Ausstellung in Wiesbaden "Von der Scholle in den Krieg" von morgen bis 9. Oktober

Felicitas Schubert

Wiesbaden (Weltexpresso) - Eine Ausstellung von und über Fritz Erler? Natürlich denken diejenigen, die die alte Bundesrepublik miterlebt hatten, an den im Jahr 1967 sehr früh verstorbenen SPD-Politiker, nach dem im Umfeld von Frankfurt auch viele Straßen benannt sind. Aber sein Namensvetter, der 1886 in Schlesien Geborene und 1940 in München Verstorbene war Maler, ein damals sehr bekannter Maler.

 


Das Museum Wiesbaden besitzt fünf großformatige Kriegsbilder von Fritz Erler aus den Jahren 1915 bis 1917. Erler, der als Mitbegründer der Künstlergruppe „Die Scholle“ im Jahrzehnt vor dem ersten Weltkrieg eine eigenständige Position zwischen Jugendstil und Impressionismus einnahm, uns gefällt sein Selbstbildnis aus dem Jahr 1912 ungemein, war als Kriegsmaler ab 1914 sowohl an der West- als auch der Ostfront. Erlers in kriegsbegeistertem Patriotismus gemalte großformatige Gemälde, sowie sein Plakat „Helft uns siegen“, mit dem außerordentlich erfolgreich für die Kriegsanleihe 1917 geworben wurde, sollten zwei Jahrzehnte später zum Vorbild der nationalsozialistischen Kriegspropaganda werden.


Und wie kommen diese Bilder nach Wiesbaden? Nachdem Erlers Gemälde 1954 als Schenkung aus Privatbesitz an das Haus gelangt waren, verblieben sie aus nachvolziehbaren Gründen bis heute im Depot. Ein Jahrhundert nach ihrem Entstehen untersucht das Museum Wiesbaden diese fünf Gemälde in einer Ausstellung, die der Frage nach der damaligen wie heutigen Wirkung dieser Arbeiten nachgeht. 100 Jahre nach der Schlacht um Verdun, dem Symbol der
„Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, zeigen Erlers Bilder den Krieg aus einer Perspektive glühender Soldatenverherrlichung, einer Haltung, die ihn später folgerichtig zu einem Anhänger des Nationalsozialismus werden ließ. In Gegenüberstellung der Kriegsbilder mit Arbeiten seines Vorkriegsoeuvres aus dem Bestand des Museums Wiesbaden, darunter den Kartons des Jahreszeitenzyklus für die von ihm 1907 durchgeführte Ausmalung des Muschelsaales des
Wiesbadener Kurhauses, widmet sich die Ausstellung einem Maler, dessen Werk im Lichte seiner bildlich manifesten nationalpatriotischen Gesinnung eine kritische Neubewertung herausfordert. Die Laufzeit der Ausstellung wird von morgen bis zum 9. Oktober gehen

 


Was macht man mit diesen Bildern? Zum Umgang mit Kriegsgemälden Fritz Erlers


Neben sieben Gemälden aus den Jahren 1906 bis 1910 und einem Selbstbildnis von 1912 besitzt das Museum Wiesbaden fünf großformatige Kriegsbilder von Fritz Erler aus den Jahren 1915 bis 1917. Erler, der als Mitbegründer der Künstlergruppe „Die Scholle“ im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg eine eigenständige Position zwischen Jugendstil und Impressionismus einnahm, war als Kriegsmaler ab 1914 sowohl an West- als auch an der Ostfront. Als glühender Patriot erfand er auf monumentalen Leinwänden Gemälde, deren Bildsprache zum Vorbild der nationalsozialistischen Kriegspropaganda werden sollte. Drei
der Gemälde, „Im Kampf“, „Kämpfer vor Verdun“ und „Soldaten“ wurden 1916 gemalt, im Jahr der heute sinnbildlich für das Massenmorden des ersten Weltkrieges stehenden Schlacht um Verdun. 100 Jahre nach diesem Symbol der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, zeigt das Museum Wiesbaden diese Bilder zum ersten Male nach einer zweiten Ausstellungs„karriere“, die sie während des Dritten Reiches hatten und möchte damit Licht auf eine Malerei werfen, die aus guten Gründen das Museumsdepot nicht wieder verlassen hat. Erlers Bilder zeigen den Krieg aus einer Perspektive unkritischer Soldatenverherrlichung, einer Haltung, die ihn später zu einem Parteigänger des Nationalsozialismus und Porträtisten Adolf Hitlers werden ließ. Nachdem die Werke 1954 als
Schenkung aus Privatbesitz an das Haus gelangt waren, wurden sie ins Depot des Museums verbracht und bis auf einen Ausflug in die Wiesbadener Wehrbereichsverwaltung von 1957 bis 1959 nicht wieder öffentlich gezeigt.

