Moaaz 4160Jahre nach der Flucht (5)

Hanswerner Kruse

Heute stellen wir Moaaz Karami (30) vor, der vor fünf Jahren aus Syrien vor Bürgerkrieg und Terror flüchtete, zufällig nach Deutschland kam und sich in kurzer Zeit beispielhaft gut integrierte.

Steinau / Hanau (weltexpressso)  - „Ich habe hier eine zweite Heimat gefunden“, sagt der Sohn einer syrischen Lehrerfamilie, „aber ich will zurück, wenn alles vorbei ist. Wer soll denn unser Land wieder aufbauen, wenn alle hierbleiben wollen?“ Ende 2015, nachdem Bundeskanzlerin Merkel „Wir schaffen das“ rief, kam er mit seinem Bruder und zwei Freunden nach Deutschland.

Gemeinsam waren sie aus dem umkämpften Norden Syriens in die Türkei geflohen, dann übers Meer nach Griechenland gefahren und schließlich durch Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich hierher gekommen: Dafür liefen sie gut 3.500 Kilometer zu Fuß! Vorher hatte Moaaz in Idleb acht Semester Agrarwissenschaft studiert. Gerne wäre er nach Norwegen gegangen, aber sein Bruder, ein Lehrer, wollte in Deutschland bleiben und arbeitet mittlerweile als Erzieher in Offenbach. Also stellten auch Moaaz und seine Freunde hier ihre Asylanträge. Sie wollten zusammenbleiben, weil sie schon miteinander aufwuchsen und sich sehr lange kennen. Derzeit wohnt Moaaz mit seinem Bruder, der in Offenbach arbeitet, in Hanau zusammen.

Nach dem Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Gießen kamen sie zunächst in den Bergwinkel, weil sie hier den Imbissbesitzer Abou Hajar (wir berichteten) kannten, der aus dem gleichen Dorf wie sie stammt. Die Bearbeiter hatten nachgefragt, ob die Geflüchteten irgendwo Landsleute kennen. Moaaz und seine Begleiter wurden von Hof Reit bald nach Sinntal verlegt und lernten sehr schnell Deutsch. Mit großem Engagement wurden sie von der Integrationslotsin Annette Hölzer unterstützt, in den höchsten Tönen schwärmt Moaaz von ihr: „Sie hat zwei, drei Jahre lang so viel für uns gemacht!“

„Es war überhaupt nicht schlimm gewesen auf dem Dorf“, erzählt er, „ich habe dort viele Leute kennengelernt und mich sehr wohl gefühlt. Die meisten Geflüchteten wollen ja immer in die Großstädte: Aber meine Zukunft hat in Sinntal begonnen.“ Da die Fortsetzung seines Studiums sprachlich (noch) nicht zu schaffen war, begann er nach einem Jahr in Deutschland (2016), bei der Firma Plastic Omnium in Sterbfritz eine Ausbildung als Industriemechaniker. Die konnte er sogar vorzeitig erfolgreich abschließen und bekam innerhalb von einer Woche eine feste Anstellung bei der Steinauer Firma Dreiturm. Moaaz findet seinen neuen Beruf spannend und besucht derzeit zweimal die Woche sowie samstags die Technikerschule, die er 2023 abschließen will: „Mein Meister unterstützt mich dabei wie ein großer Bruder.“

Weder mit dem Lernen der deutschen Sprache noch in der Ausbildung gab es für ihn Probleme. Im Studium hatte er gelernt, wie man selbständig gut lernt. Lachend erzählt er, dass man deutsche Worte nicht so einfach ins Arabische übersetzen kann: „Beispielsweise kennt man die Redewendung ‚ach so’ nicht.“ Bei einem Schraubenzieher (und anderen Geräten oder Werkzeugen) müsse man einfach fragen, was die machen, um arabische Entsprechungen zu finden.

„Ich bin sehr zufrieden“, meint Moaaz, „auch wenn ich gerade viel lernen muss und noch keine Zeit habe eine Familie zu gründen.“ Er hat viele deutsche Freunde und Freundinnen - und ist ein gelungenes Beispiel für erfolgreiche Integration.

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Hanswerner Kruse

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