F aufherzundnierenAusstellung und Begleitprogramm im Institut für Stadtgeschichte in Frankfurt

Eric Fischling

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Vom 5. September 2017 bis 8. April 2018 zeigt das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main in Kooperation mit dem Gesundheitsamt die Ausstellung „Auf Herz und Nieren. Geschichte des Frankfurter Gesundheitswesens“, die im Mittelalter ansetzt und bis in die Gegenwart führt.

Die Präsentation ist Bestandteil eines großangelegten Programms zum 100-jährigen Bestehen des Gesundheitsamtes. Dessen Leiter, Prof. Dr. Dr. René Gottschalk, verwies darauf, „dass die politisch Verantwortlichen in Frankfurt schon früh die Notwendigkeit erkannten, sich in dieser durch Messe- und Krönungsbesucher stark frequentierten Stadt aktiv für die Gesundheit der Bevölkerung einzusetzen und dies bis heute tun“. „Frankfurts erster Stadtarzt Johann Wolff ist durch eine Urkunde von 1381 namentlich bekannt. Mit diesem Schriftstück beginnt die umfassende Überlieferung im Institut für Stadtgeschichte zum kommunalen Gesundheitswesen“, sagte Dr. Evelyn Brockhoff, leitende Direktorin des Instituts für Stadtgeschichte bei der Vorstellung der neuen Sonderausstellung im Karmeliterkloster. Zur Gründung eines Gesundheitsamtes kam es aber erst 1917. Der mit 140 Regalkilometern sehr umfangreiche Aktenbestand zum Gesundheitsamt im Institut für Stadtgeschichte bildet die Grundlage zur Erforschung des Frankfurter Gesundheitswesens.

„In der Ausstellung wird deutlich, dass sich unser Gesundheitsamt in den letzten einhundert Jahren von einer preußisch-obrigkeitlichen Gesundheitspolizei zu einem Dienstleister für alle Menschen in unserer Stadt entwickelt hat“, unterstrich Stadtrat Stefan Majer, Dezernent für Personal und Gesundheit. Die Kuratorin Sabine Börchers hat die Ausstellung in die sechs großen Themenkomplexe Entstehung des öffentlichen Gesundheitswesens, Gründung des Gesundheitsamtes im Ersten Weltkrieg, Nationalsozialismus, Nachkriegszeit, Neue Herausforderungen und beständige Aufgaben und Das Gesundheitsamt heute gegliedert. Sie stellt die über Jahrhunderte gleich bleibenden Aufgaben wie Stadthygiene und Jugendfürsorge dar sowie die sich verändernden Schwerpunkte im Kampf gegen wechselnde Krankheiten wie Pest, Syphilis, Tuberkulose bis zu AIDS und multiresistenten Infektionserregern. Die Ausstellung beleuchtet zudem die besonderen Herausforderungen während der beiden Weltkriege.

Wichtig war den Initiatoren der Schau, die Einbindung des Gesundheitsamtes in die mörderischen Ziele der Nationalsozialisten adäquat darzustellen, auch wenn die intensive wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themas für Frankfurt noch aussteht. Das Kapitel Nationalsozialistische Gesundheitspolitik untergliedert sich in die Themen Erb- und Rassenpflege, Zwangssterilisationen und „Vernichtung lebensunwerten Lebens“. Ausführlich widmet sich die Ausstellung den vielfältigen Aufgaben des Gesundheitsamtes – einem der größten in Deutschland – in einer wachsendenden, weltoffenen und internationalen Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg: Der Prävention gegen Krankheiten und Epidemien, den umfangreichen amtsärztlichen Angeboten und Hilfen sowie Frankfurter Innovationen wie der Drogenberatung, der AIDS-Beratungsstelle oder Humanitären Sprechstunden.

Über die Dokumentation der Geschichte des Gesundheitswesens in Bild und Text hinaus bietet die Ausstellung auch zahlreiche Exponate der Medizingeschichte aus öffentlichen und privaten Sammlungen – etwa den Taschenspucknapf „Blauer Heinrich“ zur Tuberkuloseprävention, ein Wachsmodell eines syphilitischen Gesichts oder Pockenimpfscheine.

