
Heilige
Die Heiligenverehrung erlebte in der Zeit, in der Hieronymus Bosch lebte, einen großen
Aufschwung. Bei der Wiedergabe von Heiligen führte Bosch die bestehende Bildtradition fort. Seine Auftraggeber und Zeitgenossen sollten die dargestellten Heiligen schließlich erkennen können, um sich im Gebet an sie zu wenden. Zugleich jedoch hat Bosch der Tradition eine eigene und kreative Interpretation gegeben. Heilige, die er öfter darstellte, waren Hieronymus (sein Namenspatron) und wie hier Antonius (der Namenspatron seines Vaters). Beide waren im Spätmittelalter beliebt. Sie hatten sich einen Teil ihres Lebens als Einsiedler in die Einsamkeit zurückgezogen.
Foto:
Gemäldedetails:
Hieronymus Bosch
Die Versuchung des heiligen Antonius (Fragment)
Katalognummer 45
Um 1500–1510. Öl auf Eichenholz (38,6 x 25,1 cm)
Kansas City, Missouri, The Nelson-Atkins Museum of Art, William Rockhill Nelson Trust (c)