Serie: Das Gemeentemuseum Den Haag vereint die alten Meisterwerke des Mauritshauses und die Moderne, Teil 3/5

 

Claudia Schulmerich

 

Den Haag (Weltexpresso) –Die Holländische Landschaft war ja nicht nur durch Breughel vertreten, sondern diese Thematik wurde zum Sinnbild der Wohlanständigkeit, mit der die reich gewordenen Bürger im Goldenen Zeitalter ihre Wohnzimmer dekorierten. Hier zeigt das winterliche Holland Hendrick Avercamp AUF DEM EIS von 1610, ebenfalls kulturgeschichtlich höchst interessant, will man wissen, wie man dazumal auf Kufen fuhr und welche Kleidung man dazu anlegte.

 

Auch die Stilleben muß man anführen, denn sie sind die zweite Gruppe von Gemälden, die sich nun den Platz an der Wand erobern, sei es das sie nur zum Zwecke der Dekoration die Blumen blühen und die Früchte so reifen lassen, daß man hineinbeißen möchte, oder mit dem Schuß Vanitas die beginnende oder potentielle Vergänglichkeit unseres Lebens gleich mit in das Bild hineinmalen.

 

Hier sind auch Caesar van Everdingens TROMPE-L‘OEIL MIT VENUSBÜSTE aus dem Jahr 1665 und Adriaen Coortes STILLEBEN MIT ERDBEEREN von 1705 versammelt. Ersteres ein modern anmutendes Gemälde, das einen surrealen Eindruck macht und man gleich Dalí weiter denken muß; letzteres wieder ein Beweis dafür, daß Manets Spargel nicht die erste Darstellung von simplem Gemüse und Obst in der Kunstgeschichte ist. Dieses kleine Gemälde wirkt hinreißend.

 

Porträts wären die nächste Gattung, die hier vorgestellt werden. Jeder weiß von deren Meisterschaft, die in Holland Standard wurde, weil auch die gesellschaftliche Situation solche Bemälde zum Zwecke der Repräsentations brauchte. Das Historienbild ist eine weitere thematische Gliederung, die wir hier noch auf dem Höhepunkt sehen – schließlich war sie höchste der Gattungen und umfaßte nicht nur historische, sondern auch mythische und christliche Stoffe - , aber schon verfolgt von den bürgerlichen Szenen und Themen, die sich ein Reicher zunehmend noch lieber an die Wand hängte, weil sie seine Welt zeigten, seiner Realität entsprachen.

 

In diesen Kontext gehört hier eigentlich Joachim Beuckelaer mit seiner KÜCHENSZENE MIT CRISTUS AUF DEM WEGE NACH EMMAUS von 1560-1565, das in dieser Ausstellung schon am Anfang bei den Frühen Niederländern hängt, was genauso richtig ist. Es zeigt beispielhaft diesen Prozeß, wo ein Bild noch eine christliche Szene im Titel hat, diese aber im Bild selbst an den hintersten Rand gedrängt wird, weil das überbordende Marktgeschehen, einfach die Fülle des Lebens zeigt, den Reichtum von Natur und was der Mensch sich leisten kann. Die neue Bürgerlichkeit trumpft auf.

 

Weiter geht es. Schon wieder ein Höhepunkt: Rembrandt. Dies weltberühmte Bild der ANATOMIE DES DR. TULP, auch ANATOMIESTUNDE, weil wissenschaftliche Lektion an einem frisch gehenkten Stadtgauner, ist von einer Wucht, daß wir uns vorgenommen haben, ein andermal gesondert darauf einzugehen. Schließlich sind die Bilder nun für zwei Jahre hier im Gemeentemuseum beisammen und es ist sowieso ein Vorurteil, man habe mit einem einmaligen Schauen eine Ausstellung mental und emotional ‚abgehakt‘. Dann können wir nicht nur Rembrandt auch mit seinen weiteren Bildern würdigen, sondern die völlig zu kurz gekommenen Alltagsszenen, d.h. Das häusliches Genre und vor allem auch die Landschaftsbilder würdigen, bei denen in den Niederlanden die Seestücke und Stadtansichten dazugehören und deren hier eingebetteten Architekturbilder von Pieter Saendredam sowieso unsere Lieblinge sind. Und dann kommt auch Paulus Potter mit seinem STIER zu seinem Recht. Ein tolles Bild auch dieses. Fortsetzung folgt also ein andermal.

 

Katalog:

Masters from the Mauritshuis at the Gemeentemuseum the Hague, hrsg. Von Quentin Buvelot und Epco Runia, Royal Picture Gallery Mauritshuis Foundation, The Hague 2012, Der Titel täuscht, den der wahrlich tierisch schauende Stier, Detail von Paulus Potters Inkunabel der Tierlandschaft von 1647, entspricht zwar diesem besonderen Bild, hat aber mit der Feinsinnigkeit der meisten Gemälde nichts zu tun. Deshalb kommt auch als Gegenüber des Vorworts der Direktorin Emilie S.S. Gordenker Vermeers Stadtansicht von Delft im Ausschnitt, die sozusagen die gesamte Auswahl leuchten läßt. Noch in der Einleitung sieht man auch eine Aufnahme aus der gegenwärtigen Hängung im Gemeentemuseum, die zeigt, welche starken Kontraste diesen Bildern zu Gute kommen. Auf dunklem Grün die einen und leuchtend auf rotem Grund die anderen.

Erst einmal wird das Mauritshaus beschrieben, 1652 als Königliche Bibliothek erbaut, und die beabsichtigen baulichen Erneuerungen beschrieben sowie die Sammlung charakterisiert. Dann erfolgt ebenfalls eine Würdigung des 1935 erbauten Gemeentemuseum. Den Anfang machen aus der Sammlung das Goldene Zeitalter und die frühen Niederländer, einschließlich Hans Holbein d.J. und Joachim Beuckelaer. Das Prinzip dieses Handbuches versteht man sofort, daß nämlich erst eine kurze Einleitung zu den thematischen Hängungen erfolgt und dann die einzelnen Bilder, mit allen notwendigen Angaben versehen, auch noch eine inhaltliche Gewichtung erhalten. Auf Englisch. Den Katalog gibt es auch auf Holländisch.

 

Mauritshuis in focus, ist ein weiterer kleinerer Führer, denn Emilie Gordecker, Mauritshuis und ihr Kollege Benno Tempel vom Gemeentemuseum gemeinsam verantworten und der die Kurzversion des richtigen Kataloges ist.

 

Für Kinder:

Das Mauritshuis hat auch die Wichtigkeit erkannt, Kinder und Jugendliche frühzeitig an Maler und Gemälde heranzuführen und in ihnen den Museumsbesucher von morgen schon heute vorzubereiten. Übrigens ein Weg, den heute jedes gute Museum, das etwas auf sich hält, beschreitet. Und mit Erfolg.

The Mauritshuis. Family Activity Book heißt die Broschüre, die mit vielfachen Anregungen, Fragen und Tips Familien zum gemeinsamen Schauen bringt. Insbesondere Knobelaufgaben und das Finden von Details in Gemälden machen Kindern sozusagen tierischen Spaß, erst recht, wenn Tiere dabei sind. Großzügig und latent witzig kommt es Kindern entgegen und ist so verständlich, daß es auch deren Eltern verstehen.

 

www.gemeentemuseum.nl

www.mauritshuis.nl