Serie: CAMILLE COROT. NATUR UND TRAUM in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, Teil 2/2

 

Claudia Schulmerich

 

Karlsruhe (Weltexpresso) – Wenn es von ihm heißt: „Er heiratete nicht und scheint auch niemals irgend Liebesverhältnisse unterhalten zu haben“, ergibt sich doch aus seinen Gemälden eine Neigung, ja Zuneigung zu Frauen – ein weiterer Schwerpunkt in der Ausstellung. Er malt sie – jeder auf eine andere Art – insgesamt sanft, schön, individuell, häufig als Akt. Wenn er selber dazu fachlich sagt: „Ich male den Busen einer Frau genauso wie ich einen gewöhnlichen Milchtopf malen würde“, schluckt man zwar,

 

ist aber mit einer anderen seiner Äußerungen mehr als einverstanden: „Ich arbeite mit meinem Herzen ebenso wie mit meinem Auge!“. Corot war ein tiefgläubiger Mensch und hatte in seinem Schlafzimmer stets die „Nachfolge Christi“ zur Hand und las darin jeden Abend. „Das Buch hat mir sehr geholfen, mein Leben in Ruhe zu verbringen, und hat mir immer ein zufriedenes Herz gegeben“, äußerte er sich vor seinem Tod, der ihn im Februar 1875 nicht unvorbereitet holte.

 

In Karlsruhe kann man nun mit der Werkübersicht, zu der es nur dank 170 internationalen Leihgaben kam, eben auch den Menschen Corot und sein Leben kennenlernen. Beides bedingt sich sogar. Diejenigen, die heute von notwendiger Entschleunigung reden, weil unser Leben einigermaßen irre geworden ist, was Abläufe, Vielfalt, Tempo, ständige mediale Präsenz und Überforderung gleichzeitig angeht, die alle können sich ein Beispiel an Corot nehmen, der sich Zeit nahm. Als Heutiger muß man darum aber von den Schaffensbedingungen des Werkes auch etwas kennenlernen wollen, um sich klar zu machen, daß Corot für die Ruhe in seinen Werken lebte und malte.

 

Seine Gemälde, das zeigt die gesamte Ausstellung, sind schön, sie strahlen Harmonie aus. Sie betonen die Ewigkeit und Dauer, meiden das Vergängliche und Einmalige. Sie sind still, diese Bilder, sehr still, machen den einen ruhig, der andere wird durch diese Ruhe eher leicht nervös, sie geben Kraft und vermitteln schon fast fernöstliche Gelassenheit. Es ist alles nicht so wichtig. Man soll es geschehen lassen im Strom des Lebens und der Natur. Schaut man insbesondere in diese atmosphärischen Landschaften hinein, in die man förmlich hineingezogen wird, dann erklingen auf einmal Töne. Ja, Corots Bilder klingen und sie provozieren in einem Gedichtzeilen. Sie sind rundherum poetisch.

 

Das geht einem noch so, wenn es eigentlich um Handfesteres geht: die weiblichen Akte. Viele von hinten, so daß man, da man zuvor lyrisch gestimmt, so manche Gedichtzeile memorierte, sich auf einmal sagen hört: „Ein schöner Rücken kann auch entzücken.“. Ja, kann er und in der Tat sind unsere Lieblingsbilder trotz der wunderschönen Landschaften und der interessanten Porträts einfach die Akte, die Karlsruhe in Dichte und zeitlicher Verteilung präsentieren kann. Weil wir diesmal – anders als sonst – uns in der Berichterstattung nicht auf die einzelnen Bilder bezogen, sondern den Gesamtzusammenhang herstellen wollten – noch einmal zurück zur Einordnung von Corot in der französischen Malerei.

 

Er gilt und empfand sich auch selbst als der Garant vom gestern für morgen, er setzt die hohe Tradition fort in einer Zeit, wo alles drunter und drüber geht. Wie ein Monolith. Er bleibt eine Figur des 18. Jahrhunderts, übrigens kultivierte er dieses Ancien Régime: er schrieb antiquiert, er redete so und wollte auch sonst keine Neuerungen. Nicht in der Kunst. Da suchte er weiter. Daß er ein großer Maler sei, das wußte seine Zeit genau. In seinen letzten Lebensjahrzehnten war er so berühmt und seine Werke so begehrt, er wurde so massenhaft gekauft, daß man inzwischen 494 falschen Corots auf die Spur kam. Bei diesen Fälschungen hatte Corot teilweise aus Gutmütigkeit – nicht aus Gewinnscuh, die lag ihm fern – seine Hand im Spiel. So setzte er bereitwillig sein „Corot“ darunter, wenn Freunde oder arme Schlucker Kopien seiner Meisterwerke fertigten. Anderen gab er angefangene Bilder zum Weitermalen von 'echten Corots'. In einer weiteren Fäöschungsvariante malt Corot die angefangengen Bilder von anderen zu Ende. Na, und dann gibt es nocht die 'echten' Fäöschungen, die ohne sein Wissen und Einverständnis entstanden. Auch das wird ihn nicht weiter gestört haben, seine Werkmonographisten und den Kunsthandel allerdings sehr.

 

Seien Sie neugierig auf diesen Maler, bei dem es in der Karlsruher Kunsthalle viel zu entdecken gibt.

 

bis 6. Januar 2013

 

Katalog: Camille Corot. Natur und Traum, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Kehrer Verlag 2012 Mit fast 500 Seiten ein gewichtiges Werk. Da es in Deutschland nicht so viel Literatur zu Corot gibt, auch angemessen. Der Katalog ist so aufgebaut, daß er kontinuierlich das Verständnis von und über Corot erweitern kann. Es beginnt mit Corot und seiner Zeit, seinen Vorläufern und Vorbildern und seinen Anfängen. Die entsprechenden Bilder der Ausstellung sind diesen kleinen Kapiteln beigefügt, wie den vielen Kommenden, die historisch, seinem Lebensweg entlang, seine Bilder erklären, aber auch klären, wie es kommt, daß da einer so aufrecht durch die Zeit geht. Neben den biographischen Anteilen gelten weitere Kapitel Formfragen und Veränderungen in seinem Malstil, seiner Malweise. Die ausführlicheren Essays folgen und machen deutlich, wie viel in diesen Jahren zu Corot geforscht wurde, der zwar ein rätselhafter, aber kein unbekannter und undurchdringlicher Maler ist.

 

www.kunsthalle-karlsruhe.de