Serie: „CORNELIS BEGA. Eleganz und raue Sitten“ in der Gemäldegalerie zu Berlin, Teil 1/3
Claudia Schulmerich
Berlin (Weltexpresso) – Cornelis Bega. Cornelis Bega? Ja, der 1631/32 geborene und schon 1664 verstorbene junge Maler war zu seiner Zeit ein weithin angesehener Haarlemer Maler – bekannt für seine ländlichen Genreszenen - , der im Jahr 2012 seiner erste Einzelausstellung erfährt und so wie wir das verstehen auch in Holland bisher nicht ausgestellt wurde.
Dafür in Deutschland nun gleich zweimal. Nach dem Auftakt im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen seit Ende Juni in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin im Kulturforum. Auch das ist eher ungewöhnlich, daß es die beiden Direktoren der Museen sind, die die Ausstellung kuratiert haben und auch den sehr schönen Katalog – siehe unten – verantworten. Erst einmal die Formalia: es geht um etwa 70 meist kleinerformatige Gemälde, Zeichnungen und Radierungen, die aus seinen letzten Lebensjahren stammen, also vor und nach 30 Jahren! Das glaubt man dann nicht, wenn man erkennt, wie vielfältig er sein Hauptsujet variierte, wobei einem nicht ganz klar wird, ob er nach einem idealen Typus eines Wirtshausbildes beispielsweise strebt oder nur die zeigen will, wie immer die gleichen Leute: Männer als Kleinbürger oder Handwerker oder handfeste Trinker und Frauen, die zwischen Gewerbe und Bedienung changieren, was alles nicht stimmen muß, denn einmal sitzt doch da eine ganz elegante Dame vor uns. Dazu gleich mehr.
Denn vor den Bildern muß einfach etwas zum Maler selbst gesagt werden. Cornelis, ja den Vornamen kennt man aus der holländischen und aus der Haarlemer Malergilde, denn es gibt den sehr berühmten Cornelis Cornelisz van Haarlem (1562-1638), einen Historienmaler. Verblüfft stellt man dann fest, daß dies tatsächlich der Großvater ist, der sich aber erst kurz vor seinem Tod zu seiner außerehelichen Tochter Maria Cornelisdr bekannte und ihre und ihren Nachkommen die Hälfte seines Kunstbesitzes „und alle Rötelzeichnungen“ vermachte. Sein Talent also auch! Auch väterlicherseits sind Kunsthandwerker und Maler und Holzschnitzer versammelt und vor allem viel Erbmasse für den jungen Bega in Form von Kunst und von Geld!
Er setzte nicht die einst hochdotierte Historienmalerei fort, sondern wurde von Adriaen van Ostade, einem ausgesprochen. Liest man zusätzlich, wer zu seinen Freunden gehörte, dann ist das ein richtiges Nest zwischen Kunst und Kunsthandwerk. Das war Bega nicht genug. 1653 ging er zur Erkundung weiterer Kunstquellen nach Deutschland, am 24. April war er in Frankfurt, da war er rund 22 Jahre. Doch schon 1654 meldet er sich zum 1. September in der Lukasgilde zu Hause an und malt und zeichnet emsig und mit zunehmender Perfektion gerade einmal zehn Jahre. Es war die Pest, die ihn auslöschte und auch sein Werk für uns Nachgeborene vergessen ließ, was diese Ausstellung ändert.
Lassen sich am Anfang noch Anklänge an seinen Lehrer in seinen Bildern erkennen, so findet Bega schnell zu einem eigenen Stil, bei dem hervorsticht, daß der Mensch wirklich im Mittelpunkt steht und nicht als Staffage für Genre benutzt wird. Seine Zeitgenossen loben vor allem seine Eleganz, die er in das eher derbe Bauerngenre hineinbringt. Seine malerische Virtuosität ist schnell da und was die Entwicklung angeht, ist der Zeitraum, der ihm blieb, einfach sehr gering, um gültige Aussagen machen zu können. Ein Frühvollendeter sagt dann meist der alte Künstler oder Kunsthistoriker. Insgesamt ist es eine dunkle erdfarbene Palette, die sich zwischen Grau und Braun bewegt und dadurch mit dem Augenerlebnis in Kneipen sehr gut harmoniert.
bis 30. September 2012
Katalog:
Cornelis Bega. Eleganz und raue Sitten, hrsg. Von Peter van den Brink und Bernd Wolfgang Lindemann, Belser Verlag 2012
Für unsereiner ist das schon wichtig, über einen weithin unbekannten Maler – irgendwann fiel mal der Name, aber ein Werkouevre verband sich uns damit nicht – auch gesicherte Erkenntnisse zu erfahren, denn in der Regel sind Kataloge zu Ausstellungen wahre Schatzkästlein. Und gleichzeitig, daß ist das Tolle am Schreiben über Kunst, trauen wir nur unseren eigenen Augen. Will sagen, hätte uns nicht die Ausstellung im Untergeschoß der Gemäldegalerie positiv überrascht, wer weiß, ob wir dann überhaupt hätten mehr erfahren wollen? Und dann bleiben wir auch noch gleich beim Vorwort stecken, einer meist sehr formalen Grußadresse mit auch meist formalen Dankesbezeugungen. Hier aber ganz und gar nicht.
Die Herausgeber, Direktoren ihrer Häuser verweisen zum einen auf die Freude, die ihre Anfrage hinsichtlich von Leihgaben bei den Leihgebern auslöste, daß es endlich eine Cornelis Bega Ausstellung geben soll, zum anderen danken sie nur einer, Mary Ann Scott, die die Dissertation zu Bega verfaßte, auf der die Kuratoren bei der Vorbereitung zur Ausstellung wie auf einem Leitfaden einschließlich der Ouevrenummern aufbauen konnten und die schon 1988 jung verstarb. Das zeigt ein zweites Mal, wie lange diejenigen, die Begas Werke kannten auf diese Ausstellung haben warten müssen.
Bis Seite 83 folgen sechs Essays, die Hintergründe aufzeigen oder Begas Malweise analysieren. Für uns waren alle personenbezogenen Informationen besonders wichtig, weil es daran haperte. Der Katalogteil bis Seite 287 bringt dann aber nicht einfach Abbildungen mit kurzen Angaben, sondern nutzt jedes Bild – Ölskizze, Rötel, Schwarze Kreide, Tinte, Öl auf Eiche, auf Kupfer, auf Leinwand, auf Papier, auf Leinwand aufgeklebt – zu einer ausführlichen Beschreibung seiner Herstellung, der Situation und der Bildaussage, wobei das für den Leser besonders Wichtige die angeführten Vergleichsbeispiele sind, seien sie weitere Begas oder Künstlerkollegen. Mit einem Wort: Sie haben hier eine fundierte kunstgeschichtliche Pioniertat vor sich liegen, über die man mit Respekt urteilt: viel gelernt, was man nicht wußte. Denn auch wir, mit unserer Selbstverpflichtung, nur dem eigenen Auge zu trauen, sind eben nicht so zu Hause im 17. Jahrhundert, wie wir dachten und in Harlem schon gar nicht. Gut gemacht, Autoren und Verlag!