Serie: Das Gemeentemuseum Den Haag vereint die alten Meisterwerke und die Moderne, Teil 4/5
Claudia Schulmerich
Den Haag (Weltexpresso) – Zwei auf einen Streich also. Zwei Ausstellungen, die mit unterschiedlichem Anspruch einmal die herausragende Sammlung des Mauritshauses mit Werken von der Renaissance bis zum Goldenen Zeitalter und danach zeigt, und die ein andermal mit der klassischen, der Bildung verpflichteten chronologischen Museumshängung Schluß macht und den Besucher nicht auf das Bestaunen und Abhaken der Wunderwerke der Bilder der Moderne reduzieren möchte, sondern ihm eine neue, aktive Rolle in der direkten Konfrontation, der unmittelbaren Diskussion mit dem Kunstwerk zuweisen möchte.
Sollen wir ehrlich sein? Der Anspruch ist ehrenwert, aber es gibt so viele Wege nach Rom wie es Möglichkeiten der Annäherung an ein Kunstwerk gibt. Und wäre nicht eigentlich das non plus ultra für einen Museumsbesuch, daß der erwartungsvolle Kunstfreund erlebt, daß die Bilder miteinander sprechen und sich in ihrer Verschiedenheit und Ähnlichkeit auf einen Diskurs begeben, wo der Besucher schaut und staunt und verstehen und kombinieren lernt und am Schluß weiß: Kunst entscheidet sich in seiner Bedeutung für jeden einzelnen, für dessen Seele, dessen Herz und auch dessen Kopf individuell. Kunst liegt immer im Auge des Betrachters.
Von daher ist uns die Hängung im Gemeentemuseum, die eine anspruchsvolle Sammlung zeigt, lieb in ihrer Verschiedenartigkeit zur klassischen bildungsbürgerlichen historischen Ausstellungsweise, die wie im Frankfurter Städel – unterteilt nach Schulen: italienische, deutsche, niederländische - eh für Alte Kunst aussagekräftiger ist als sie für die Zeitgenossen wäre, die aber auch in ihrem zeitlichen Bezug auf die Moderne, auf Impressionismus, Expressionismus, Neue Sachlichkeit etc. sehr aussagekräftig bleibt, da bestimmte gesellschaftliche Strukturen – Kirchenkunst, das höfische Zeitalter, das bürgerliche, die Adelsgesellschaft, der Absolutismus, das 19. Jahrhundert, die Demokratien – eben auch spezifische Kunstformen und auch prägende inhaltliche Sujets mit sich brachten.
Wichtiger ist das Engagement, das Museumsdirektor Benno Tempel in seine Arbeit einbringt in einem Haus, das so geräumig und wohnlich gleichzeitig ist, daß es eine Freude ist, Bilder und Skulpturen in diesem schönen Dreißigerjahrebau - und noch Art Deco! – mit den Lichtfluten von oben anschauen zu können und sich in die Geschichten einwickeln zu lassen, die die Bilder erzählen. Denn der Mensch neigt grundsätzlich dazu, allen Dingen, auch totem Gemälde, einen Sinn zu unterstellen, weshalb zum Beispiel auch drei runde Kreise auf der Leinwand innerlich Erzählanlässe anbieten. Das ist das Wunderliche an der Abstrakten Kunst, daß ihre Werke durch die Verweigerung des Gegenständlichen der Phantasie des Menschen erst recht Anlaß zum Fühlen und Vermuten geben und ihn flugs in transzendentale Zustände bringen, wenn dieser es zuläßt und sich geistig gehenläßt.
Man sieht, schon allein Aussagen zur Konzeption der Hängung führen zu philosophischen Abhandlungen. Schauen wir die Bilder direkt an, die Benno Tempel in fünf Themenbereiche gliedert: Stillstand und Bewegung, Kind und Wilder Mann, Bewahren und Versuchen, Spiel und Utopie, Ungemach und Aneignung. Schwierige Titel, wenn man die Bilder dazu nicht sieht, aber eben auch der Versuch des Museums zur Neuhängung methodische Fragestellungen und Wertungen dem Besucher nicht vorzuenthalten, sondern ihn mit auf eine Reise zur weiten Welt der Bilder der Moderne zu nehmen.
Katalog:
Benno Tempel, Discover the Moderne, Gemeentemuseum Den Haag, W Books Zwolle 2012
Den Katalog zur Neupräsentation der Sammlung gibt es auf Holländisch und Englisch. Leider kommen noch zu wenige Deutsche, als daß dies mit deutschen Ausgaben bedient würden. Gut, daß die Einführung durch den Direktor auch Fotos vom Inneren und Äußeren des ansehnlichen Museumsbau zeigen, der ein Art Deco auf dem Weg zum Bauhaus oder danach zeigt. Unter den fünf Oberthemen, nach der die Bilder mit dem Anspruch des direkten Dialogs mit dem Besucher gehängt sind, finden wir dann die uns liebe Zusammenballung von Landschaftsbildern, bei denen in den Niederlanden die Seestücke nie fehlen. Erneut ist es ein Monet, hier FISCHERNETZE IN POURVILLE von 1882, der wie die Inkarnation des Impressionismus persönlich erscheint. Willem Maris, bei uns weniger bekannt, steuert die ländlichen und die Viehszenen nach 1860 bei.
Der Katalog bringt also nicht Einzelbesprechungen der Bilder, sondern stellt diese in den Zusammenhang seines jeweiligen Oberthemas.