Serie zur Wiedereröffnung und neuen Dauerausstellung des Landesmuseum Württemberg, Teil 4/4

 

Claudia Schulmerich und Hans Weißhaar

 

Stuttgart (Weltexpresso) – Die römische Herrschaft ist auch durch die schriftlichen Zeugnisse der Römer gut dokumentiert. Aber man wundert sich, wie verhältnismäßig kurz die Römer, die mit Augustus 15 v. Chr. ins Alpenvorland kamen und den obergermanisch-raetischen Limes errichteten, geblieben sind. Dafür zeugen die zahlreichen Objekte aus allen Lebensbereichen um so nachhaltiger vom römischen Einfluß, der blieb.

 

Die Völkerwanderungszeit brachte erst die Alamannen – das sind alles keine einheitlichen Völker, sondern Stammesverbünde – dann die Franken in diese Gegend. Hier kann ein Geschichtslehrer durch die Vielzahl und Aussagekraft der Exponate hervorragend an die frühmittelalterliche Geschichte der Region und ihre Wiederbesiedelung anknüpfen, die sich so auch als Schmelztiegel Europas Mitte zeigt.

 

Der Auswärtige ist schon längst beim CHRISTLICHEN LEBEN IM MITTELALTER, wo fast alles aus dem sakralen Bereich stammt und man den tiefen Glauben am Reliquienkult, hier ein herrliches Kreuz aus dem 15. Jahrhundert oder der Pietà, stark dem Hans Multscher nachempfunden, nachfühlen kann. Kunsthistorisch ist dies der Höhepunkt der Sammlung und man hört, daß dies nur ein geringer Teil der Gesamtsammlung sei. Das Abspecken des bisher Ausgestellten war nötig, damit der Gesamtzusammenhang auch in den Proportionen gewahrt bleibt. Das ist ein Museumsargument, das wir sofort bejahen, aber dennoch auch die anderen nicht ausgestellten Stücke gerne sähen.

 

Warum so viel Kirchenkunst in staatlichen Museen landete, wäre in einem Geschichtsmuseum deutlich zu sehen. Denn die zunehmende Säkularisierung und die Säkularisation von 1803 haben Kirchen und Klöster funktionslos gemacht und ihre Altäre, Andachtsbilder, Skulpturen, Kreuze, Messeutensilien verblieben dem Staat oder gingen an Privatsammler, die sie später wiederum oft an Landesmuseen verkauften. Dabei geht es auch um Möbel, Gold- und Silberschmiedearbeiten, die Textilien, Paramente, Devotionalien. Für das Landesmuseum Württemberg ist ein Schwerpunkt – das sieht man – das Spätmittelalter, vorzugsweise das aus der Gegend um Ulm.

 

Auch in dieser Epoche haben die didaktischen Überlegungen, über die wir anhand von Museumsinnovationen wie Mitmachstationen schon sprachen, zu sinnvollen Lösungen geführt. Die christliche Kunst wird schließlich nicht mehr mit der Muttermilch eingesogen und es ist völlig richtig, auch das notwendige Wissen darüber möglich zu machen und die Wissensvermittlung durch interessante Angebote anzuregen. Verweilen konnten wir nicht, denn auch das Herzogtum (1495-1806) und dann das Königtum Württemberg (1806-1918) sollten zu ihrem Recht kommen. Ein andermal müssen wir uns damit beschäftigen, wer in Württemberg denn nun eigentlich gegen wen kämpfte und wen besetzte. Wie war das mit der Pfalz und den Bayern? Welche Rolle spielten die Württemberger und vor allem, wer waren sie und wie viele?

 

Wir wissen aus der wunderbar geschriebenen Chronik DES DREISSIGJÄHRIGEN KRIEGES von Ricarda Huch wie stark Württemberg diesem Krieg ausgesetzt war, während ja andere Gebiete im zukünftigen Deutschland verschont blieben. Die Schlachten von Wimpfen am 6. Mai 1622 und Nördlingen am 6. September 1634 sind noch in Erinnerung, die von den Württembergern, die mit den Schweden und verbündeten Protestanten kämpften, verloren wurden, woraufhin die siegreichen Katholischen, die kaiserlichen-habsburgischen Truppen unter Tilly das Land ausräuberten, was die Franzosen später fortsetzten. Das Gegenteil dann im 18. Jahrhundert, wo höfische Repräsentation so prächtig war, wie nur vorstellbar, als apotropäische Funktion gewissermaßen, um mehr zu scheinen als man war und Furcht auszulösen.

