Ein Maler, der Publikum, Experten und Philosophie in der Frankfurter Schirn fordert, Teil 2/2


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die verhandelte Sache ist nie ausgestanden! Nicht immer muss Malerei hinsichtlich der philosophischen ‚Verantwortbarkeit überhaupt‘ mit einem Magritte so streng in Einklang stehen.

Entwicklungen und Schalter


Im Zusammenhang mit der Beschäftigung mit Magritte ist es attraktiv, der Komplexität seines Werks nachzuspüren. Mit dem rational gewendeten Surrealismus gelangt seine Malerei in einen Dialog mit dem Wort, der Poesie, der Sprache. Ab 1927 entstanden seine ersten Wort-Bilder, die aber mit einem grundlegenden Zweifel an der Abbildbarkeit der Realität und der Dinge verbunden waren. Das Abgebildete ist immer auch ein anderes, d.h. es ist sich nicht selbst gleich. Dadurch kam es zu der Malgruppe ‚Das ist keine Pfeife‘ (‚Ceci n´est pas une pipe‘, 1927), obwohl doch die Pfeife abgebildet zu sein scheint. Dies Motto wurde zur Dauerreaktion auf André Bretton und Paul Eluard, die apodiktisch formuliert hatten: ‚Die Poesie ist eine Pfeife‘ (‚La poésie est une pipe‘), mit Akzent auf Poesie.


Zwar bestehen Zweifel an der Abbildbarkeit der Welt, zurückgehend auf das legendäre Höhlengleichnis des Philosophen Platon *). Es besagt: Die Menschen sehen nur vage Bilder der Realität. Diese aber liegt hinter ihren Rücken außerhalb der Höhle, bleibt ihnen verschlossen.  Auf diesen Tatbestand reagierte das von dem Impressionisten Auguste Renoir inspirierte und auch von Breton vertretene Manifest ‚Le Surréalisme en plein soleil‘, als Aufforderung die Höhle zu verlassen und einen „Surrealismus in praller Sonne“ zu beziehen, was für die in der Höhle Hockenden wie ‚reiner Irrsinn‘ klingen muss. Hieraus erklärt sich Magrittes Période vache, eine Art Periode rigid.


Poststrukturalismus heißt auch: mehr ein Konzept


1929 schrieb Magritte unter dem Eindruck des Zweifels, der neuzeitlich-philosophisch von René Descartes in den Meditationen über die Erste Philosophie (1641) formuliert wurde, in der Zeitschrift ‚La Révolution surréaliste‘ die Abhandlung ‚Les Mots et les Images‘ (‚Die Wörter und die Bilder‘, 1929). Mit ihr wurden 18 Bild-Wort-Paare eingeführt, die die Beziehung zwischen abzubildendem Objekt und Bezeichnung bzw. Repräsentation betreffen. Dies kreiert ein neues Licht (qua Malerei) auf eine Problematik, die philosophisch uralt ist und geradezu am Anfang allen Philosophierens steht.


Motive eines festgelegten Vokabulars für die Malerei Magrittes sind: Pfeife, Apfel, Hut, Kerze, Flamme, Schatten sowie ‚Fragment‘ (Collagen). Abgesetzt erscheint das Motiv des Vorhangs, der jetzt zur gemalten Wiederkehr des platonischen Höhlengleichnisses wird und zusätzlich Elementares mit sich bringt wie: Feuer, Raum, Höhle, Zimmer, Haus, wozu auch Fenster, Rahmen und die Staffelei gehören, die im Haus oder außerhalb des Hauses aufgebaut ist. Derart nutzt René Magritte Malgruppen-Motive, die für seine Malerei phäno- wie genretypisch wurden.


Die Vorhangsbilder sagen viel über seine Malerei aus, sie laden zum – wenn man das so sagen darf -kontrollierten Meditieren und Umkreisen ein. Der Vorhang ist ein Repräsentativ des Höhlengleichnis-Themas im Gewand der Malerei. Wiederkehrende Form- und Stoffgruppen sind auch von Beuys bekannt.
Während Philosophen wie Alphonse De Waelhens oder Chaïm Perelman ihm nicht so zusprachen und distanziert blieben, bekam er erst durch seine Begegnung mit dem Poststrukturalisten Michel Foucault Bestätigung. Dieser widmete ihm posthum die bekannte Schrift ‚Ceci n´est pas une pipe‘, (1973). Das ist als Bestätigung gedacht, also kritizistisch im Hinblick auf abgebildete Dinge der Welt. Man darf die Dinge aber auch als Konzepte sehen. 1954 kam er in Kontakt mit Pop-Art-Modernen wie Robert Rauschenberg, Jasper Johns, Roy Lichtenstein und Andy Warhol. 1965 erlangte er erstmals in Deutschland einen Bekanntheitsgrad für ein weiter gestreutes Publikum mit dem Station-Machen seiner Werke.


Ob der Titel der Ausstellung ‚Der Verrat der Bilder‘ ein zutreffender ist und wenn, wie: das muss nachdenklichen und aufnahmebereiten Zeitgenossen gegenwärtiger Tage selbst zur Beurteilung anheimgestellt werden. Immerhin hat Magritte die Bildgruppe ‚La Trahison des images‘ (‚Der Verrat der Bilder‘) geschaffen, die als ironisches Eingeständnis gehandelt werden darf.

 

Foto © Schirn Kunsthalle Frankfurt


Info:
René Magritte, Der Verrat der Bilder, Schirn Kunsthalle Frankfurt, bis 5. Juni 2017, Römerberg, 60311 Frankfurt, Di 10-19 Uhr, Mi, Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-19 Uhr

Zusatz: Für eine nähere Beschäftigung im Zusammenhang mit dem Besuch der Ausstellung ist auf das Digitorial des Museums als digital zur Verfügung gestelltes Vermittlungsangebot hinzuweisen. - Die Ausstellung wurde organisiert von dem Centre Pompidou in Kooperation mit der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Sie steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von Bundespräsident Joachim Gauck und von Seiner Majestät, dem König der Belgier. René Magritte war belgischer Surrealist, bis er sich 1927 gen Paris wandte und dort die ersten Bilder schuf, mit denen er sich langfristig durchsetzte.
*) https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlengleichnis#Inhalt