Serie: Jubiläumsausstellung in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, Teil 2

 

Claudia Schulmerich

 

Dresden (Weltexpresso) – Wunderbar die Sprüchesammlung von Prominenten dick auf die Wand aufgetragen. Wer hätte diesen Ausspruch Nietzsche zugetraut, der 1880 von sich gibt: „Vision der zukünftigen Gattin!“. Dieser Ausspruch ist auch deshalb bemerkenswert, weil er auf einen kunsthistorisch bedeutsamen Unterschied dieses Madonnenbildes zu anderen verweist.

 

Madonnenbilder haben die Funktion, für einen Gläubigen die Gegenwart des Heiligen herzustellen. Sie werden ausdrücklich nicht selbst angebetet, sondern sind Mittler, stellen also den andächtigen physio-psychischen Rahmen her. Die Anordnung in Raffaels Gemälde mit dem Papst Julius II. auf der Linken und der Heiligen Barbara auf der Rechten und der aus den Wolken tretenden Maria mit dem Kinde entspricht also den Bildern, die eine Vision Gottes, personalisiert durch die Gottesmutter, im Bild selbst darstellen. Raffael aber hat etwas Neues geschaffen.

 

Das Bild stellt keine Vision dieser Heiligen allein mehr da, sondern wird durch die Präsenz der Maria und den Blick des Jesuknaben zur Vision für den Betrachter des Gemäldes selbst. Diese Wirkmächtigkeit stellt sich auch im Museum ein. Von daher hat uns Nietzsches uns unbekannter Ausspruch, daß er in dieser Raffaelmadonna die Vision seiner zukünftigen Gattin erblickte, mehr als erheitert, denn nun kann man rätseln, ob er das Visionäre an der Bildgestaltung erkannt hat, oder ob ihm nur die Frau, die Raffael hier als Maria malt, gefällt.

 

Von Dostojewski dagegen wußten auch wir von seiner Leidenschaft für die Dresdner Madonna. Hier aber erleben wir, daß dies tatsächlich eine nationale russische Leidenschaft war – und ist - und die Fahrt nach Dresden etwas Wallfahrtsähnliches hatte. Für Westmenschen neu und von daher besonders spannend die angebliche Rettung des Gemäldes nach dem 2. Weltkrieg durch Russland, d.h. der Abtransport 1945 und Verbleib in Moskau. Das hält ein Gemälde von Mikhail Kornetsky DIE RETTUNG DER MADONNA von 1984/85 fest. Da allerdings ist sie schon wieder fast 30 Jahre zu Hause in Dresden. Die Details dazu in einem weiterer Artikel .

 

EINE INTERNATIONALE KARRIERE gilt dann den ENGELCHEN IN KITSCH UND KUNST, die sich schon seit 1800 von ihrer anhimmelnden wie auch randbegrenzenden Funktion im Madonnenbild emanzipiert haben und als eigenständiges Motiv seither so komische wie absurde Eigenleben auf Tassen, T-Shirts, Poesiealben und anderem HerzSchmerzArtikeln führen. Besonders absurd werden die Engelchen zu Werbeschweinchen mutiert auf amerikanischen Produkten für Schweinefleisch.

 

Welche Auswirkungen der neue Rahmen, die Neuverglasung und die Hängung für den Anblick der Madonna bedeuten, ist für uns noch nicht abgeschlossen. Einerseits ist eindeutig der sakrale Anteil gestärkt, daß es ein Kirchenbild war, daß es ein Andachtsbild ist. Auch vermag der neue Rahmen das seit langem unveränderte und leicht vergilbte Gemälde farbiger erscheinen lassen. Allerdings ist er auch mächtig. Lassen wir den Eindruck wirken,der sich in weiteren Artikeln fortsetzt. Womit wir Probleme haben, ist die graue Wandfarbe und das Grau des Inneneinbaus, das die Kirche simuliert.

 

Aber das alles tut dieser Jubiläumsausstellung keinen Abbruch, die der Kurator Andreas Henning in kluger Beschränkung auf das Wesentlichen und mit der nötigen Prise Humor bei so viel andächtiger Anbetung ausgestattet hat. Diese Chance sollte man zum Besuch der Madonna in Dresdens nutzen. Fortsetzung folgt.

 

Bis 26. August 2012

 

Katalog: Die Sixtinische Madonna. Raffaels Kultbild wird 500, Prestel Verlag 2012

Gleichnamiges Booklet in den Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch und Russisch.

 

Wer geglaubt hätte, er hätte durch die vorausgehende Ausstellung, den Besuchs der Raffaelschwester bei der Sixtina und den entsprechenden Katalog bei Prestel sowie den Besuch der jetzigen 500-Jahre-Feier schon alles über die Dresdner Madonna gewußt, der irrt sich gewaltig. Denn, was die Ausstellung in ihren vier Sektionen zeigt und erklärt, wird hier im Katalog in zweifacher Weise aufbereitet.

