NERO. Kaiser, Künstler und Tyrann; drei Ausstellungen in Trier bis 16. Oktober 2016, Teil 1
Claudia Schulmerich
Trier (Weltexpresso) – Das Umwerfende an diesen Ausstellungen in Trier ist die Tatsache, daß jemand, der noch nie von Nero (37 bis 68 nach Chr.) gehört hatte, dort ein großes Interesse an ihm gewinnt und diejenigen, denen Nero zum Teil oder in seiner ganzen zerrissenen und geschichtlichen Komplexität bekannt ist, dort sehr viel Neues erfahren, was ihr Bild von ihm ändern muß, so daß sich für jeden der Besuch in Trier lohnt, tatsächlich absolut lohnt.
Ganz abgesehen davon, daß überhaupt Trier – kaum ist man dort – einem vorkommt, als ob es einst das Zentrum der römischen Welt nördlich der Alpen war, was übrigens stimmt. Nicht Köln und auch nicht Mainz. Mit beiden hat Trier den Erzbischofssitz gemeinsam als einen der insgesamt sieben (später neun) Kurfürsten, die seit dem 13. Jahrhundert die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, später Deutscher Nation wählten. Und Trier nennt sich die älteste Stadt Deutschlands, auch das ist eine geschichtliche Herausforderung, die wir wie alle sonstigen auf römischer Geschichte ruhenden Tore, Häuser, Anlagen heute links liegen lassen. Wer aber von weither nach Trier kommt, der sollte sich Zeit lassen und dort bleiben. Der Ort ist nicht nur geschichtsträchtig, sondern wunderschön und allein die drei Ausstellungen brauchen ihre Zeit.
Drei Ausstellungen sind es, weil die Hauptausstellung im Rheinischen Landesmuseum, die dem Gesamtunternehmen und auch dem Katalog die Überschrift 'NERO. Kaiser, Künstler und Tyrann 'gibt, sozusagen die archäologische und geschichtliche, auch die philosophische und kunsthistorische Grundlage herstellt, wo man – durchaus verwundert – mit einem anderen Bild von Nero herauskommt, als man hineinging. Davon noch mehr. Was wir aber nie vermutet hätten, ist die Brillanz und Vergnüglichkeit zweier weiterer Ausstellungen, die im Trierer Museumsbund zum einen im Stadtmuseum Simeonsstift unter dem Motto LUST UND VERBRECHEN den MYTHOS NERO IN DER KUNST hinterfragt – natürlich, Quo Vadis ist auch dabei! - und zum anderen im Museum am Dom Trier NERO UND DIE CHRISTEN zum Thema hat. Welch ein Thema in der Tat.
Das alles führt nun dazu, daß wir es auf einer Beschreibung der Hauptattraktionen nicht beruhen lassen können, sondern unsere eigene Untersuchung, was es mit diesem NERO auf sich hat, zu einer Serie einiger Redaktionsmitglieder machen, in der eben nicht nur Geschichte, sondern deren Reflex in Literatur und Kunst, ach ja und in Musik ebenfalls eine Rolle spielen wird.
Nicht schlecht, sich erst einmal auf die allgemein bekannten Fakten zu stützen. Nach diesen war Nero der am schlechtest beleumundete Römische Kaiser aller Zeiten. Ein Mörder, Brandstifter, Muttermörder, Hurenbock, Christenverfolger, Schwuler, das Volk auspressender Diktator, aber da halten wir schon inne. Denn wir wissen ganz gut, daß es Gründe hat, warum seine eigenen Zeitgenossen so über ihn herzogen. Er hatte nicht den Stallgeruch, den die bessere Gesellschaft in Rom brauchte: das Umfeld des Senats. Und schaut man sich diese Zeitgenossen, die über ihn schrieben, wie Tacitus in den ANNALEN (zwischen 110 und 120 nach Chr. veröffentlicht, im Todesjahr Neros war Tacitus 10 Jahre alt) und Sueton, der erst 70. nach Chr. ,zwei Jahre also nach dem Tod von Nero geboren wurde, genauer an, so weiß man, daß sie im Auftrage des Senats ihre geschichtlichen Bücher schrieben, das, was man senatorische Geschichtsschreibung nennt, um das erkenntnisleitende Interesse am Ganzen deutlich zu benennen.
Und das gilt erst recht für den Dritten im Bunde: Cassius Dio, der nun erst 163 n. Chr. geboren wird – übrigens ebenfalls aus reicher Familie - und sich völlig auf die Quellenlage verlassen muß und deren bisherige Interpretation bereitwillig übernimmt.