Ein Jahrhundert nach ihrem Entstehen untersucht das Museum Wiesbaden diese fünf Gemälde in einer Ausstellung, die der Frage nach der damaligen wie heutigen Wirkung dieser Arbeiten nachgeht. In Gegenüberstellung der Kriegsbilder mit Arbeiten seines Vorkriegsoeuvres aus dem Bestand des Museums
Wiesbaden, darunter den Kartons des Jahreszeitenzyklus für die von ihm 1907 durchgeführte Ausmalung des Muschelsaales des Wiesbadener Kurhauses, widmet sich die Ausstellung einem Maler, dessen Werk im Lichte seiner bildlich manifesten nationalpatriotischen Gesinnung eine Neubewertung herausfordert.


Warum zeigt das Museum Erlers Kriegsbilder? Zum einen, weil sie Teil der Sammlung sind und wir prinzipiell alle Bereiche der Sammlung erforscht werden müssen. Die Bilder sind unleugbar vorhanden, sie im Depot zu begraben, hieße für das Museum, seiner Aufgabe des Bewahrens, Forschens und Präsentierens nicht nachzukommen. Zum anderen hatten die Bilder eine unmittelbare Wirkung, sie wurden früh auf wichtigen Ausstellungen wie der großen Berliner Kunstausstellung von 1916 gezeigt und sind daher unschätzbare Zeugnisse einer Zeit, die wir nach wie vor erforschen müssen, um der Nachwelt den Abgrund dieser vier Jahre als lebendige Mahnung immer wieder vor Augen halten zu können. Dieses Buch und die Ausstellung, die es begleitet, sollen Forschung exemplifizieren, wie sie am Wiesbadener Museum geleistet werden muß und wird.

Sicherlich wird dies keine erschöpfende Untersuchung der kriegsunterstützenden Bildästhetik des Ersten Weltkrieges sein, es soll aber einen Ausschnitt der Kunst dieser Zeit und Haltung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Uns allen ist die Kunstgeschichte durch die Brille der Avantgarde überliefert,
es ist eine gefilterte Geschichte, die keinesfalls den allgemeinen Stand ihrer Zeit wiedergibt.Was während des Ersten Weltkrieges als Kunst rezipiert und verbreitet wurde, entspricht nicht dem, was ab 1918 in Ausstellungen gesehen wurde. Erler ist in seinem Erfolg während der Kriegsjahre ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wenig uns die staatlich und gesellschaftlich goutierte bildende Kunst der Jahre 1914 bis 1918 präsent ist, was ein Versäumnis ist, weil es die politischen Folgen schwerer einordnen läßt.

In den fünf Kriegsbildern Fritz Erlers im Besitz des Museums Wiesbaden spiegeln sich deutsche Weltsicht und die Kulturpolitik dieser Jahre, aber auch das Zusammengehen des öffentlichen mit privatem Interesse und schließlich eine künstlerische Entwicklungslinie, die vom Jahr 1914 schnurgerade in den Nationalsozialismus führt. Fritz Erlers Bilder zeigen die Befindlichkeit des Deutschen Reiches und seiner Bevölkerung, seiner Politiker und Militärs, sie bebildern die vorherrschende Haltung, dass Deutschland von Feinden umzingelt, eingekreist, sei und sich nun in tapferem Stoizismus der Welt erwehre. Dass dies eine
Haltung war, die diesen Krieg erst ermöglicht, die seine Durchführung unterstützt und die Schuld millionenfachen Sterbens auf sich geladen hat, sollen die Ausstellung und diese Publikation durch die eingehende Untersuchung der Ästhetik und des Geistes der fünf Kriegsbilder Erlers deutlich machen.

