DGVS, DGAV und BARMER fordern Änderungen im System: Zentren, Mindestmengen und mehr Transparenz für eine bessere Qualität im Krankenhaus
Hubertus von Bramnitz
Berlin (Weltexpresso) - Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) sowie die BARMER mahnen gemeinsam, die Qualitätsbestrebungen in Krankenhäusern zu verstärken. Dies sei notwendig, um die Sicherheit der Patienten weiter zu steigern.
Dazu beitragen könnten Mindestmengen bei bestimmten Eingriffen. Außerdem sollten komplexe Eingriffe in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Durch die konsequente Dokumentation von Behandlungsverläufen könne darüber hinaus die Vergleichbarkeit und Transparenz medizinischer Leistungen erhöht werden. Darin waren sich Experten von DGVS, DGAV und BARMER auf einer Pressekonferenz in Berlin einig. Die Pressekonferenz fand im Vorfeld des Kongresses Viszeralmedizin 2017 statt, der vom 13. bis 16. September in Dresden veranstaltet wird.
„Es gibt nicht die eine Stellschraube für mehr Qualität und Patientensicherheit – doch es gibt einige zentrale Aspekte, bei denen wir ansetzen und bei denen die Akteure im Gesundheitswesen zusammenarbeiten sollten“, sagte Professor Dr. med. Albrecht Stier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) am Mittwoch in Berlin.
Professor Dr. med. Markus M. Lerch, Kongresspräsident der DGVS und und Dr. med. Albin Lütke, Vorsitzender der Sektion Endoskopie der DGVS, plädierten etwa dafür, dass wissenschaftlich gut belegte Qualitätsindikatoren nicht nur in der ambulanten Versorgung, sondern auch für Krankenhäuser verbindlich gelten sollten. Als Beispiel nannten sie die Darmspiegelung zur Vorsorge von Darmkrebs. So zeigen Studien, dass die Rate der entdeckten Krebsvorstufen mit der Erfahrung des untersuchenden Arztes, aber beispielsweise auch mit der Zeit, die er oder sie sich für die Untersuchung nimmt, steigt. „Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich klare Qualitätskriterien und Mindestuntersuchungszahlen, die in der ambulanten Versorgung von den Kassenärztlichen Vereinigungen eingefordert und kontrolliert werden“, so Dr. Lütke. „Für Krankenhäuser hingegen gelten keine verbindlichen Qualitätsindikatoren für die diagnostische Darmspiegelung, obwohl die Zeiterfassung und die Adenomdetektionsrate in allen Leitlinien der DGVS gefordert werden“, kritisierte Professor Lerch. Auf europäischer Ebene werden für seltene, komplikationsbehaftete endoskopische Eingriffe, etwa die Behandlung eines Barrett-Oesophagus mit einer Länge von mehr als 10 cm, bereits die Durchführung an spezialisierten Zentren und jährliche Mindestmengen gefordert.
Zu wenig Erfahrung im OP-Saal kann dramatische Folgen haben
Wenn Menschen schwer erkranken, beispielsweise an Krebs, benötigen sie oft komplexe Therapien. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass Patienten enorm profitieren, wenn Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen bei der Behandlung komplexer Erkrankungen kooperieren“, sagte Lerch. Deshalb wurden durch die Deutsche Krebsgesellschaft interdisziplinäre Organkrebszentren ins Leben gerufen, die strenge Qualitätskriterien, einschließlich der vorgegeben Mindestmengen für Operationen, erfüllen. Doch noch immer wird ein großer Teil der Patienten außerhalb dieser spezialisierten Zentren behandelt. Welche dramatischen Folgen dies für Patienten haben kann, zeigt das Beispiel Bauchspeicheldrüsenkrebs: Vergleicht man jene Kliniken mit der meisten Erfahrung und jene mit den wenigsten Operationen, so halbiert sich die Überlebenschance des Patienten nahezu. „Komplexe Eingriffe und Prozeduren, wie Operationen an der Bauchspeicheldrüse, sollten nur noch in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. Das Konzept von ‚jeder kann alles, jeder darf alles und jeder bietet alles an‘ geht zu Lasten der Patienten!", warnte Lerch.
Operationen möglichst in Zentren durchführen lassen
Auch aus Sicht der BARMER gibt es in den deutschen Kliniken nach wie vor ein enormes Qualitätsgefälle. „Es ist höchste Zeit für mehr Qualität im Krankenhaus. Dabei werden wir um eine stärkere Zentrenbildung an Unikliniken oder Krankenhäusern der Maximalversorgung und weitere Mindestmengen nicht herumkommen. Denn Qualität und Routine sind zwei Seiten einer Medaille“, sagte der Vorstandsvorsitzende der BARMER, Prof. Dr. Christoph Straub. Bestimmte Operationen sollten möglichst nur noch in einem Zentrum erfolgen, da sie dort einen besonders hohen Qualitätsstandard hätten und sicherer seien. Dies gelte etwa auch für Adipositas-Operationen, sagte Straub. So sind in einer durch die DGAV zertifizierten Klinik die Komplikationen bei einem bariatrischen Eingriff geringer als in einem herkömmlichen Krankenhaus. Auch das Sterberisiko ist um 15 Prozent reduziert. Dies hat der Report Krankenhaus der BARMER bereits im Jahr 2016 ergeben. „Für alle Operationen gilt, dass Erfahrung bekanntlich den Meister macht. Deshalb ist es immer sinnvoll, einen Eingriff dort vornehmen zu lassen, wo er nicht nur wenige Male im Jahr durchgeführt wird“, sagte Straub.
Vergleichbarkeit unter Kliniken verbessert die Qualität
Um die Sicherheit von Patienten weiter zu stärken, baut die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) seit einigen Jahren ein Dokumentationssystem auf, das chirurgische Leistungen mess- und zwischen verschiedenen Kliniken vergleichbar macht. 330 spezialisierte Organkrebszentren in Deutschland melden kontinuierlich vollzählige Datensätze ihrer Patienten an die DGAV – 75.000 sind bereits erfasst. „Die DGAV wertet diese aus und spiegelt den Kliniken dann zurück, in welchen Bereichen, zum Beispiel bei Wundinfektionen, sie im Vergleich zu anderen Kliniken Defizite haben“, erklärte Professor Stier. Mit dem System wolle die DGAV chirurgische Leistungen nicht nur transparent und vergleichbar machen, sondern gute Qualität durch Zertifikate ausweisen und fördern. „Nur die ständige Überprüfung eigener Ergebnisse und deren Vergleichbarkeit unter verschiedenen Kliniken führt zu einer kontinuierlichen Verbesserung der eigenen Qualität“, sagte Stier. „Diese kontinuierliche, regelhafte chirurgische Qualitätskontrolle ist in Deutschland bisher einzigartig und die DGAV übernimmt hier eine Vorreiterrolle bei der Stärkung der Patientensicherheit.“
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Info:
Patientensicherheit und Qualitätssicherung sind Schwerpunktthemen des Kongresses Viszeralmedizin 2017, der vom 13. bis 16. September 2017 in Dresden stattfindet. Weitere Informationen unter www.viszeralmedizin.com.