 

Wie immer gibt es auf den Seiten 156 bis 341 den eigentlichen Katalogteil mit den Abbildungen aller Austellungsexponate, nach Sektionen gegliedert, die alle eine kunsthistorisch einwandfreie Dokumentation der Herkunft, eine – bei den italienischen Briefen notwendig – Übersetzung sowie die Klärung des Zusammenhangs haben. Eingeleitet werden die vier Sektionen durch eine Einführung. Im ersten Teil sehen Sie auf Seitengröße der Sixtina Verwandten und ihre Cousinen von Lorenzo die Credi und Filippino Lippi, auch die Zeichnungen und Stiche des Marcantonio Raimondi und Marco Dente , Ugo da Carpi u.a. nach Raffael sowie Gemälde und Fotografien von Piacenza und der Kirche San Sisto.

 

Ab Seite 208 wird in der Dokumentation des Ankaufs der Katalog besonders wichtig, weil er den Briefverkehr auf Italienisch und Deutsch dokumentiert, was zu lesen einem leichter fällt, als vorneübergebeugt in der Ausstellung, wo einem die Bilder an den Wänden eh verleiten, stärker auf diese zu achten. Das haben auch wir genutzt. Die Gouache Adolph von Menzels, die dieser Sektion den Namen gibt, wird in den historischen Kontext ihrer Entstehung gerückt. Im gewissen Sinn ist die dritte Abteilung die interessanteste, weil es diejenige ist, die wir historisch oder auch heute noch selbst erfahren haben. Die Ausführungen und Dokumente sind kulturgeschichtlich spannend, weil sie zu helfen klären, weshalb die Madonna die ersten Jahrhunderte unbeachtet in Piacenza hing und daß das 19. Jahrhundert aus erklärbaren Grünen nur doch das I-Tüpfelchen zur ihrer Prominenz beitrug.

 

Das Leben der Engelchen, das überall ob ihrer eigenen Daseinsberechtigung in dieser Ausstellung betont wird, ist wirklich hinreißend dargestellt, wozu die Einzelabbildungen der gefundenen Devotionalien mit Herkunft und Erklärung für vielfaches Anschauen gut ist. Ehrlich gesagt kann man das alles im Katalog noch viel besser verfolgen, denn die vielen Gegenstände sind in der Ausstellung selbst gar nicht allesamt wahrnehmbar: von der Keksdose, über die neue Bausparförderung zum Luftspray und Angela Merkel Madonna. Herrlich.

 

Und dennoch, wie immer sind für Kunstinteressierte die Essays das Eigentliche. Ausstellungskurator Andreas Henning stellt die Ausstellung in den Kontext: KULTBILD UND BILDKULT. Bekannte Raffaelautoren vertiefen die Ausstellungsthematik, sowohl kunsthistorisch – Arnold Nesselrath über RAFFAELS KINDER, der Leiter der Gemäldegalerie Bernhard Maaz über RAFFAELS Sixtinische Madonna zwischen Religion und Realität – aber auch die gemäldetechnischen Aspekte zur Maltechnik und Restaurierungsergebnis werden vorgestellt. Uns hat besonders PRÄSENZ IM VERBORGENEN von Thomas Rudert interessiert, der DIE SIXTINISCHE MADONNA zwischen 1939 und 1955 an ihren Auslagerungsstandorten und der Mitnahme nach Rußland verfolgt. Da allerdings hätten wir uns mehr Information über die Zeit der Madonna in der UdSSR gewünscht, die ihre eigene – und schon vorher tradierte - Geschichte hat, weswegen auch heute viele Russen zu dieser Ausstellung kommen und die wir für einen Artikel weiter recherchieren wollen. In diesem Kontext wird auch die russische Beschriftung in der Ausstellung verständlich. Dieser Katalog gehört zu denen, die man fürs Leben kauft. Denn Raffael, die Sixtina und Dresden sind längst eine Symbiose.

 

www.skd.museum/sixtina

 

 

Info:

Mit freundlicher Unterstützung des MARITIM Hotel Dresden.

Wichtig für Fußgänger ist die Stadtnähe, weil man nur die paar Schritte zum Zentrum von Schloß, Zwinger und Semperoper gehen muß. Aber dem Auge ist etwas anderes wichtig. Das sieht aus dem Fenster über die Elbe auf die Neustädter Seite hin. Und am schönsten ist es von dort auf diesen Haus zu blicken, das erst 2006 im historischen Speicher der Stadt zu einem hochrangigen und modernen Hotel einge-, umbe- und erbaut wurde.

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