Und da war Nero eben einer, der besonders negativ herausfiel, nachdem sich alle Schreiberlinge für den ersten Römischen Kaiser, denn ganz und gar nicht friedvollen Augustus so ins Zeug legten, daß aus ihm doch fast ein Heiliger, also auch ein vergöttlichter Kaiser wurde, von dessen Ruhm noch heute die Geschichtsbücher voll sind. Er hatte eben nicht nur bessere Ghostwriter, sondern hatte politisch alle Machtbefugnisse so gestaltet, daß er der Friedenskaiser wurde, was sein Stiefsohn Tiberius, der von 14 bis 37 n. Chr. der zweite Kaiser wurde, schon weniger gut hinbekam, aber immerhin noch natürlich starb, was Caligula, der bis ins Jahr 41 n. Chr. regierte, nicht beschieden war. Er wurde ermordet, auch, weil er ein autokratischer Despot geworden war.
Der Nachwelt ist ausgerechnet Claudius, 41 bis 54 Kaiser als fast liberal bekannt, wobei hier auch interessant ist, wie er geschichtlich zu diesem Renommee kam. Denn in früher Zeit wurde er verspottet und verachtet und ist erst durch spätere Geschichtsschreibung rehabilitiert, was dann im Roman ICH, CLAUDIUS, KAISER UND GOTT von Robert von Ranke-Graves zur Schullektüre wurde. Und dann also NERO, der bisher als verabscheuungswürdiger furchtbare Psychopath galt und mit dem bei seinem Selbstmord, der ihm nur mit Hilfe eines Sklaven gelang- er war einfach zu feige, sich selbst das Schwert in den Hals zu rammen, wofür wir Verständnis haben, im Jahr 68 n. Chr. die julisch-claudische Dynastie erlischt. Worin besteht also die neue Zuschreibung, die neue Interpretation für diesen Kaiser? Fortsetzung folgt.
Foto:
Info:
1. NERO. Kaiser, Künstler und Tyrann, Ausstellung bis 16. Oktober im Rheinischen Landesmuseum Trier
2. Nero und die Christen, Ausstellung bis 16. Oktober im Museum am Dom Trier
3. LUST UND VERBRECHEN. Der Mythos Nero in der Kunst, Ausstellung bis 16. Oktober im Stadtmuseum Simeonsstift Trier
Kataloge:
Der Hauptkatalog NERO. Kaiser, Künstler und Tyrann, Begleitband zur Ausstellung im Landesmuseum genannt, umfaßt auf 439 Seitenallel in allen drei Ausstellungen angesprochenen Fragen. Zuvörderst ist er natürlich eine quellenkritische wissenschaftliche Publikation, der es gelingt, auch den 'normalen' Leser zu fesseln, denn es wird in 11 Kapiteln und einem Anhang auf alle wesentlichen, auch in der Ausstellung thematisierten Fragen mit Erkenntnisgewinn eingegangen. Vor allem können die Texte das vertiefen, was man in der Ausstellung mit eigenen Augen gesehen hat, wobei auch die Themenkomplexe sich wiederholen.
Ein Genuß für sich ist es, die vielen Leihgaben dann noch einmal in Ruhe zu studieren und insbesondere die leiblichen Darstellungen von Nero zu vergleichen, von der Kindheit bis zu seinem 30. Lebensjahr – so früh starb er, bzw. machte er auf Anweisung seinem Leben ein Ende.
Wir werden in dieser Serie einzelne Kapitel herausgreifen.
Froh waren wir aber auch über
LUST UND VERBRECHEN. Der Mythos Nero in der Kunst, wo noch einmal gesondert der Weg über zwei Stockwerke im Stadtmuseum nachvollzogen werden kann, von NERO als Superstar – heute würde er im Dschungelcamp reüssieren oder beim Eurovision Song Contest den ersten Platz ersingen oder auch bei den Olympischen Spielen Gold erringen oder bei den Theaterfestspielen einen Darstellerpreis etc. - bis hin zu allen Vorurteilen und Urteilen über ihn. Auch über diese süffisante Ausstellung berichten wir im Detail.
Das Museum am Dom mit NERO UND DIE CHRISTEN schließlich hat zwar außer dem Eingehen im Hauptkatalog keinen gesonderten Band vorgelegt, hat aber mit einer Dokumentation der Ausstellungstexte die wichtigsten Erkenntnisse zum Mitnehmen vorbereitet. Natürlich ist diese auf 8 Seiten zusammengefaßte Darstellung auch ein Beleg dafür, daß wir es bei dieser Frage mit sehr viel Geschichtlichem, Religiösem, ja Philosophischem zu tun haben. Die Texte sind für die eigene direkte Erinnerung nach dem Ausstellungsbesuch genauso hilfreich wie später, denn NERO UND DIE CHRISTEN ist ja nur eine Variante der grundsätzlichen Einführung des Christentums in der Welt, wo aus einer verlachten und niedergemachten Gruppe der Christen im 1. Jahrhundert n. Chr. über Jahrhunderte eine führende, ja auch weltlich einflußreiche Macht wurde, deren Kirchen sich zudem teilten.
Auch die Texte zu den Bilddokumenten sind hier versammelt, was wichtig ist, weil die Kenntnis über Petrus und Paulus oder das römische Opferwesen sowie die Juden im Römischen Reich nicht Allgemeingut sind.