Serie: Große Geburtstagsausstellung zum Neunzigsten „MARIE MARCKS“ im caricatura museum frankfurt, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Ausstellung beginnt mit den Anfängen in den 50ern – so wollen wir doch noch einmal wiederholen, daß diese Ausstellung zu Ehren des 90. Geburtstags der Künstlerin am 25. August 2012 stattfindet und dem gleichzeitigen 60jährigen Berufsjubiläum als Karikaturistin gilt -, in denen sie für die Heidelberger Künstlergemeinschaft, einen Filmclub und ein Jazzlokal Plakate für Sommerfeste und Ereignisse gestaltete, die so absolut Stil der Fünfziger Jahre sind, in Form und Farbgebung, daß man sich an dieser Reinkultur freut.
Sie ist sicher im Strich und man erkennt ihre formale Schulung. Daß sie die Nichte des Bildhauer und Graphikers Gerhard Marcks ist, wußten wir schon, nicht aber, daß sie noch im Krieg anfing, Architektur zu studieren und zuvor an der privaten Kunstschule ihrer Mutter in Berlin ausgebildet worden war. Ihr Aha-Erlebnis, das sie zum Griffel als Waffe der Zeichnerin führte, war die restaurative Politik der Bundesrepublik nach innen und außen sowie die Atompolitik, was alles zur Politisierung der jungen Generation in der Bundesrepublik führte. Ihre Mittel, sich einzumischen und die Fehler der Nazizeit durch Stillhalten nicht zu wiederholen, wurde die Karikatur, in der sie ab den frühen Sechzigern als einzige Frau mit dem Stift anprangerte, was die da Oben wieder mit denen da Unten vorhatten oder was sich die Alten und die Jungen zu sagen hatten, ganz abgesehen von den Themen Bildung, Erziehung und Frauenbewegung.
Diese Themen kannte sie aus eigener Anschauung besonders gut. Denn zwischen 1944 bis 1961 ist in ihrem „Leben und Werk“-Verzeichnis notiert: „Fünf Kinder, somit viele Jahre Ehe-/Hausfrauen-/ Mutterdasein, davon etliche auch ehe- bzw. mannlos. Was das in einer Zeit bedeutet hat, in der im Westen Kinder zu haben, automatisch Hausfrauendasein bedeutete, weil Kindergärten erst aufgebaut und Kinderkrippen überhaupt nicht vorhanden waren, das muß man heute ausdrücklich betonen, auch wenn es heutzutage noch immer nicht rosig aussieht für Frauen, wenn sie Kinder und Beruf verbinden wollen, was sie erst recht müssen, wenn kein Vater mehr da ist.
Auf jeden Fall geht es die nächste Zeile in ihrer Selbstbeschreibung weiter: „Als freie Malerin und Grafikerin tätig; Plakate, Annoncen etc. für den Heidelberger Filmclub und den Jazzclub CAVE 54, Schriftaufträge und Ausstellungsgestaltungen. 1955 folgt dann die Beteiligung an der Landesausstellung Baden-Württemberg und 1958 ist ihr internationaler Eintritt und Auftritt durch die Weltausstellung in Brüssel. Nun kommt es Schlag auf Schlag. Sie fertigt Buch- und Kinderbuchillustrationen, macht wissenschaftspolitische Karikaturen für die Zeitschrift „atomzeitalter“ und tagespolitische für die Süddeutsche Zeitung, stelle Zeichentrickfilme her und beteiligt sich an Fernsehserien. „Von 1966-1988 Karikaturen für Vorwärts, Die Zeit, Spiegel, spielen und lernen, betrifft:erziehung, Bauwelt, pardon, Titanic, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Natur und viele anderen“.Ab dann gibt es auch den Preissegen, den man nachlesen kann sowie auch ihre unzähligen Einzelausstellungen und Publikationen.