 


Fritz Erler
Biografie


1868
am 15. Dezember 1868 wird Fritz Erler als ältester Sohn von Friedrich Louis Erler und
dessen Frau Ernestine Auguste Berta (geb. Mayer) in Frankenstein im Regierungsbezirk
Breslau geboren.
1875
Umzug der Familie nach Strehlen, dort bis etwa 1884 Besuch des Gymnasiums.
1885
Erlers künstlerische Ausbildung unter Professor Albrecht Peter Bräuer an der Königlichen
Kunst- und Gewerbeschule Breslau beginnt.
1887–1890
Studienreisen nach Rügen, an die Riviera, sowie Aufenthalte in Berlin und München.
1892
Umzug nach Paris, wo er an der Académie Julian bei Gabriel Ferrier, Benjamin Constant und
Adolphe William Bouguereau sein Studium weiterführt. In Paris entstehen erste Entwürfe für
Vasen und Glasfenster.
1895
Umzug nach München, wo er ab 1895 als freier Maler ein Atelier betreibt.
1896
Gründungsmitglied der Wochenzeitschrift Jugend, deren erstes Titelblatt er gestaltet. Es
folgen Jahre der intensiven Arbeit an der Zeitschrift in denen er deren Erscheinungsbild
entscheidend mitprägt.
1898
Komplette Ausschmückung des Musiksaals mit Gemälden und Möbeln in der Villa von Albert
Neisser in Breslau.
1899
Erler ist Mitbegründer der Künstlervereinigung Scholle, zu deren offizieller Sprecher er
ernannt wird.
1900
Beitritt zum Cococello-Club.
1903
Mitglied des Deutschen Künstlerbundes.
1904
Gestaltung von vier Medaillons mit Weinallegorien für das Weinhaus Trabach in Berlin.
1906
Erler erhält den Auftrag, fünf Wandfelder im Muschelsaal des Wiesbadener Kurhauses zu
gestalten, die er bis 1907 ausführt.
1912
Bau eines Atelierhauses in Holzhausen, welches 1965 bis auf den Grund nieder brennt.
1914/15
In dieser Zeit ist Erler als Kriegsmaler in der Region um Lille und in Flandern tätig. Zudem
gestaltet er während der Kriegsjahre zahlreiche Plakate für Kriegsanleihen. 1915 wird er mit
dem König-Ludwig-Kreuz für seine Verdienste im Kriege ausgezeichnet.
1922
Erler wird zum Ehrenmitglied der Münchener Akademie der Bildenden Künste ernannt.
Fünfzehn Jahre zuvor war dieser Ernennung bereits die Verleihung des Professorentitels
voran gegangen.
1928
Aufnahme in den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst.
1937
Auftrag für einen monumentalen Mosaikzyklus
für die Kassenhalle der Reichshauptbank in Berlin.
1940
Todesjahr Erlers. Er ist auf dem Friedhof in Holzhausen beigesetzt.

 

Foto:

Fritz Erler,
Selbstportrait, 1912
Museum Wiesbaden

 

Info:

Museum Wiesbaden
Hessisches Landesmuseum
für Kunst und Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden
Fon 0611 ⁄335 2250, Fax 0611 ⁄335 2192


www.museum-wiesbaden.de
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Öffnungszeiten
Mo geschlossen
Di, Do 10:00—20:00 Uhr
Mi, Fr—So 10:00—17:00 Uhr
An Feiertagen 10:00—17:00 Uhr geöffnet.

Eintritt
Sonderausstellung* 10,— Euro (7,— Euro)
* Eintritt in die Sonderausstellungen beinhaltet den Besuch der Sammlungen. Familienangebot: Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre in Begleitung ihrer Eltern freier Eintritt. Weitere Ermäßigungen und Tarife für Gruppen unter www.museum-wiesbaden.de ⁄preise
Verkehrsanbindung
PKW und Reisebusse: A 66, Abfahrt Wiesbaden-Erbenheim, Richtung Stadtmitte, Parkhaus Rheinstraße
Bahn: Zum Hbf Wiesbaden mit DB und S1, S8 und S9 aus Richtung Frankfurt und Mainz. Vom Hbf 10 min Fußweg zum Museum
Linienbusse: Rheinstraße und Wilhelmstraße


Service
Auch während der Sanierungsmaßnamen an der Fassade sind Museum und Café weiterhin geöffnet. Derzeit wie gewohnt über den Haupteingang in der Friedrich-Ebert-Allee, ab dem 1. Juli 2016 vorübergehend über den Seiteneingang in der Viktoria-Luise-Straße.