Mit 1. Juli 2016 schließt das Essl Museum für zeitgenössische Kunst bei Wien nach fast 17 Jahren den Ausstellungsbetrieb, Teil 2
Karlheinz Essl
Wien (Weltexpresso) – Redaktionsmitglieder von Weltexpresso waren immer wieder im anziehenden großen weißen Kunstbau, wenn man von Wien kommt, auf der rechten Seite gelegen, während das eindrucksvolle Stift Klosterneuburg mitsamt der Kirche links wie eine Glucke über der Stadt liegt. Daß der Unternehmer Essl, der mit den Baumx-Kette erst reich, dann arm geworden war, alleine nicht mehr weiterkonnte, war bekannt. Uns dauert das sehr., weshalb wir Karlheinz Essl im Wortlaut bringen. Die Redaktion
„Es tut mir sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass das Essl Museum mit 1. Juli 2016 den Ausstellungsbetrieb schließen wird. Leider war es uns – trotz intensiver Bemühungen – nicht möglich, eine Finanzierungslösung für das Museum zu erreichen. Meine Frau und ich haben das Essl Museum im November 1999 eröffnet. Unser Ansinnen war es, die Sammlung Essl, die einen großen Teil der österreichischen Kunstgeschichte nach 1945 und ihrer internationalen Vernetzungen abdeckt, weithin sichtbar und für die Menschen langfristig zugänglich zu machen.
Aus diesem Grund haben wir das Essl Museum nach internationalen Standards ausgerichtet, von der Sammlungspflege über die Restaurierung und Forschung bis hin zu Ausstellungen und Publikationen. Die attraktiven und vielfältigen Kunstvermittlungsprogramme wurden von den BesucherInnen intensiv und mit Begeisterung genutzt. Damit haben wir einen wichtigen Beitrag zur künstlerischen Bildung in unserer Gesellschaft geleistet.
Das Essl Museum war von Anfang an ein offenes Haus der Begegnung von Kunst und Menschen. In 17 Jahren sind uns viele maßgebliche Ausstellungen gelungen. Der Schwerpunkt lag immer auf der Sichtbarmachung der österreichischen Kunst, die wir regelmäßig mit Themen-, und Gruppenausstellungen, vor allem aber mit Personalen – etwa von Maria Lassnig, Arnulf Rainer, VALIE EXPORT, Hermann Nitsch, Kurt Kocherscheidt, Erwin Wurm, Heimo Zobernig, Elke Krystufek, Deborah Sengl, Martin Schnur und viele mehr – in den Mittelpunkt gestellt haben. Weil aber Kunst keine Grenzen kennt, hätte es gar keinen Sinn gemacht, nur österreichische Kunst zu präsentieren. Vielmehr wollten wir zeigen, wie vernetzt und grenzenlos Kunst agiert. Internationale Positionen und Strömungen waren ein fixer Bestandteil unseres Programms, vieles davon haben wir erstmals in Österreich gezeigt.
Dazu zählen die aktuelle Kunst aus China und Indien, Aboriginal Art aus Australien, die Neue Leipziger Schule der Malerei aus Deutschland, die junge Kunstszene Ex-Jugoslawiens nach den Kriegen, die erste gemeinsame Museumsausstellung von israelischen und palästinensischen KünstlerInnen – und natürlich zahlreiche Personalen, etwa von Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Alex Katz, Neo Rauch und Rosa Loy, Cecily Brown und viele mehr.
Es war uns enorm wichtig, jungen KünstlerInnen ein Podium zu bieten, weil diese viel zu
selten in Museen gezeigt werden. So haben wir junge Kunst aus Österreich und aus anderen Regionen der Welt wie New York oder Indien gezeigt. Regelmäßig haben wir den Fokus auf die jungen Kunstszenen unserer Nachbarländer gerichtet. Der Essl Art Award für Zentral- und Südosteuropa zählt mittlerweile zu den wichtigsten Kunstförderinstrumenten in den Nachbarregionen. Viele heute bekannte KünstlerInnen hatten ihre erste Museumsausstellung im Essl Museum.