Ein Begleitprogramm vertieft Einzelaspekte der Ausstellung. Die Vortragsreihe startet am 18. September 2017 mit Dr. Thomas Bauer und dem Thema „Von der Harnschau zur Riechkommission. Das Frankfurter Gesundheitswesen vom 14. bis ins 19. Jahrhundert“. Am 11. Dezember 2017 referiert die Ausstellungskuratorin Sabine Börchers unter dem Titel „Von der Tuberkulose-Fürsorge bis zum Schutz vor Ebola“ über die hundertjährige Geschichte des Frankfurter Gesundheitsamtes. Dessen Leiter Prof. Dr. Dr. René Gottschalk spricht am 26. März 2018 über „Ebola, Lassa, Masern, Grippe: Gefährliche Infektionserreger und die Antwort der öffentlichen Gesundheitsbehörden“. Auch das Frankfurter Erzählcafé widmet sich zwei Mal dem Thema Gesundheit. Am 16. Oktober 2017 kommt Prof. Dr. Ulrich Gottstein in das Institut für Stadtgeschichte und berichtet unter dem Titel „Dem Leben verpflichtet. Arzt, Christ und Friedenskämpfer“ über seinen facettenreichen Lebensweg u. a. als Friedensnobelpreisträger und Chefarzt am Bürgerhospital. Die frühere Leiterin des Gesundheitsamtes Dr. Margarete Peters und die derzeitige stellvertretende Leiterin des Amtes Prof. Dr. Ursel Heudorf sind am 5. Februar 2018 zu Gast. Dabei geht es um „Gelben Regen, Gesunde Städte, Bockschein und Kondome“ und vier Jahrzehnte Beratung und Prävention im Wandel. Die Moderation übernimmt jeweils Dr. Markus Häfner, Leiter der Abteilung Public Relations im Institut für Stadtgeschichte. Alle Veranstaltungen beginnen um 18.30 Uhr und finden im Dormitorium des Karmeliterklosters statt. Der Eintritt ist jeweils frei.

Parallel zur Ausstellung im Karmeliterkloster zeigt die Stadt Frankfurt bis Mai 2018 auf dem Rathenauplatz das Denkmal der Grauen Busse, das an die Ermordung von 300.000 psychisch Kranken oder geistig Behinderten in NS-„Euthanasie“-Anstalten wie Hadamar erinnert. Dort wurden mehr als 1.000 Frankfurterinnen und Frankfurter durch Ärzte und Pflegepersonal getötet. Begleitend zur Präsentation des Denkmals der Grauen Busse findet am 10. September 2017 um 15 Uhr eine Führung zum Gräberfeld der NS-„Euthanasie“-Opfer auf dem Hauptfriedhof mit Dr. Thomas Bauer und Christoph Schneider statt. Treffpunkt ist das Neue Portal des Hauptfriedhofes. Am 9. Oktober 2017 widmet sich Prof. Dr. Gerrit Hohendorf, München, unter dem Titel „Rassenhygienischen ‚Ausmerze‘ und Ökonomie der Erlösung“ den „Euthanasie“-Morden im Nationalsozialismus und ihren Nachwirkungen. Die Tötungsanstalt Hadamar als Mordstätte der nationalsozialistischen „Euthanasie“ steht am 29. Januar 2018 im Zentrum des Vortrags von PD Dr. Jan Erik Schulte, dem Leiter der Gedenkstätte Hadamar. Den Abschluss des Begleitprogramms bildet der Vortrag von Dr. Peter Sandner, Wiesbaden, über die Verwaltung des Krankenmordes und die Rolle der Stadt Frankfurt. Auch diese Vorträge im Dormitorium des Karmeliterklosters beginnen um 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Foto: © stadtgeschichte-ffm.de

Info:
Die Kuratorin Sabine Börchers führt am 26. September 2017 und am 23. Januar 2018 um 18 Uhr, am 14. Oktober, 18. November und 10. Dezember 2017 sowie am 11. März und 8. April 2018 um 15 Uhr durch die Ausstellung.

Die Teilnahme an Führungen kostet 6 €, ermäßigt 3 €. Gruppenführungen sind mit Anmeldung unter 069-212 314 17 oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! möglich. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei. Weitere Informationen unter www.stadtgeschichte-ffm.de.

Zum Jubiläum des Gesundheitsamtes ist im Verlag Henrich Editionen die Publikation „Aufklärung – Vorsorge – Schutz. 100 Jahre Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt“ von Sabine Börchers erschienen, die im Institut für Stadtgeschichte, im Gesundheitsamt und im Buchhandel für 19,95 € erhältlich ist (ISBN 978-3-943407-80-8).