Man kann die einzelnen Blätter, die man reihenweise in der Ausstellung anschaut, nur schwer mit Worten allein wiedergeben, dazu sind Karikaturen ja da, daß das Bild den Gehalt trägt, aber es fällt auf, daß ihre Anfänge Militär und Aufrüstung äußerst kritisch begleiten und das entspricht auch dem Lebensgefühl der wachen und die nationalistischen Töne Westdeutschlands sofort hörenden Jugend und der jungen Erwachsenen. Insbesondere der wiedererwachende Nationalsozialismus wird in Blättern wie „Unter den Teppich kehren“ im Vorwärts am 25.4. 1979 angeprangert oder die Blindheit der bundesdeutschen Justiz auf dem rechten Auge in einer Zeichnung für „Metall“ von 1993, wo drei Richterszenen Nazi-Devotionalien verharmlosen. Man freut sich auch, wenn man auf einem Blatt auf einmal eindeutig Loki Schmidt erkennt, die ruft: „Panzer! Schonet unsere Wildkräuter“ und sich an den sogenannten Doppelbeschluß erinnert, den Kanzler Schmidt durchsetzte:“ Wir halten fest am...“.
Die politische Haltung der Marie Marcks, die aus ihren Karikaturen spricht, ist eine differenzierte, wie das Blatt nach der Friedensdemo in Bonn 1981 im Vorwärts vom 1. November zeigt: „Begeifern von rechts und links“. Da sieht man ein sich aneinander klammerndes Paar in einer Friedensburg, wie Liliputaner im Verhältnis zu den beiden Männern mit Hunden auf jeder Seite. Der eine ist ein Deutschnationaler, der andere ein Linker. Ihre Klassiker werden dann die Blätter zu Mann und Frau. Sind es erst einmal solche Sottisen wie „Niemand welkt so schön wie du!“, die den Charme der Männer auf den Punkt bringen, sind es zunehmend die die Hosen tragenden Frauen in Partnerbeziehungen, die herrlich karikiert werden wie das Paar, das am Tisch sitzt, er getröpfelt und sie ihn tröstend: „Nun muttel' doch nicht gleich wegen meinem Ruf nach Bremen; du kannst ja da einen Kinderladen machen oder irgendwas!“ Ja, das war ein Synonym damals, die Frauenbewegung und die Uni Bremen.
Von ganz anderer Machart und neu für uns, sind satirische Einlagen wie das große Plakat „Wir haben gezeugt“, wo in Reihen horizontal und vertikal Männerköpfe abgebildet sind, „Die Namen der Erstunterzeichner wurden aus Datenschutzgründen“ abgeändert, was sofort an das damalige Sterntitelbild von prominenten Frauen:“Wir haben abgetrieben!“ erinnert. Man braucht also bei einigen der Blätter durchaus das zeitpolitische Fachwissen, um so grinsen zu können, wie wir es taten. Die meisten Zeichnungen der Marie Marcks allerdings sind Selbstläufer, was nicht nur Komische Kunst ist, sondern eine Kunst generell.
Bis 21. Oktober 2012
Katalog: Nein, ein Katalog zur Ausstellung ist der Marie Marcks gewidmete Band
„Meister der komischen Kunst. Marie Marcks“ – auf dem Titel 'komisch' kleingeschrieben, innen groß „Komisch“, wir wissen die Schreibung auch nie so genau – aus dem Verlag Antje Kunstmann, die gesamte Reihe wird von WP Fahrenberg herausgegeben, ein Katalog zur umfangreichsten Ausstellung ist das also nicht. Der wäre wohl zu teuer gekommen und so sind wir mit dem Handbuch zufrieden - bis auf die Tatsache, daß die Jahreszahlen zu den Karikaturen fehlen -, haben allerdings nicht überprüft, ob alle darin vorkommenden Zeichnungen auch in der Ausstellung hängen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus, in der Ausstellung sind reihenweise Blätter, die wir hier nicht finden, durchaus aber in anderen im Kunstmann Verlag erschienenen Büchern, wie vor allem „Marie, es brennt!“, dessen insgesamt 188 Originale des ersten Teiles in der Ausstellung im Zwischengeschoß gezeigt werden, wobei das Besondere ist, daß jedes im Buch gedruckte Blatt hier zwei Vorlagen hat: links die Zeichnung separiert und rechts die Texte an den Stellen, wo sie später unter oder in den Bildern erscheinen Darunter auch das Blatt, das sie 1928, mit sechs Jahren also malt, das mit Buntstiften manierlich ein Schiff zeigt und das Rettungsboot in Aktion, signiert mit Bebi, ihrem Kosewort bis heute.
www.caricatura-museum.de