München: Haus der Kunst - die Nachkriegsinstitution, 1945-1965, Teil 1

Sibylla von Suden

München (Weltexpresso) - Die neue Präsentation der Archiv Galerie begleitet die Ausstellung "Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik 1945-1965", indem sie die institutionellen Erinnerungen dieser Zeit erforscht. Es scheint so, als ob die deutsche Gesellschaft ihr eigenes Grauen erst nach und nach aufarbeiten kann - und das seit über 70 Jahren!


Das Haus der Kunst hatte bereits in den 1990er-Jahren eine Pionierrolle inne. Mitte der 1990er-Jahre war es eins der ersten Häuser, die sich mit der eigenen, sehr belasteten Geschichte beschäftigt haben und diese Geschichte nicht nur durch Publikationen, sondern auch am Ursprungsort lesbar gemacht hat. Dieses Vorgehen hat auch andere Institutionen ermutigt, ihre eigene Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus in den Blick zu nehmen.

Mit seinem 75-jährigen Bestehen (2012) hat das Haus der Kunst seine Vorreiterrolle weiter ausgebaut. Die Fragestellung kreist seit vier Jahren bereits um die Nachkriegszeit, vernachlässigte Themen wie die Entnazifizierung, sowie um dynamische Formen der Vermittlung und Präsentation von Archivmaterial.

Nach 1945 war es Intention der Besatzungsmächte, München als Kulturhauptstadt von Süddeutschland zu re-etablieren. Allerdings waren die namhaften Museen durch Luftangriffe schwer beschädigt. Allein das Haus der Kunst hatte den Krieg beinahe ohne Schaden überdauert und bot großzügige Ausstellungsflächen. Das Ausstellungsprogramm war Ausdruck der politischen und gesellschaftlichen Zielsetzung. Bereits seit 1946 organisierte man im Sinne der „Reeducation" im Haus der Kunst wieder Kunstausstellungen. Gleichzeitig beherbergte das Gebäude noch ein Offizierskasino der amerikanischen Armee. Der endgültige Auszug der amerikanischen Armee erfolgte 1955.

Im Mittelpunkt des neuen Projekts zur Nachkriegszeit steht die Produktion von Ausstellungen in den Jahren von 1946 bis 1965. Wenngleich nie explizit zum Thema erhoben, spielten Strategien zur Entnazifizierung eine Rolle; ausdrücklich angestrebt und kommuniziert war die Rehabilitation der Moderne in der Nachkriegszeit.

Entnazifizierung und Rehabilitation bezeichnen eine Entwicklung, die Anfang 1946 begonnen hatte. In jenem Jahr änderte sich in Zusammenhang mit der Ausstellung "Bayerische Gemälde des 15. und 16. Jahrhunderts" die ursprüngliche Benennung "Haus der Deutschen Kunst" in "Haus der Kunst".

Das inhaltliche Spektrum der ersten Präsentationen reichte von deutschen Altmeistern wie Albrecht Dürer über einen Peter Paul Rubens gewidmeten Saal bis hin zur Würdigung genau derjenigen Künstler, die von den Nationalsozialisten verunglimpft worden waren - etwa die Künstler des Blauen Reiters ("Der Blaue Reiter", 1949) sowie "Die Maler am Bauhaus" (1950). Diese Ausstellungen fanden im Westflügel des Gebäudes statt, der ab 1946 die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen beherbergte.

Verantwortlich war der Kunsthistoriker Ludwig Grote (1883-1974). Er prägte auf diese Weise in den ersten Nachkriegsjahren das Profil des Haus der Kunst als Ort der Moderne. Grote, der 1951 zum Direktor des Germanischen Nationalmuseums berufen wurde, war auch auf internationalem Parkett tätig, so u.a. als Kommissar der ersten bundesdeutschen Beiträge auf den Biennalen von São Paulo und Venedig.

Über die Landesgrenzen hinaus suchten die Kuratoren mit dem Ausstellungsprogramm als Teil einer umfassenderen Neuausrichtung von Anfang an auch die internationale künstlerische Solidarität. Mit der Picasso-Retrospektive (1955), für die so berühmte Gemälde wie "Guernica" (entstanden 1937) und "Massaker in Korea" (entstanden 1951) nach München reisten, und der Ausstellung brasilianischer Kunst von 1959 setzten sie die entsprechenden Schwerpunkte. Die internationalen Beziehungen zwischen dem Haus der Kunst und Künstlern überall auf der Welt wurden seit den 1950er-Jahren maßgeblich vom damaligen Direktor Peter A. Ade (1913-2005) gestaltet. So wurde das Haus der Kunst ein wichtiger Ausstellungsort für Avantgarde-Kunst und kann als Fallstudie dienen für weitblickenden Umgang mit Kunst und die Wiederherstellung eines internationalen Renommees.

Die neue Ausstellung der Archiv Galerie vollzieht diese Entwicklung nach. Die Archiv Galerie versteht sich als dynamischer Speicher, dessen Erscheinungsbild sich jährlich wandelt. In Kooperation mit Martin Schmidl und Studenten der Akademie der Bildenden Künste München hat die Kuratorin Sabine Brantl ein Ausstellungsdisplay entwickelt, in dem Dokumente, Ausstellungskataloge, Plakate, Fotografien, Berichte und Filmmaterial aus den Jahren von 1945 bis 1965 eine Plattform für individuelle und kollektive Recherche bieten.

Die Präsentation entsteht in Unterstützung mit dem Archiv des Künstlerverbunds im Haus der Kunst München e.V. Archiv (vormals Ausstellungsleitung) und dem Archiv der Süddeutschen Zeitung. Fortsetzung folgt


Foto: Französische Malerei der Gegenwart
Installationsansicht, 1963
© Archiv des Künstlerverbundes im Haus der Kunst München e.V.