Serie: Große Geburtstagsausstellung zum Neunzigsten „MARIE MARCKS“ im caricatura museum frankfurt, Teil 1

 

Claudia Schulmerich

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Mann, ist das ein Ding. Und ein Blödmann ist er auch. Und daß ein und dieselbe Karikatur der Marie Marcks leicht unterschiedliche Titel bekam – und in diesem und dem vorherigen Artikel jeweils die 'falsche Bebilderung' - und insgesamt so vier-fünfmal neu gezeichnet wurden, das liegt tatsächlich an Oskar Lafontaine, den einen Blödmann zu nennen wir uns nicht so recht trauen, einen kleinen Zensor schon. Und das kam so.

 

Marie Marcks hatte den ehrenvollen Auftrag, für das Saarland einen Kalender herzustellen, für den sie auch die Karikatur des Atlas, der schwer an der Weltkugel auf seinem Nacken trägt, vorgesehen hatte, dem eine so typisch pragmatische Frau zuruft: „Roll doch das Ding, Blödmann!“. Wer ein richtiger Mann ist, der weiß ganz gut, wann Frauen aus ihrer genetisch disponierten logistischen Überlegenheit zu einem Mann Blödmann sagen, was ja fast ein zärtlicher Ausdruck für deren häufig zutiefst unpragmatisches Handeln ist.

 

Aber Oskar war dagegen. Der damalige saarländische Ministerpräsident und Auftraggeber strich das „Blöd“ beim „Blödmann“ durch und ließ nur das „Mann“ gelten, weshalb Marie Marcks, die immer wieder mal in ihrer Karikaturistenfreiheit durch Nichtabdrucke unter der Gürtellinie zensiert wurde, eine neue Karikatur mit unserer Überschrift:“Mann, roll doch das Ding!“ fertigte. Was den Lafontaine dazu bewogen hat? Wir denken mal nichts Schlechtes, sondern erinnern uns an seine humanistische Schulzeit, die in dieser Zeichnung des Atlas ja so folgenschwer zitiert wird. Sicher hat er das humanistische Bildungsideal retten und den Atlas nicht derart flapsig und despektierlich angesprochen haben wollen.

 

Auf jeden Fall hängen in der Frankfurter Ausstellung, die am Mittwochabend eröffnet wird, als Original die „Mann“-Karikatur und als Druck für das Plakat der „Blödmann“, von dem es - wie auch immer – mehr kein Original mehr gibt. Dies Sujet war also beliebt und es gibt mehrere Varianten der zwei Versionen, eben auch in Schwarzweiß oder Bunt. Und wenn man sich die mit 372 Blättern umfangreichste Marie Marcks Ausstellung, die es je gegeben hat und die aus Zeichnungen, Buchentwürfen mit Buntstiftzeichnungen, Siebdrucken und Aquarellen besteht, durchgesehen hat, dann hat man nicht nur einen Abriß der alten Bundesrepublik und der Zeit der Wende in Wort und Bild erlebt, sondern man empfindet auch, daß zum einen Marie Marcks die Umweltfragen zu einem sehr frühen Zeitpunkt angesprochen hat, bzw. dagegen angemalt hat, daß aber in der Vielfalt der Themen die Geschlechterfrage und die der familiären Erziehung an und durch Kinder die stärksten Blätter sind.

 

Wir auf jeden Fall können uns einfach totlachen, wenn unter „ENTLAUFEN!“ eine wirre schwarz-weiß schraffierte Frau gezeichnet ist, unter der steht: „graugestreifte Mutter – abzugeben gegen Belohnung bei Dr. Pingel, Mozartstraße 4“. Auch das Titelbild des Katalogs - der eigentlich der Marie Marcks gewidmete Band aus der Reihe MEISTER DER KOMISCHEN KUNST aus dem Kunstmann Verlag ist – setzt dies fort, wenn wir den bärtigen, dem Kinde zugewandten Arzt mit dem rotbraunen Bart und Schnauzer bei schütterem Haar mit dicker langer roter Nase über den Tisch gebeugt sprechen sehen: „So. Wir machen also noch in die Hose!“ und der kleine Junge auf dem Stuhl frisch-fromm-fröhlich-frei antwortet: „du auch?“, während die Mama still um den ganzen Tisch herumblickt, wie man es nur aus dem Struwwelpeter kennt.

 

Das ist ganz aus dem Leben gegriffen und das Erstaunliche ist, wenn man die weiteren Zeichnungen betrachtet, daß die Mittel der Marie Marcks eigentlich keine zugespitzten mit wer weiß welchen hochpolitischen Aussagen sind, sondern Alltagserfahrungen in einen sprachlich präzisen Kontext gesetzt werden, wo die Zeichnung die Aussage unterstützt, aber sich auch an den Texten allein ein intellektuelles und gesellschaftliches Vergnügen einstellt.

 

 

Bis 21. Oktober 2012

 

Katalog: Nein, ein Katalog zur Ausstellung ist der Marie Marcks gewidmete Band

„Meister der komischen Kunst. Marie Marcks“ – auf dem Titel 'komisch' kleingeschrieben, innen groß „Komisch“, wir wissen die Schreibung auch nie so genau – aus dem Verlag Antje Kunstmann, die gesamte Reihe wird von WP Fahrenberg herausgegeben, ein Katalog zur umfangreichsten Ausstellung ist das also nicht. Der wäre wohl zu teuer gekommen und so sind wir mit dem Handbuch zufrieden - bis auf die Tatsache, daß die Jahreszahlen zu den Karikaturen fehlen -, haben allerdings nicht überprüft, ob alle darin vorkommenden Zeichnungen auch in der Ausstellung hängen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, in der Ausstellung sind reihenweise Blätter, die wir hier nicht finden, durchaus aber in anderen im Kunstmann Verlag erschienenen Büchern, wie vor allem „Marie, es brennt!“, dessen insgesamt 188 Originale des ersten Teiles in der Ausstellung im Zwischengeschoß gezeigt werden, wobei das Besondere ist, daß jedes im Buch gedruckte Blatt hier zwei Vorlagen hat: links die Zeichnung separiert und rechts die Texte an den Stellen, wo sie später unter oder in den Bildern erscheinen Darunter auch das Blatt, das sie 1928, mit sechs Jahren also malt, das mit Buntstiften manierlich ein Schiff zeigt und das Rettungsboot in Aktion, signiert mit Bebi, ihrem Kosewort bis heute.

 

 

www.caricatura-museum.de