Serie: Jubiläumsausstellung in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Dresden (Weltexpresso) – Das ist immer spannend, wenn ein Ereignis, das sich lange angekündigt hatte und über das man mehrmals schrieb, dann Wirklichkeit wird, wie die Jubiläumsausstellung von Raffaels Madonna in Dresden. Tatsächlich ist das eine rundherum gelungene Ausstellung geworden, die die Hintergründe von Erwerb und Rezeptionsgeschichte fundiert und prägnant benennt, weiterführendes Bildmaterial präsentiert und nicht nur mit der Sondersektion der Engelchen auch ein Augenzwinkern über unser aller Madonnensucht einschließt.

 

Letzteres ist das I-Tüpfelchen zu einer Ausstellung, die ob der Bedeutung der Sixtina als vielleicht mit der Mona Lisa bekannteste Gemälde der Welt, auch die Madonna selbst als selbstreferentiell erscheinen läßt. Die Ausstellung ist in vier Sektionen gegliedert, über denen die Madonna an einer neuen Wand und in einem neuen Rahmen thront. Sie ist einen Stock tiefer umgezogen, in den großen Saal, an dessen Stirnwand sie nun in einem Tabernakelrahmen den Anblick bietet wie damals in der Kirche San Sisto in Piacenza, für die sie geschaffen wurde und nach der sie als Sixtina benannt ist. Der Saal ist durch Pfeiler andeutende graue Streben einer dreischiffigen Basilika angenähert, die von sich sagt: „Sehr her, ich bin eine Kirche“, in denen sich dann auch die Ausstellungsteile gut einrichten lassen.

 

An den Seitenwänden der Madonna residiert RAFFAEL IN ROM. Der Sixtina wird also auch ein kunsthistorischer Rahmen verliehen, der so weit geht, daß mit Raffaels DONNA VELATA von 1512/13 aus der florentinischen Galeria Palatina auch die Dame zu Besuch ist, deren Gesichtszüge der Maler für die Madonna nutzte. Sein Auftraggeber Papst Julius II. - im Bild links - wird auch vorgestellt und deutlich gemacht, weshalb die Sixtinische nichts mit Sixtus IV. zu tun hat, der die Sixtinische Kapelle schaffen ließ, deren Zweitbemalung dann allerdings wieder auf Julius II. zurückgeht. In diesem Ausstellungsteil hängen weitere hochkarätige Werke der Renaissance als internationale Leihgaben der Madonna zu Füßen.

 

PLATZ FÜR DEN GROSSEN RAFFAEL!! heißt die zweite Sektion, in der es um den spektakulären Ankauf der SIXTINISCHEN MADONNA durch August III. geht. Der war eindeutig seiner Zeit voraus und schlau sowie geschäftstüchtig dazu. Denn dazumal war dieses Raffaelbildnis kaum bekannt, der sächsische Kurfürst und König von Polen, August III., ein ausgesprochen leidenschaftlicher Kunstsammler, wollte unbedingt einen Raffael in seiner Sammlung besitzen und er bekam ihn nach langen Verhandlungen auch. Die Dokumente und Akten aus verschiedenen Archiven dazu sind getreulich in Vitrinen ausgestellt und man sieht, daß dies ein verwickeltes Kaufgeschäft und die Madonna dazu nicht billig war. Den platzschaffenden legendären Spruch August III., hat Adolph Menzel durch seine gleichnamigen Gouache von 1855/59 festgehalten, die die Ankunft und Präsentation des Gemäldes in Dresden schildert.

 

AUF DEM WEG ZUM MYTHOS naht uns die Madonna in Literatur, Kunst, Musik und Design im dritten Ausstellungsteil. Rund um 1800 beginnt die Rezeptionsgeschichte und nimmt schon damals Formen der Anbetung an, die sich durch Reproduktionen und Aufnahme in weitere Gemälde und Grafiken ausweisen, wie beispielgebend das Gemälde von Friedrich Bury von 1808/09 „Kurprinzessin August die Sixtinische Madonna kopierend“. Das sind so vordergründige wie hintersinnige Objekte, die man hier bestaunen kann, wenn Zeitschriften, Stickbilder und die Werbung die Madonna vermarkten und man stilsicher ästhetisch sofort in diesem Kontext erkennen kann, ob es romantisch-biedermeierliche oder hochherschaftlich-kaiserliche Zeiten sind, die sich der Madonna bedienen. Fortsetzung Teil 2.

 

Bis 26. August 2012

 

Katalog: Die Sixtinische Madonna. Raffaels Kultbild wird 500, Prestel Verlag 2012

Gleichnamiges Booklet in den Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch und Russisch.

