Ein Maler, der Publikum, Experten und Philosophie in der Frankfurter Schirn fordert, Teil 1/2


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Ausstellung ‚Magritte, Der Verrat der Bilder‘ gibt Anlass zu weiteren Erkundungen über das Verhältnis von Malerei und Philosophie. Jede Zeit hat ihre eigenen Debatten. Ein gepflegt konsumgeneigtes Publikum dürfte eine allzu bemühte Debatte allerdings nicht sonderlich ansprechen.


Im Fall Magritte (1898-1967) ist das keine schlechte Lösung, denn die Kontroverse um das Verhältnis einer bildnerischen oder plastizierenden Praxis zu einer Geisteswissenschaft wird immer eine Hintergrundsache bleiben, auch wenn diese die Protagonisten zu ihrer Zeit sehr bewegt und sogar entzweit hat. Gleichwohl ist der Konflikt um die Beziehung von Geist und Malerei ein driftiger. Er war später methodisch verquickt mit den Theoriegefechten des Existentialismus. Dieser war eine durch die französische gebildete Gesellschaft geprägte Periode, die breit streute, aber auch wieder verging. Magritte bleibt jedoch der eigentümliche Wegebahner der Kultur der Erkenntnis durch Malerei – unterm Banner des Surrealismus. Der angezettelte Disput war notwendig.
Was wollte der Maler sagen oder Stimmt denn das, was da zur Abbildung kommt, Trifft es das Thema, die Realität, den Sachverhalt? – diese das Bild umkreisenden und manchmal seufzend hervorgebrachten Fragen und Bedenken sind ganz normal im Verhältnis von Kunst und Betrachterin/Betrachter.


Philosophie ist Diskurs


Die Philosophie ist eine diskursive Wissenschaft, die Malerei indes eine nicht-diskursive Maltechnik. Im Fall von Turner oder Renoir liegen die angedeuteten Sinnbezüge in Zwischenräumen des feinen Pinselstrichs oder der ätherischen Sfumato-Techniken. Das fordert um einiges weniger heraus als das Paaren/Gegeneinanderhalten bzw. Konfrontieren von Objekten, wie es für Magritte so charakteristisch wurde. Die Bewältigung der Kreise der Überschneidungen ist für das Publikum eine Daueraufgabe. Eines der überzeugendsten Werke unter diesem Aspekt ist das Gemälde ‚Der Zorn der Metaphysik‘ (‚La colere de dieux‘, 1960), wie dem Verfasser erscheint, auf dem ein Reiter mit Pferd in Reitbewegung über einem Automobil lagert. Der wesentliche Punkt ist die Unerwartbarkeit der Verpaarung, die Zwangsvereinigung von Gegenständlichkeiten. Es entsteht der Eindruck, dass diese Idee tatsächlich so etwas wie die gelungene Abbreviatur des Themas sein könnte. Denn Metaphysik ist ursächlich gewaltsam, wie auch aus Giorgio de Chiricos Werken klar hervorgeht.


Modern an Magritte erscheint, dass der philosophische und existentielle Zweifel über die Beziehung von Sein und Schein, von Realität und unechter, nur vorgestellter oder fingierter Realität, bzw. Abbildung, aktiv aufgegriffen wird. Womöglich war sein Verhältnis zur Philosophie – er wollte es ihr Recht machen - ein wenig verspannt, etwas zu speziell, da zwischen Ratio und Sinnen hin- und hergerissen, weil es ihm als Problem erschien, vermitteln zu müssen. Aber genau das wurde zur Grundlage eines verantwortbaren Malens, statt einfach nur so dahin zu pinseln – wie man sagen könnte.

 

Foto © Schirn Kunsthalle Frankfurt

Info:
René Magritte, Der Verrat der Bilder, Schirn Kunsthalle Frankfurt, bis 5. Juni 2017, Römerberg, 60311 Frankfurt, Di 10-19 Uhr, Mi, Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-19 Uhr

Zusatz: Für eine nähere Beschäftigung im Zusammenhang mit dem Besuch der Ausstellung ist auf das Digitorial des Museums als digital zur Verfügung gestelltes Vermittlungsangebot hinzuweisen. - Die Ausstellung wurde organisiert von dem Centre Pompidou in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Sie steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck und von Seiner Majestät, dem König der Belgier. René Magritte war belgischer Surrealist, bis er sich 1927 gen Paris wandte und dort die ersten Bilder schuf, mit denen er sich langfristig durchsetzte.
*) https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlengleichnis#Inhalt