Serie: CAMILLE COROT. NATUR UND TRAUM in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Teil 1/2

 

Claudia Schulmerich

 

Karlsruhe (Weltexpresso) – Der am 17. Juli 1796 zu Paris geborene Jean-Baptiste-Camille Corot gehört mit Recht zu den berühmtesten französischen Malern, was sich in Deutschland noch nicht herumgesprochen hat. Denn es ist – so sagt die Kunsthalle – die erste Corot-Ausstellung hierzulande. Da sind wir verblüfft, denn als 2005 die erste Corot-Ausstellung in Spanien stattfand, reagierten wir noch etwas hochnäsig, daß die Spanier diesen Maler überhaupt nicht kannten.

 

Das hat sich längst gelegt, denn in der Tat ist dieser große Einzelgänger hier den Kunstfreunden meist nur dem Namen nach bekannt, was in Spanien nicht der Fall war und wir uns damals viele Gedanken über die Grundbildung eines spanischen oder deutschen Kunstinteressierten machten, weil in der Tat hierzulande ein breiteres Wissen vorherrscht. NATUR UND TRAUM? So heißt der Ausstellungstitel und ist ja auch nicht falsch, aber verbrämt, daß es eigentlich eine Retrospektive ist, denn die Werkauswahl von rund 180 Gemälden, Zeichnungen und druckgraphischen Arbeiten ist nicht nach NATUR UND TRAUM zusammengestellt. Wie auch?

 

Wir haben diese Wörter NATUR UND TRAUM als Untertitel zu Corot verstanden als Hinweis für die nichtkundigen Besucher, was sie erwartet, worauf sie sich einlassen können. Was seine Malerei angeht. Aber der NATUR UND TRAUM hat nicht nur etwas Metaphysisches, sondern sogar Physisches. Denn der Titel gibt dem doch ungeplanten Lebensweg und Werkcharakter des Künstlers so etwas wie eine erhellende Struktur. Das kann man machen, genauso gut hätte der Untertitel aber auch: Landschaften und Porträts heißen können, denn um beides bewegt sich das künstlerische Werk Corots.

 

Von den einen als Neoklassizist eingestuft, von den anderen als Vorläufer der Impressionisten geehrt, es gibt wenig Künstler, die so auf sich gestellt das Innere malerisch mitteilen mußten, ohne einer Schule zu folgen und ohne eine Schule zu bilden. Corot bleibt – und das zeigt die von den Kuratorinnen Dorit Schäfer und Margret Stuffmann kuratierte, für ein breites Publikum wie auch für Kunsthistoriker gleichermaßen hochinteressante Ausstellung deutlich - allein auf weiter Flur, ein Individualist und künstlerischer – und wohl auch privater – Einzelgänger. Das hat nun gar nichts damit zu tun, daß man beim Durchschreiten der Karlsruher Kunsthalle – sie fängt zum Überblick mit malerischen Zeitgenossen an und hört mit seinen Künsterbewunderern auf – immer wieder Déjà-vus erlebt.

 

Man ist sich sicher, einen van Gogh zu sehen und dort hängt ein Delacroix, das dort aber könnte ein früher Gauguin sein, bestimmt aber ist Millet dabei, von Lorrain ganz abgesehen, aber auch Pissaro, und ganz genau: Ingres, so denkt man - und alles ist doch immer original Corot. Dieser hat die anderen auch nicht nachgeahmt, sondern derartige Bilder entspringen seiner Grundhaltung, die Welt mit möglichst vielen Facetten wiederzugeben. Corot war ein Suchender und er nahm Anregungen auf, indem er sich Sujets, Farben und Formen anderer anverwandelte und sie zur Perfektion bringen wollte, was nicht gelang, weil es nicht gelingen kann, leicht selbstzufrieden war er ganz und gar nicht.

 

Entscheidend für den Maler Corot, das zeigt die Karlsruher Ausstellung eminent, entscheidend war das Licht. Licht, das die Welt erhellt und eine spezifische Stimmung erzeugt. Licht ist Ursprung, bleibt Sehnsucht und wird Endpunkt seiner Malerei. Er konnte nach schwierigen Anfängen – so sollte er das väterliche Handwerk des Perückenmachers in einer Tuchmacherlehre erweitern – mit 27 Jahren infolge eines kleinen Erbes seine Malerausbildung beginnen. Seine Lehrer sagen ihm: „Beobachte die Natur und bilde sie unmittelbar und gewissenhaft nach.“

 

Dies versucht Corot und unternimmt Streifzüge durch die Wälder von Fontainebleau und Ville d'Avray, wo er im kleinen Landhaus seine Vaters zu Hause ist und wohin er sein Leben lang immer wider zurückkehrt. Erst einmal geht er nach Rom und arbeitet dort. Dies ist der Einstieg der Ausstellung, wobei die Kombination Rom und Corot eben auch deutlich macht, daß er hier der Tradition großer französischer Maler folgt. Seine Begeisterung für die italienische Landschaft ist in Karlsruhe in den vielen Bildern italienischer Natur, den Flüssen, Bergen, Hügeln, Dörfern, Gehöften nachzuempfinden. Auf der Suche nach immer neuen Landschaftseindrücken bleibt er lebenslang ein häufig Reisender, der gleichwohl nicht unstet wirkt, sondern in seiner Malerei seine Heimat mit sich führt.

 

bis 6. Januar 2013

 

Katalog: Camille Corot. Natur und Traum, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Kehrer Verlag 2012 Mit fast 500 Seiten ein gewichtiges Werk. Da es in Deutschland nicht so viel Literatur zu Corot gibt, auch angemessen. Der Katalog ist so aufgebaut, daß er kontinuierlich das Verständnis von und über Corot erweitern kann. Es beginnt mit Corot und seiner Zeit, seinen Vorläufern und Vorbildern und seinen Anfängen. Die entsprechenden Bilder der Ausstellung sind diesen kleinen Kapiteln beigefügt, wie den vielen Kommenden, die historisch, seinem Lebensweg entlang, seine Bilder erklären, aber auch klären, wie es kommt, daß da einer so aufrecht durch die Zeit geht. Neben den biographischen Anteilen gelten weitere Kapitel Formfragen und Veränderungen in seinem Malstil, seiner Malweise. Die ausführlicheren Essays folgen und machen deutlich, wie viel in diesen Jahren zu Corot geforscht wurde, der zwar ein rätselhafter, aber kein unbekannter und undurchdringlicher Maler ist.

 

www.kunsthalle-karlsruhe.de