Wer geglaubt hätte, er hätte durch die vorausgehende Ausstellung, den Besuchs der Raffaelschwester bei der Sixtina und den entsprechenden Katalog bei Prestel sowie den Besuch der jetzigen 500-Jahre-Feier schon alles über die Dresdner Madonna gewußt, der irrt sich gewaltig. Denn, was die Ausstellung in ihren vier Sektionen zeigt und erklärt, wird hier im Katalog in zweifacher Weise aufbereitet.

 

Wie immer gibt es auf den Seiten 156 bis 341 den eigentlichen Katalogteil mit den Abbildungen aller Austellungsexponate, nach Sektionen gegliedert, die alle eine kunsthistorisch einwandfreie Dokumentation der Herkunft, eine – bei den italienischen Briefen notwendig – Übersetzung sowie die Klärung des Zusammenhangs haben. Eingeleitet werden die vier Sektionen durch eine Einführung. Im ersten Teil sehen Sie auf Seitengröße der Sixtina Verwandten und ihre Cousinen von Lorenzo die Credi und Filippino Lippi, auch die Zeichnungen und Stiche des Marcantonio Raimondi und Marco Dente , Ugo da Carpi u.a. nach Raffael sowie Gemälde und Fotografien von Piacenza und der Kirche San Sisto.

 

Ab Seite 208 wird in der Dokumentation des Ankaufs der Katalog besonders wichtig, weil er den Briefverkehr auf Italienisch und Deutsch dokumentiert, was zu lesen einem leichter fällt, als vorneübergebeugt in der Ausstellung, wo einem die Bilder an den Wänden eh verleiten, stärker auf diese zu achten. Das haben auch wir genutzt. Die Gouache Adolph von Menzels, die dieser Sektion den Namen gibt, wird in den historischen Kontext ihrer Entstehung gerückt. Im gewissen Sinn ist die dritte Abteilung die interessanteste, weil es diejenige ist, die wir historisch oder auch heute noch selbst erfahren haben. Die Ausführungen und Dokumente sind kulturgeschichtlich spannend, weil sie zu helfen klären, weshalb die Madonna die ersten Jahrhunderte unbeachtet in Piacenza hing und daß das 19. Jahrhundert aus erklärbaren Grünen nur doch das I-Tüpfelchen zur ihrer Prominenz beitrug.

 

Das Leben der Engelchen, das überall ob ihrer eigenen Daseinsberechtigung in dieser Ausstellung betont wird, ist wirklich hinreißend dargestellt, wozu die Einzelabbildungen der gefundenen Devotionalien mit Herkunft und Erklärung für vielfaches Anschauen gut ist. Ehrlich gesagt kann man das alles im Katalog noch viel besser verfolgen, denn die vielen Gegenstände sind in der Ausstellung selbst gar nicht allesamt wahrnehmbar: von der Keksdose, über die neue Bausparförderung zum Luftspray und Angela Merkel Madonna. Herrlich.

 

Und dennoch, wie immer sind für Kunstinteressierte die Essays das Eigentliche. Ausstellungskurator Andreas Henning stellt die Ausstellung in den Kontext: KULTBILD UND BILDKULT. Bekannte Raffaelautoren vertiefen die Ausstellungsthematik, sowohl kunsthistorisch – Arnold Nesselrath über RAFFAELS KINDER, der Leiter der Gemäldegalerie Bernhard Maaz über RAFFAELS Sixtinische Madonna zwischen Religion und Realität – aber auch die gemäldetechnischen Aspekte zur Maltechnik und Restaurierungsergebnis werden vorgestellt. Uns hat besonders PRÄSENZ IM VERBORGENEN von Thomas Rudert interessiert, der DIE SIXTINISCHE MADONNA zwischen 1939 und 1955 an ihren Auslagerungsstandorten und der Mitnahme nach Rußland verfolgt. Da allerdings hätten wir uns mehr Information über die Zeit der Madonna in der UdSSR gewünscht, die ihre eigene – und schon vorher tradierte - Geschichte hat, weswegen auch heute viele Russen zu dieser Ausstellung kommen und die wir für einen Artikel weiter recherchieren wollen. In diesem Kontext wird auch die russische Beschriftung in der Ausstellung verständlich. Dieser Katalog gehört zu denen, die man fürs Leben kauft. Denn Raffael, die Sixtina und Dresden sind längst eine Symbiose.

 

www.skd.museum/sixtina

 

Info:

Mit freundlicher Unterstützung des MARITIM Hotel Dresden.

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