 

Die Könige dann sind alle im Bild versammelt, uns aber zog es zu den Alltagsdingen, die in einem spannenden Zug uns vor Augen treten. Die älteste deutsche Sektfabrikation kommt 1826 aus Esslingen, was ein Plakat wiedergibt, die neuen Fortbewegungsmittel – Auto, Traktoren für die Landwirtschaft, Flugzeuge, der Schiffsbau - sie alle brauchten Öl. Ein Kanister der Maschinenölfabrik Held aus Stuttgart steht vor uns, auch die Hobelmaschine, der Steiff-Teddybär, die Leitz-Ordner und so vieles, was Erinnerungen weckt und einem auch zeigt, wie fundamental sich die Lebensbedingungen der Menschen in unseren Zeiten selbst gegenüber denen vor 50 Jahren schon verändert haben. Wohin? Das werden die Museen des 21. und 22. Jahrhunderts dann zeigen.

 

P.S. Uns fiel auf, daß die Württemberger selbst sich gar nicht so sehr als Ort der Tüftler und Denker – Schiller ist zu sehen - herausstellen, obwohl sie in vielen Dingen seit dem 19. Jahrhundert die technischen Grundlagen für eine großartige industrielle Entwicklung in Deutschland legten. Die Zündkerze ist nur ein Beispiel. Das zeigt aber auch, daß zu einem ganzheitlichen Ansatz und Anspruch eines Museums auch die Technikgeschichte eine bedeutende Rolle spielt, was man spätestens weiß, wenn man in Wien das Technische Museum besucht hat oder in München das Deutsche Museum. Da sehen wir noch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung für dieses Landesmuseum, die nur scheitern an der Aufnahmekapazität des Museumsbesuchers. Aber dieser muß sich halt daran gewöhnen, daß man nicht einmal in ein Museum geht und einmal die Sammlung anschaut, sondern immer wieder mal sich mit seiner eigenen Vergangenheit beschäftigen kann.

 

Katalog zur neuen Dauerausstellung: LegendäreMeisterWerke. Kulturgeschichte(n) aus Württemberg, hrsg. Vom Landesmuseum Württemberg, Stuttgart 2012, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, wobei dies eine limitierte Vorabausgabe zum Vorzugspreis ist, der im Juni 2012 die Originalausgabe folgt. In dieser Ausgabe werden dann die sieben Altarfalze mit den Panoramaabbildungen der neu konzipierten Ausstellungsräume enthalten sein. Schlägt man den gut 270 Seiten fassenden Begleitband auf, auf dessen Titel sich zehn der rund 1000 Ausstellungsexponate über die Jahrhunderte hinweg auf edlem Schwarz farbig zeigen, so fällt einem – ebenfalls auf Schwarz, wie fast alle fotografierten Objekte hinterfangen sind – die Württembergische Königskrone in die Augen. Schön sieht sie aus und im Kapitel: „Württemberg ist Königreich“ auf den Seiten 209-241 wird auch die Krone ausführlich gewürdigt.

 

Wirklich irritierend ist dann aber die nächste Seite, auf der ein Gegenstand abgebildet ist, der zur Sorte der Objekte gehört, wie sie seit dem Kultfilm von 1968 „2001: Odyssee im Weltall“ in ihrer Abstraktion und edlen Ästhetik von der tiefsten Vergangenheit bis in die fernste Zukunft zugehörig erscheinen. Keine Ahnung, was das ist. Beim Nachlesen entschlüsselt sich: „Goldgriff: Spatha aus Sindelfingen, Detail“ und auf den angegebenen Seiten 122 und 137 kann man nachlesen, daß solche doppelschneidigen Hiebschwerter, die es nur in der fränkisch-alamannischen Zeit ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. gab, wohl nur der Repräsentation dienten und vor allem Grabbeigaben waren.

 

Machen Sie es mit diesem Kunst-Geschichts-Kulturband fürs Leben wie wir: Schlagen Sie ihn einfach auf und lassen Sie sich von den herrlich fotografierten Objekten motivieren, ihre Entstehung, ihre Funktion, ihre Verwandtschaften und historische Einordnung nachzulesen. Und dann, durchaus auch ein andermal, nehmen Sie sich diesen opulenten Band systematisch vor und fangen mit der Steinzeit an, dem die anderen sechs Stationen der Ausstellung adäquat folgen, wobei die drei Türme, in denen Macht, Glauben und Identitäten gesondert eine Rolle spielen, ebenfalls vorgestellt werden. Darüber hinaus werden Überlegungen zur Ausstellungsgestaltung, dem Einbezug von Kindern und Jugendlichen sowie die Restaurierungswerkstätten behandelt. Perfekt.

 

Audioguides gibt es auf Deutsch, Englisch – und auf Schwäbisch und sind im Eintrittspreis enthalten.

Das reichhaltige Programm von Führungen, Veranstaltungen etc. entnehmen Sie bitte der Webseite.

 

www.landesmuseum-stuttgart.de