Die Interdisziplinarität war in der Gestaltung unserer Programme eine wesentliche Prämisse. So gab es im Essl Museum seit 1999 ein international viel beachtetes Programm für Neue Musik und ab 2011 ein ambitioniertes Programm für aktuelle Literatur.
Mit vielen großen und kleinen Museen auf der ganzen Welt gab es eine enge und
freundschaftliche Zusammenarbeit. In den vergangenen 17 sind wir auch zu einem von der Wissenschaft anerkannten Kompetenzzentrum für zeitgenössische Kunst geworden.
All dies hat das Haus als Museum der Kunst unserer Zeit international bekannt gemacht. Für viele Menschen ist es heute aus der Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken.
Viele innovative Projekte konnten wir nur durchführen, weil wir all die Jahre unabhängig und privat waren. Nur dadurch war es uns möglich, flexibel zu agieren, frei Entscheidungen zu treffen und unabhängig von allen politischen Einflüssen zu bleiben. Die Kunst braucht unbedingt solche Felder, wo es keine Zwänge gibt, keine Einschränkungen, keine Selbstzensur und wo die Programmatik nicht von den Gesetzen des Marktes, den
Besucherzahlen eines Hauses, den gerade regierenden Moden oder anderen hinderlichen
Faktoren bestimmt wird. Kunst kennt keine Grenzen, also haben wir auch mit dem Essl
Museum keine geografischen oder inhaltlichen Grenzen gezogen.
Die Familie Essl hat den Bau des Essl Museums und alle laufenden Kosten für Betrieb und Ausstellungen 17 Jahre lang aus eigenen Mitteln finanziert. Dies ist nun leider nicht mehr möglich. Zum weiteren Betrieb des Essl Museums wären zusätzliche Finanzierungsquellen oder Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand notwendig gewesen. Das Land Niederösterreich hatte sich bereit erklärt, einen wesentlichen Beitrag zu leisten, wenn der Bund Mittel im selben Ausmaß zur Verfügung gestellt hätte. Leider hat es von Seiten des Bundes keine positive Zusage gegeben.
Ich bedaure es sehr, aber diese Situation zwingt uns nun, den Ausstellungsbetrieb zu schließen. Die Sammlung Essl wird daher ab Juli 2016 nicht mehr sichtbar für die Menschen sein. Die Sammlung Essl selbst bleibt von der Schließung des Ausstellungsbetriebes unberührt. Das Essl Museum wird weiterhin als Depot für die Sammlung Essl genützt, was seit 1999 eine wichtige Aufgabe des Hauses ist. Die Sammlung Essl wird wie bisher gut betreut. Archiv, Restaurierung und Technik bleiben erhalten. Der internationale Leihverkehr bleibt aufrecht.
Die vergangenen 17 Jahre waren eine große Zeit. Wir haben mit dem Essl Museum vieles
bewegt, Menschen mit der Kunst eine Freude gemacht, Diskussionen angeregt, große
Momente mit Künstlerinnen und Künstlern teilen dürfen und unzählige schöne Begegnungen mit unseren Besucherinnen und Besuchern erlebt. Dafür möchte ich allen ein herzliches Dankeschön sagen.
Ich möchte mich bei allen Besucherinnen und Besuchern, die uns über die Jahre hinweg treu waren, herzlich bedanken. Den Künstlerinnen und Künstlern danke ich für das Vertrauen und die hervorragende Zusammenarbeit, die zu unvergesslichen Ausstellungen geführt haben. Mein ganz besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Essl Museums, die immer ihr Bestes gegeben und wesentlich zum Erfolg beigetragen haben. Bis einschließlich 30. Juni ist das Essl Museum noch geöffnet. Im Rahmen eines großen Finales mit zahlreichen Kunstvermittlungs- und Kulturangeboten möchten wir noch einmal die Vielfalt des Essl Museums aufleben lassen. Ich möchte alle Menschen sehr herzlich einladen, das Essl Museum noch einmal zu besuchen.
Meine Frau und ich werden auch weiterhin aktiv am Kunstgeschehen teilnehmen, denn unser Herz schlägt nach wie vor für die Kunst.
Prof. Karlheinz Essl, Klosterneuburg am 5. April 2016
Foto: Der Unternehmer und Kunstmäzen Karlheinz Essl (c) Museum Essl