Serie zur Wiedereröffnung und neuen Dauerausstellung des Landesmuseum Württemberg, Teil 2/4
Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar
Stuttgart (Weltexpresso) – Die gelungene Sanierung, dessen besucherfreundlicher überdachter Übergang auf der Altane zum Schillerplatz wir noch nicht würdigten, gilt auch für den Einbau des eigentlichen Museumsbaus mit den heute nötigen technischen Voraussetzungen von Licht und Raumklima mit insgesamt 4, 9 Millionen Euro.
Man hat nämlich hat aus dem Viereck des 2. Stockes mit den drei Türmen einen Rundgang gestaltet, der auf dem Papier noch gerade und übersichtlich aussieht, aus dem aber in Wirklichkeit ein Parcour geworden ist, der einen von Abteilung zur nächsten niemals den geraden und auf Dauer langweiligenWeg gehen läßt, sondern über Windungen und phantasievoll gestaltete Zugänge verhindert, daß sich trotz der über 1000 Ausstellungsobjekte auf diesen fast 3000 Quadratmetern Gleichförmigkeit und Überforderung durch Masse einstellen, da jede der sieben dargestellten Epochen ihre eigene Handschrift sowie Wandfarbengestaltung hat und dennoch die Kulturgeschichte von rund 80 000 Jahren eine Einheit bildet.
Zu letzterem gibt die Ausstellungsgestaltung Hilfen, denn in diesen sieben Abteilungen von STEINZEIT – DIE FRÜHEN KUTLUREN, BRONZE- UND EISENZEIT, RÖMISCHE HERRSCHAFT, FRÜHES MITTELALTER, CHRISTLICHES LEBEN IM MITTELALTER, DAS HERZOGTUM WÜRTTEMBERG und DAS KÖNIGREICH WÜRTTEMBERG finden Sie methodisch Gemeinsamkeiten. So gibt es Raumbilder, die das Wesentliche dieser Epochen benennen und darstellen. Die 14 Epochenboxen haben wir besonders goutiert. Die sind unregelmäßig auf die sieben Epochen verteilt ein Orientierungselement, in dem die jeweiligen Gegenstände und die württembergische Geschichte in deutsche oder internationale Geschichte eingebettet wird und die prägenden Neuerungen dieser Zeit herausgestellt werden.
Diese Ausstellung inszeniert also die Gegenstände und die Vergangenheit in einen Sinnkontext für den Besucher von heute. Entscheidend gelingt dies durch ein ästhetisch beeindruckendes Vitrinensystem, wodurch die einzelnen Gegenstände zum einen den gemeinsamen Rahmen behalten, aber anders als in herkömmlichen Vitrinen, wo sie horizontal auf Ebenen liegen, auf der Ebene unseres Sichtkreises vertikal uns vor Augen stehen, so als ob sie in der Luft schweben, weshalb diese Vorrichtung auch Schwebevitrinen genannt werden. Sicher eine Neuerung, ohne die künftig keine Museumssanierung, die mit vielen Objekten zurechtkommen muß, verzichten wird.
Denn es kommt hinzu, daß durch die Lichtgestaltung diese Gegenstände nicht nur dicht vor unseren Augen, sondern auch beleuchtet sind, die erst möglich machen, auch Details wahrzunehmen und eben auch die Kunstfertigkeit vergangener Zeiten zu bewundern. Dies kommt besonders den kleinen Gegenständen zu Gute, die ihre Faszination durch diese Hängung und Lichtgestaltung potenzieren, wo sie sonst der Masse und des Liegens wegen oft übersehen wurden. Wenn man also sagen kann, daß diese Objekt über so viele Jahrtausende effektvoll und noch dazu ästhetisch edel in Szene gesetzt werden, wird es höchste Zeit, über diese zu berichten!
Zuvor soll nur noch betont werden, wie stark die Möglichkeit, daß auch Kinder und Jugendliche in die Suche nach den Wurzeln der Menschheit und ihren Stationen in Württemberg eingebunden werden, in Stuttgart verwirklicht wurde. Das gilt nicht nur formalen Elementen wie Höhe der Beschriftung und Auswahl der Gegenstände und den auf diesen Personenkreis zugeschnittenen Führungen. Es gibt 130 Mitmachstationen, die sich an Kinder ab 6 Jahren, Familien, Kindergartengruppen und Schulgruppen richtet. Kathi begleitet Kinder durch die Schausammlung und per Audioführung erkundet der zwölfjährige Tim , „wieso unsere Vorfahren in der Steinzeit von Milch Bauchschmerzen bekamen und welche Grabbeigaben man in einer keltischen Grabkammer finden kann“. Fortsetzung folgt.
Katalog zur neuen Dauerausstellung: LegendäreMeisterWerke. Kulturgeschichte(n) aus Württemberg, hrsg. Vom Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2012, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, wobei dies eine limitierte Vorabausgabe zum Vorzugspreis ist, der im Juni 2012 die Originalausgabe folgt. In dieser Ausgabe werden dann die sieben Altarfalze mit den Panoramaabbildungen der neu konzipierten Ausstellungsräume enthalten sein. Schlägt man den gut 270 Seiten fassenden Begleitband auf, auf dessen Titel sich zehn der rund 1000 Ausstellungsexponate über die Jahrhunderte hinweg auf edlem Schwarz farbig zeigen, so fällt einem – ebenfalls auf Schwarz, wie fast alle fotografierten Objekte hinterfangen sind – die Württembergische Königskrone in die Augen. Schön sieht sie aus und im Kapitel: „Württemberg ist Königreich“ auf den Seiten 209-241 wird auch die Krone ausführlich gewürdigt.
Wirklich irritierend ist dann aber die nächste Seite, auf der ein Gegenstand abgebildet ist, der zur Sorte der Objekte gehört, wie sie seit dem Kultfilm von 1968 „2001: Odyssee im Weltall“ in ihrer Abstraktion und edlen Ästhetik von der tiefsten Vergangenheit bis in die fernste Zukunft zugehörig erscheinen. Keine Ahnung, was das ist. Beim Nachlesen entschlüsselt sich: „Goldgriff: Spatha aus Sindelfingen, Detail“ und auf den angegebenen Seiten 122 und 137 kann man nachlesen, daß solche doppelschneidigen Hiebschwerter, die es nur in der fränkisch-alamannischen Zeit ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. gab, wohl nur der Repräsentation dienten und vor allem Grabbeigaben waren.
Machen Sie es mit diesem Kunst-Geschichts-Kulturband fürs Leben wie wir: Schlagen Sie ihn einfach auf und lassen Sie sich von den herrlich fotografierten Objekten motivieren, ihre Entstehung, ihre Funktion, ihre Verwandtschaften und historische Einordnung nachzulesen. Und dann, durchaus auch ein andermal, nehmen Sie sich diesen opulenten Band systematisch vor und fangen mit der Steinzeit an, dem die anderen sechs Stationen der Ausstellung adäquat folgen, wobei die drei Türme, in denen Macht, Glauben und Identitäten gesondert eine Rolle spielen, ebenfalls vorgestellt werden. Darüber hinaus werden Überlegungen zur Ausstellungsgestaltung, dem Einbezug von Kindern und Jugendlichen sowie die Restaurierungswerkstätten behandelt. Perfekt.
Audioguides gibt es auf Deutsch, Englisch – und auf Schwäbisch und sind im Eintrittspreis enthalten.
Das reichhaltige Programm von Führungen, Veranstaltungen etc. entnehmen Sie bitte der Webseite.
www.landesmuseum-stuttgart.de