Die Ausstellung der Internationalen Tage Ingelheim: ‚Emil Nolde, Die Grotesken‘ - zu sehen im Museum Wiesbaden Teil 2/2

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die ‚Ungemalten Bilder‘ (in „Raum 6“/der Folge nach im Museum Wiesbaden zu finden) und die ‚Bergpostkartenzeit‘ (in „Raum 1“) kennzeichnen Wendepunkte im Schaffen Noldes. Sie fassen die Ausstellung, die sich über 6 Räume und Etappen ausdehnt, gewissermaßen ein.

Nach den Bergpostkarten findet sich in Raum 2 (nach der Folge im Museum) die ‚Mappe Phantasien‘,1905. Diese enthält 8 Radierungen, die experimentell entstanden sind (‚diese Radierungen sind nicht gedanklich construiert‘, kommentiert Nolde). Nolde hatte einen Schritt weiter getan. Er lässt Säure neben der Strichätzung für die Linienführung ‚unkontrolliert in die Platten ätzen‘, mit der Folge flächiger Tönungen von eigentümlicher Wirkung. Zum Ankauf durch Museen kam es nicht.

Die dritte Werkfolge steht im Zeichen der Groteske, einer ‚grotesken Gegenwelt zur Realität vor und nach dem Ende des Ersten Weltkriegs‘, geschaffen auf ‚Utenwarf‘, 1918; im Umkreis eines alten Fischerhauses, das vor dem Deich gelegen auf einer kleinen Warft von Hochwassern umspült wird. Diese Reihe besteht in figürlichen Aquarellen der reinen Groteske(n). Er feuchtet Papier an und lässt es sich ausbreiten, Umrisslinien werden teils wieder aufgelöst. Das ergibt eine bildnerische Technik, die bis ins Spätwerk reicht. Es finden sich amphibische Landschaften, Echsen, Riesen, Tiere/Menschen, Zwitter, Kobolde; aber auch das ‚Paar‘ 1915, Zwischenmenschliches, sowie: ‚Männer und Frau‘,1916, in Gemälden.

Eine vierte Folge entsteht auf Hallig Hooge, 1919. In diesem Meeresraum entstehen 71 Aquarelle, ‚von denen er sich zu Lebenszeiten nie getrennt hat und die er kaum jemandem zeigte‘. ‚Nach sieben von diesen malt er noch im gleichen Jahr großformatige Gemälde‘. Auch auf Hallig Hooge droht immer wieder Überschwemmung, selbst wenn diese kalkulierbar ist, die Halligen sind gefährdete, etwas unwirkliche Lebensräume. Die Aquaralle sind wild im Strich, zeigen Affekt, die Gesichter und Posen haben etwas Manga-artiges, Comic-haftes. Die Gemälde titeln mit: ‚Tolles Weib‘, 1919, ‚Begegnungen am Strand‘, 1920, ‚Meerweib‘, 1922. Kommentar seitens Nolde: ‚die merkwürdigen Wesen mit ihren Tollheiten‘.

Ohne die zuweilen nebeligen Halligen und die Landschaft der Nordsee sind die Arbeiten Noldes gar nicht zu begreifen. Er hat nicht ungern am Rand der Welt gelebt, in einer Landschaft, die kaum mit einer anderen zu vergleichen ist. Welche Realität hatten wohl die ‚seltsamen Lebewesen‘, die Spukgestalten, die Vögel und Fischwesen für ihn? Das Wort ‚seltsam‘ ist reichlich vertreten, in Titeln aber auch mit Äußerungen Noldes.

Die fünfte Folge ist eine der phantastischen Wunderwelt, vielleicht der Höhepunkt seiner Aquarelle mit: Phantasien, 1931-1935. Nolde hatte auch Masken um sich, groteske Menschenabbildungen wurden daraus (‚Die Maske‘, 1920). Er lebte in etwas Frühgeschichtlichem, das er bis in die Gegenwart am Wirken und Werden sah. Das verknüpfte ihn eigentümlich mit dem NS-Regime, das selbst an so manchen haarsträubenden, abstrusen Mythen strickte.

Nolde schuf in diesem Lebensabschnitt großformatige Blätter mit Tuschfeder auf getrocknetem Aquarell, Farbe wurde auch später noch draufgesetzt, flächige Hervorhebungen wurden vorgenommen, mit Tusche fixiert. Arbeiten lauten: ‚Zwei Kobolde‘, ‚Tiergrotesken‘, ‚Tier und Weib‘, ‚Tiermenschen‘. Es findet sich auch das Gemälde ‚Tänzerin und Harlekin‘ von 1920.

Am Ende stehen die ‚Ungemalten Bilder‘. Es handelt sich um 1700 kleinformatige Aquarelle. Sie entstehen nicht allein im Zusammenhang mit dem Berufsverbot seitens der Nazis. Sie setzen den Phantasien noch eins drauf, das innere Exil scheint ihn noch besser werden zu lassen, wenn er ansetzt, aufbaut, verbindet. Die ‚Ungemalten‘ erscheinen dem Betrachter als noch bewusster erzeugt. Nicht mehr viel schien ihn damals noch abzulenken.


Fotos: © Nolde Stiftung Seebüll

Info:

Ausstellung: Emil Nolde, Die Grotesken. Eine Ausstellung der Internationalen Tage Ingelheim · zu Gast im Museum Wiesbaden. Museum Wiesbaden, Friedrich-Ebert-Allee 2, 65185 Wiesbaden. Dauer der Ausstellung: 30. April 2017 – 09. Juli 2017 Öffnungszeiten: Di/Do 10-20 Uhr, Mi 10-17 Uhr, Fr-So 10-17 Uhr, Mo geschlossen.

www.museum-wiesbaden.de